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Heimkino

Vom "Pulse" bis zum "Bataclan" – ein Terror-Exploitation-Movie

Jetzt auf DVD: Das US-Drama "Pulse – Schlag gegen die Freiheit" des schwulen Regisseurs Anthony Meindl verknüpft drei reale Amokläufe und Massenmorde mit fiktiven Opfergeschichten.


Ricky (Regisseur Anthony Meindl) und sein jüngerer Freund Raul (Matt Pascua) leben in Orlando, Florida. Das Paar streitet sich, bevor Raul am 12. Juni 2016 allein den queeren Club "Pulse" besucht (Bild: Pro-Fun Media)
  • Von Peter Fuchs
    6. Dezember 2020, 08:59h 9 5 Min.

Der junge Latino Raul kauft in einem Supermarkt ein. Zwischen Regalen mit Nudeln und Auslagen mit Auberginen fällt ihm ein sexy Daddy auf. Nach erstem Augenkontakt liefern sich die beiden eine Cruising-Verfolgungsjagd, die aus dem Supermarkt raus bis ins schicke Haus des Daddys führt. Als der junge Mann dem Älteren bis an die Schwelle des Schlafzimmers nachgestiegen ist, lässt er vor Überraschung seine Einkäufe fallen. Der Mann heißt Ricky und erwartet ihn bereits ohne Klamotten im Bett. Dabei zerbricht eine Milchflasche, die weiße Flüssigkeit ergießt sich über den Boden.

Klar, ein sehr offensichtliches Bild, das kann man durchaus so machen. Dabei irritiert aber, dass sich niemand von den beiden an der verschütteten Milch stört, die in den Teppichboden sickert. Selbst in so einem Setting ist das fragwürdig und nur die erste Frage von vielen, die man sich beim Zuschauen stellt.

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Orlando, Binghamton und Paris

"Pulse – Schlag gegen die Freiheit" (Amazon-Affiliate-Link ) ist ein Drama mit drei unabhängigen Handlungssträngen, zwei spielen in den USA, eine in Paris. Allen drei ist gemeinsam, dass sie auf Amokläufe und Massenmorde zusteuern, die uns in der jüngsten Vergangenheit erschüttert haben.

Raul und sein Partner Ricky (ja, es war ein Rollenspiel) leben in Orlando, Florida, und Raul macht sich abends auf, um im LGBTI-Club "Pulse" Freunde zu treffen. Die Verabredungen trifft er auch via Grindr. Ricky möchte lieber zuhause bleiben, Raul geht dennoch. Es kommt zum Streit zwischen den beiden an jenem Abend im Jahr 2016, an dem im "Pulse" ein Attentäter 49 Menschen ermorden und 50 weitere verletzen wird.

Eine Lehrerin, ein Flüchtling und ein eifersüchtiger Ehemann

Eine weitere Episode folgt einem Tag im Leben der Englischlehrerin Elena in einer Kleinstadt im Bundesstaat New York. Sie bereitet ehrenamtlich Geflüchtete auf Sprachtests zur Asylanerkennung vor. Als sie zuhause einem jungen Mann Unterricht gibt, wird sie Opfer häuslicher Gewalt. Ihr Ehemann scheint krankhaft eifersüchtig und ein brutaler Rassist zu sein.

Hier kommt es zur nächsten Irritation am Rande, so ähnlich wie bei der Milch zu Beginn. Besetzt als Ehemann wurde der Schauspieler Zak Steiner, der auch als Model arbeitet. Nun müssen nicht alle Bösewichte hässlich sein, aber jemanden in dieser Rolle zu besetzen, der so auffallend attraktiv ist, sollte einen Grund haben. Dieser tiefere Sinn bleibt in der Handlung jedoch verborgen, als Elena in ihre Schule geht, knapp bevor dort ein Attentäter 13 Menschen töten und 4 verletzen wird. Dieser Amoklauf fand 2009 statt.

Zwei Heteropaare mit queeren Heimlichkeiten


Pro-Fun hat "Pulse – Schlag gegen die Freiheit" mit deutschen Untertiteln auf DVD veröffentlicht

Der dritte Handlungsstrang spielt in Paris und beschreibt einen Abend im Jahr 2015. Zwei Heteropaare treffen sich zum Abendessen. Eine der Frauen ist schwanger, aber nicht so recht glücklich in ihrer Beziehung. Insgesamt lastet eine bedrückende Stimmung auf dem Abend, der als Spaßabend geplant war. Nach einem Barbesuch zum Vorglühen brechen sie zu dem Konzert im "Bataclan" auf, in dem drei Terroristen 89 Menschen ermorden werden.

In den Geschichten von Florida und Paris blitzen in der Mitte des Films kurz spannende Szenen auf. Verhandelt das schwule Paar den Altersunterschied in ihrer Beziehung, scheint dabei auch subtil die puertorikanische Herkunft von Raul eine Rolle zu spielen. Oder wenn in Paris im Laufe des Abends klar wird, dass unter den "traditionellen" Beziehungen der vier Menschen auch queere Heimlich- und Begehrlichkeiten verborgen sind.

Fragen, die man sich nicht stellen sollte

Am Ende des Films passieren dann die bereits befürchteten Amokläufe, und es stellen sich damit leider noch mehr Fragen beim Zuschauen: Warum verknüpft der Film fiktive Figuren mit realen Massenshootings? Warum sterben am Ende manche Protagonist*­innen, manche nicht? Warum bleibt das Überleben bei manchen unklar? Warum sieht man zu Beginn des Films Szenen von Protagonist*­innen, die am Ende tot sein werden, kombiniert mit Szenen von Protagonist*­innen in ihrem Leben nach den Massakern? Warum läuft im Abspann eine Auflistung von allen Massenshootings in den USA, obwohl eine der Episoden ein Massenshooting in Paris ist?

