Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, hat die Lage von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in Polen angeprangert. Queere Menschen seien dort "weit verbreiteter Stigmatisierung" ausgesetzt, erklärte Mijatovic in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Das Problem bestehe grundsätzlich seit langem, habe sich aber seit 2017 "verschlimmert".
Maßgeblich verantwortlich dafür seien Äußerungen und Haltungen höchster politischer Amtsträger wie Präsident Andrzej Duda und dem Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, erklärte Mijatovic. Duda hatte dieses Jahr im Wahlkampf etwa gesagt, "die LGBT-Ideologie" sei "schlimmer als der Kommunismus" (queer.de berichtete). Kaczynski hatte die LGBTI-Community als "Bedrohung" für die traditionelle Familie bezeichnet – er forderte sogar das Verbot von CSDs (queer.de berichtete).
Mijatovic begrüßte ausdrücklich die 2019 erklärte Absicht der städtischen Behörden von Warschau, die Hauptstadt "integrativer" zu machen. Als Reaktion darauf hätten sich jedoch etwa hundert Gemeinden, die rund ein Drittel des Landes abdeckten, als frei von "LGBTI-Ideologie" oder "Homo-Propaganda" erklärt. Die "gefährliche" Interpretation der Abkürzung LGBTI als Ausdruck einer Ideologie verurteilte die Menschenrechtskommissarin scharf.
Kritik an lückenhafter Rechtslage
Weitere Probleme ergeben sich laut Mijatovic aus einer lückenhaften Rechtslage. Demnach gibt es in Polen keine gesetzlichen Bestimmungen zur rechtlichen Anerkennung nicht-heterosexueller Lebensgemeinschaften. Trans Menschen müssten erst ein "langes und teures" Gerichtsverfahren durchlaufen, um ihre Geschlechtsangabe offiziell zu ändern. Und das Strafrecht sieht keine erschwerenden Umstände für Verbrechen wegen der sexuellen Orientierung des Opfers vor. Ein Vorschlag für ein solches Gesetz war 2016 abgelehnt worden.
Die Menschenrechtskommissarin führte in diesem Zusammenhang an, dass es zuletzt wiederholt zu "gewalttätigen Angriffen" auf Teilnehmer von CSDs gekommen und LGBTI-Aktivist*innen Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt gewesen seien. Sie forderte die Behörden auf, die Rechte dieser Menschen besser zu schützen und "die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen, das durch einige Entwicklungen der letzten Zeit möglicherweise untergraben wurde".
Erst vergangenen Monat hatte Mijatovic auch die LGBTI-feindliche Politik Ungarns attackiert (queer.de berichtete).
Der Europarat mit Sitz im elsässischen Straßburg setzt sich für die Wahrung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten ein. Der 1949 gegründeten Organisation gehören alle europäischen Länder außer Belarus und dem Vatikanstaat an. Sie ist kein Organ der Europäischen Union. (afp/dk)