Noch immer sind sich die Behörden unsicher, ob Homosexuellenfeindlichkeit das Motiv für die Messeattacke eines syrischen Islamisten auf ein schwules Paar am 4. Oktober in Dresden gewesen ist. Damals hatte der 20-jährige behördenbekannte Gefährder und IS-Anhänger Abdullah Al H.H. Thomas L. und seinen Freund Oliver L. mit einem Messer attackiert und schwer verletzt – Thomas starb an seinen Verletzungen und wurde später in seiner Heimatstadt Krefeld beigesetzt (queer.de berichtete).
Die "Sächsische Zeitung" berichtete in einem Artikel (Bezahlschranke) vom Freitag, dass Sicherheitskreisen Anthaltspunkte dafür fehlten, der mutmaßliche Täter habe die beiden Männer als Schwule wahrgenommen. "Die Tat war geplant, das war keine Affekthandlung. Das Messer hatte er sich vorher besorgt", wird eine Quelle zitiert.
Auch Thomas Mücke von der Organisation Violence Prevention Network, die sich mit der Deradikalisierung von Extremist*innen beschäftigt, erklärte: "Ich wäre vorsichtig mit Homophobie als Tatmotiv." Schließlich habe der Verdächtige gewusst, dass er observiert werde und sei nicht geflohen. Möglich sei, dass ihm dies egal war und er einfach einem Drehbuch gefolgt sei, das er bereits seit langer Zeit in seinem Kopf gehabt habe.
Langes Schweigen der Behörden
Erst Wochen nach der Tat berichteten Medien, dass die beiden Opfer ein schwules Paar gewesen und auch in der Öffentlichkeit als solches aufgetreten sind. Diesen Umstand und damit mögliches Motiv verschwiegen die Behörden aber beharrlich (queer.de berichtete). Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt hatte etwa bei einer Pressekonferenz gesagt, man äußere sich zur sexuellen Orientierung von Tatopfern nicht, das sei schlicht "nicht unsere Aufgabe". Inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Diese Vogel-Strauß-Haltung der Behörden wurde von LGBTI-Aktivist*innen scharf kritisiert: "Ich bin mehr als irritiert, dass die Behörden ein wichtiges Tatmotiv verschweigen", sagte Jörg Litwinschuh-Barthel, der Chef der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Ende Oktober zum "Tagesspiegel". "Das wäre zum Beispiel bei POC- oder jüdischen Opfern nicht passiert. Das sollte die LSBTIQ-Community aufhorchen lassen." (cw)