Das sind nicht die Fragen, die man sich nach dem Ende eines solchen Films stellen sollte.

Die Folgen der Anschläge werden nicht erzählt

Was bleibt, ist ein Spielfilm, in dem drei Terrorakte das Leben von Menschen wie Du und Ich verwüsten. Der schwule Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Anthony Meindl (Ricky) zeigt aber nur, was davor war. So einen Film gibt es bereits, "Elephant" vom ebenfalls schwulen Gus van Sant, ein Meisterwerk. Im konkreten Fall wäre es interessanter gewesen, was die Terroranschläge bei den Protagonist*­innen danach auslösen und verändern. Das würde den Überlebenden und Hinterbliebenen der realen Massaker mehr Respekt zollen und auch den Originaltitel des Films ("Where we go from here") plausibler machen.

Eine letzte Frage poppt beim Durchlaufen des Abspanns auf, vielleicht die alles bestimmende: Habe ich eben ein "Terror-Exploitation-Movie" gesehen? Ein Exploitationsfilm soll laut Wikipedia eine reißerische Grundsituation ausnutzen, um mittels ausbeutender Darstellung die Zuschauenden emotional zu manipulieren. Die Frage lässt sich bei "Pulse – Schlag gegen die Freiheit" leider mit Ja beantworten.

Infos zum Film

Pulse – Schlag gegen die Freiheit. (Original: Where we go from here). Drama. USA 2019. Regie: Anthony Meindl. Darsteller*innen: Anthony Meindl, Justine Wachsberger, Raphael Desprez, Camille De Pazzis, Nicolas Berger-Vachon, Zhan Wang, Olivia Taylor Dudley, Siva Kaneswaran, Zak Steiner, Matt Pascua, Lorenza Izzo, Ada Luz Pla. Laufzeit; 90 Minuten. Sprache: englisch-französische Originalfassung. Untertitel: Deutsch, Niederländisch, Englisch (optional). FSK 12. Pro-Fun Media

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#1 GronkelAnonym
  • 06.12.2020, 13:59h
  • "Terror-Exploitation-Movie"

    Auch nach dem Wikipedia Eintrag verstehe ich nicht was damit gemeint ist, oder besser gesagt, was damit nicht gemeint ist?
    Wie soll denn ein Film über Terror aussehen, der Gewalt und Terror gar nicht thematisiert?
    Die Beispiele in der Wiki treiben es dann auch noch in das Absurde. Es gibt wohl ein "Carploitation" Film mit The Fast and the Furious und ein "Bruceploitation" Film über Bruce Lee.
    Unter den Bedinungen bin ich wohl ein Sci-Fi-Exploitation Film-Fan. Der gerne und massiv Science Fiction im Sci-Fi Film mag.
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#2 AusbeuterischAnonym
  • 06.12.2020, 14:49h
  • Antwort auf #1 von Gronkel
  • Du beziehst Dich auf Wikipedia? Auf den Eintrag "Exploitationfilm"? Da steht (Auszug):
    "Exploitationfilm ist eine kategorisierende Bezeichnung für Filme, die reißerische Grundsituationen ausnutzen, um mittels der exploitativen (meint: ausbeuterischen) Darstellung, vornehmlich von Sex und Gewalt, über die damit erreichten Schauwerte affektiv auf den Zuschauer zu wirken."

    Finde das leicht verständlich und damit ist auch klar, warum "Pulse" als Terror-Exploitation-Movie kritisiert wird. Er ist nämlich genau das, passend zur Definition.

    Denke der Regisseur hat es sicher "gut gemeint", ist aber dabei über das Ziel hinausgeschossen. Generell ist es äußerst problematisch, reale Ereignisse mit Fiktion zu vermischen, insbesondere wenn nicht explizit (das heißt IM FILM und nicht etwa erst im Booklet oder im Regisseur-Kommentar) darauf hingewiesen wird. Das Allermindeste wäre ein Hinweis "based on real events" schon im Trailer, damit zumindest schon mal klar ist, dass hier die Realität etwas "ausgebaut" wurde. Nicht mal das ist der Fall. Also kann man hier mit Fug und Recht von Exploitation sprechen!
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#3 GronkelAnonym
  • 06.12.2020, 15:20h
  • Antwort auf #2 von Ausbeuterisch
  • "Exploitationfilm ist eine kategorisierende Bezeichnung für Filme, die reißerische Grundsituationen ausnutzen, ..."

    Das ist wohl die Grunddefinition einer filmischen Darstellung. Jeder Film und jede Doku handelt nach der Prämisse. Und sei es auch nur über die Schnitte, die Untermalung mit Musik und Tönen oder dem Sprecher. Es wird immer sowohl mit Thema und Darstellung auf die Zuschauer gewirkt. Ein Krimi mit Mord, ein Aktion Film mit einer Verfolgungsjagd, ein Katastrophenfilm mit einem Weltuntergang und eine Schnulze mit Gefühlen.
    Ob das dann bei auf realen Begebenheiten oder totaler Fiktion beruht ist zwar schön zu wissen, aber für einen Film irrelevant und höchstens für das persönliche Empfinden nach gut und schlecht, kann das wichtig sein.
    Eine Kategorisierung eines Filmes in gut oder schlecht für Andere (was dieses Exploitation wohl in letzter Konsequenz heißen soll) sollte sich niemand erst anmaßen.
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