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Gerichtsurteil
Firmen müssen geschlechtsneutrale Anredeform bieten
Die zwangsweise Festlegung auf "Herr" oder "Frau" verletzt das Persönlichkeitsrecht, entschied das Landgericht Frankfurt. Die Anrede ist von "zentraler Bedeutung". Geklagt hatte eine nichtbinäre Person.
- 4. Dezember 2020, 13:27h 2 Min.
Firmen müssen für Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität eine geschlechtsneutrale Anredeform in ihrer Kommunikation mit Kund*innen bereithalten. Das entschied das Landgericht Frankfurt am Main am Donnerstag in einem Rechtsstreit zwischen einer betroffenen Person und einem Eisenbahnunternehmen (Az. 2-13 O 131/20). Die klagende Person hatte bei einem Fahrkartenkauf im Internet nur die Wahl, als "Herr" oder "Frau" erfasst und entsprechend angeschrieben zu werden.
Eine Forderung nach Entschädigung wiesen die Richter*innen aber ab. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Person sei dafür nicht schwerwiegend genug. Die Anrede als "Herr" in einem einzelnen Rechnungsanschreiben sei nicht "böswillig" erfolgt, sondern lediglich "Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge", so das Landgericht. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem Gleichbehandlungsgesetz seien nicht erfüllt.
Landgericht: Anrede ist von "zentraler Bedeutung"
In der Sache gab die Kammer der klagenden Person jedoch recht und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter anderem auch die geschlechtliche Identität. In diesem Zusammenhang sei die Anrede nach dem allgemeinen Verständnis von "zentraler Bedeutung". Eine zwangsweise Festlegung auf "Herr" oder "Frau" verletzte insofern das Persönlichkeitsrecht.
Für die Erbringung der Dienstleistung im vorliegenden Fall sei das Geschlecht außerdem "völlig irrelevant". Das beklagte Unternehmen könne alternativ etwa eine Grußformel wie "Guten Tag" einführen oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede gänzlich verzichten, führten die Frankfurter Richter*innen in ihrem noch nicht rechtskräftigen Beschluss aus. Dieser kann noch durch eine Berufung von dem Frankfurter Oberlandesgericht angefochten werden.
Als unerheblich stufte das Landgericht die Frage ein, ob Betroffene schon eine Änderung im Personenstandsregister veranlasst hätten sowie beim Standesamt die Eintragung eines diversen Geschlechts erfolgt sei. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie das Recht auf eine der geschlechtlichen Identität entsprechenden Anrede beginne nicht erst mit einer offiziellen Personenstandsänderung, sondern laut Verfassungsgericht schon bei "gefühlter Geschlechtsidentität". (cw/AFP)














