Die Berliner Staatsanwaltschaft ist vor einer homofeindlichen christlichen Fundamentalistin eingeknickt. Wie der "Tagesspiegel" berichtete, wurde das Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen die Besitzerin des koreanischen Imbiss-Restaurants "Ixthys" eingestellt.
Das Lokal der gebürtigen Koreanerin Park Young-Ai, das mitten im Berliner Regenbogenkiez liegt, ist komplett mit Bibelzitaten tapeziert. Der Name "Ixthys" ist altgriechisch für "Fisch", ein Erkennungszeichen für Christ*innen.
Mit Bibelzitat gegen Lesben und Schwule: "Greuel ist dies"
Eingeleitet wurden die Ermittlungen im Sommer aufgrund eines Bibelzitats aus dem 3. Buch Mose, das auch als Levitikus bekannt ist. "Und einem Mann sollst Du nicht beiliegen, wie man einem Weib beiliegt; Greuel ist dies", ist im Schaufenster des Imbisses auch von der Straße aus zu lesen. Weiter heißt es: "Jeder, der einen von allen diesen Gereueln tut – die Personen, die sie tut, sollen ausgetilgt werden aus der Mitte ihres Volkes." Die drei Worte "Greuel ist dies" hob die Wirtin farblich hervor.
Hetze gegen homosexuelle Menschen im Schaufenster
Das homofeindliche Plakat hatte vor einem halben Jahr für einigen Medienwirbel gesorgt (queer.de berichtete). Unter der Überschrift "Die Schande von Schöneberg" berichtete u.a. das Boulevardblatt "B.Z." über die homofeindliche Agitation der 71-jährigen Wirtin. LGBTI-Aktivist*innen, etwa vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, forderten die Betreiberin auf, das Bibelzitat zu entfernen.
Park Young-Ai blieb jedoch stur: "Ich bin sehr gläubig und möchte, dass alle Menschen zu Gott finden", erklärte die Koreanerin Anfang Juli in einem Statement. "Ich verurteile homosexuelle Menschen nicht, aber wenn sie Gottes Willen nicht befolgen, werden sie nicht das ewige Leben, sondern die ewige Hölle erfahren müssen." Sie habe auch kein Problem damit, Lesben und Schwule zu bedienen.
Staatsanwaltschaft machte 180-Grad-Wende
Zunächst nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ernst und erhielt vom Amtsgericht Tiergarten sogar einen Durchsuchungsbeschluss für das Restaurant (queer.de berichtete). Die im Spätsommer erfolgte Durchsuchung wurde jedoch im vergangenen Monat vom Landgericht für rechtswidrig erklärt (queer.de berichtete).
Während des Verfahrens ruderte die Anklagebehörde aus unbekannten Gründen komplett zurück: "Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage bestehen Zweifel, ob das verfahrensgegenständliche Geschehen den Tatbestand einer Volksverhetzung" erfülle, zitierte katholisch.de aus einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft an das Landgericht. "Gewichtige Umstände" sprächen dafür, dass das Hass-Poster der Imbissbesitzerin ein "zulässiger Ausdruck der verfassungsrechtlichen Religions- und Meinungsfreiheit" sei.
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"Diese Überzeugungen mögen – insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Homosexualität – nicht mehr zeitgemäß erscheinen", so die Staatsanwaltschaft. Jedoch dürfte die Art und Weise der Äußerung nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, zumal sich die Wirtin auf den Wortlaut der biblischen Textpassage berufen könne.
Das Amtsgericht sah einen Anfangsverdacht auf Volksverhetzung
Das Amtsgericht Tiergarten hatte dagegen einen klaren Anfangsverdacht auf Volksverhetzung gesehen. "Der Beschuldigten kam es gerade darauf an, durch die Auswahl des Bibelzitats und die Hervorhebung der genannten Passage ihre homophobe und menschenfeindliche Haltung öffentlich zum Ausdruck zu bringen", heißt im Durchsuchungsbeschluss. Der Wirtin sei bewusst gewesen, dass ihr Restaurant "in unmittelbarer Nähe zum Winterfeldplatz und damit im Zentrum der LSBTI-Community Berlins" liege, wo viele schwule Männer lebten oder ausgingen, so hatte das Amtsgericht argumentiert. "Sie nahm wenigstens billigend in Kauf, dass das Bibelzitat geeignet ist, Hass und Gewalt gegen schwule Männer hervorzurufen oder zu verstärken." (cw)