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Gerichtsurteil

Firmen müssen geschlechtsneutrale Anredeform bieten

Die zwangsweise Festlegung auf "Herr" oder "Frau" verletzt das Persönlichkeitsrecht, entschied das Landgericht Frankfurt. Die Anrede ist von "zentraler Bedeutung". Geklagt hatte eine nichtbinäre Person.


Das Urteil des Landgerichts Frankfurt ist noch nicht rechtskräftig (Bild: pixel2013 / pixabay)

  • 4. Dezember 2020, 13:27h 7 2 Min.

Firmen müssen für Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität eine geschlechtsneutrale Anredeform in ihrer Kommunikation mit Kund*innen bereithalten. Das entschied das Landgericht Frankfurt am Main am Donnerstag in einem Rechtsstreit zwischen einer betroffenen Person und einem Eisenbahnunternehmen (Az. 2-13 O 131/20). Die klagende Person hatte bei einem Fahrkartenkauf im Internet nur die Wahl, als "Herr" oder "Frau" erfasst und entsprechend angeschrieben zu werden.

Eine Forderung nach Entschädigung wiesen die Richter*innen aber ab. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Person sei dafür nicht schwerwiegend genug. Die Anrede als "Herr" in einem einzelnen Rechnungsanschreiben sei nicht "böswillig" erfolgt, sondern lediglich "Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge", so das Landgericht. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem Gleichbehandlungsgesetz seien nicht erfüllt.

Landgericht: Anrede ist von "zentraler Bedeutung"

In der Sache gab die Kammer der klagenden Person jedoch recht und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter anderem auch die geschlechtliche Identität. In diesem Zusammenhang sei die Anrede nach dem allgemeinen Verständnis von "zentraler Bedeutung". Eine zwangsweise Festlegung auf "Herr" oder "Frau" verletzte insofern das Persönlichkeitsrecht.

Für die Erbringung der Dienstleistung im vorliegenden Fall sei das Geschlecht außerdem "völlig irrelevant". Das beklagte Unternehmen könne alternativ etwa eine Grußformel wie "Guten Tag" einführen oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede gänzlich verzichten, führten die Frankfurter Richter*innen in ihrem noch nicht rechtskräftigen Beschluss aus. Dieser kann noch durch eine Berufung von dem Frankfurter Oberlandesgericht angefochten werden.

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Als unerheblich stufte das Landgericht die Frage ein, ob Betroffene schon eine Änderung im Personenstandsregister veranlasst hätten sowie beim Standesamt die Eintragung eines diversen Geschlechts erfolgt sei. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie das Recht auf eine der geschlechtlichen Identität entsprechenden Anrede beginne nicht erst mit einer offiziellen Personenstandsänderung, sondern laut Verfassungsgericht schon bei "gefühlter Geschlechtsidentität". (cw/AFP)

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#1 audeasAnonym
  • 04.12.2020, 16:54h
  • Hervotragende Neuigkeiten! Noch viel zu viele Unternehmen der freien Wirtschaft halten das starre Binätsystem in der Anredeoption aufrecht. Was mich aber besonders sprachlos hinterlässt, ist dass ich diese eklatante Nichteinhaltung von rechtlichen Vorschriften bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beobachten musste (Kontakt- und Unfallanzeigeformular der Berufsgenossenschaft). Das darf nicht sein!
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#2 Taemin
  • 04.12.2020, 16:55h
  • Schlimm, dass Selbstverständlichkeiten in diesem Land immer in langwierigen Gerichtsverfahren durchgesetzt werden müssen. So musste ich seinerzeit meinen Dienstherrn auf dem Klagewege zwingen, meinen Familienstand in der Besoldungsmitteilung von "ledig" in "Lebenspartnerschaft" zu ändern. Was diesen Anredefetischismus angeht, frag ich mich schon immer, wieso bei so vielen Vordrucken und Eingabemasken nach "Herr" und "Frau" unterschieden wird, ja dass es sich sogar oft um Pflichtfelder handelt, als wäre ein bestimmtes Geschlecht im bürgerlichen Rechtsverkehr anspruchsbegründend oder anspruchsvernichtend.
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#3 TheDad
  • 05.12.2020, 09:28hHannover
  • ""Firmen müssen für Menschen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität eine geschlechtsneutrale Anredeform in ihrer Kommunikation mit Kund*innen bereithalten.""..

    Nein !
    Die Firmen müssen das für ALLE Menschen bereithalten, und nicht nur für diejenigen mit einer "nichtbinären Geschlechtsidentität" !

    Denn erst dann steht ALLEN die Möglichkeit offen sich für eine Anrede zu entscheiden, und dieses Recht steht ja bereits Männern und Frauen offen, die ja auch nicht "gegen-geschlechtlich" angesprochen werden wollen, so wie man es beispielsweise nach der Ehe-Öffnung in "alten Formularen" der Finanzämter erleben mußte..

    Dieses Urteil darf sich dann auch nicht auf "Firmen" beschränken, sondern muß sich auf ALLE Bereiche des öffentlichen Lebens erstrecken..
    Damit ist der Fall also auch noch nicht endgültig erledigt..
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