Der FDP-Antrag "Diskriminierung bei der Blutspende beenden" (PDF) ist am Dienstag im bayerischen Landtag gescheitert. Dafür stimmten lediglich die drei demokratischen Oppositionsfraktionen FDP, Grüne und SPD. Dagegen votierte neben den Regierungsparteien CSU und Freie Wähler auch die AfD.
Der Antragsteller reagierte empört auf die Ablehnung: "Die ewiggestrige Weltanschauung von CSU, Freien Wählern und AfD ist unerträglich. Die bayerische Gesellschaft ist schon so viel weiter als die in den 1980er-Jahren steckengebliebenen Regierungsfraktionen", so der offen schwule FDP-Landtagsabgeordnete Sebastian Körber. Ferner mutmaßte der 40-jährige Oberfranke: "So mancher Alt-Konservativer glaubt wahrscheinlich noch daran, dass man sich bei einem Zungenkuss mit dem Aids-Virus anstecken kann. Dass eine gesellschaftliche Gruppe unter Generalverdacht gestellt wird, ein erhöhtes HIV-Risiko zu haben, ist eine Schande." Außerdem sei es angesichts des coronabedingten Rückgangs bei Blutspenden "unverständlich und unverantwortlich", dass die bayerische Staatsregierung der Diskriminierung kein Ende setze wolle.
Sebastian Körber ist FDP-Fraktionssprecher für Wohnen, Bau und Verkehr sowie für LGBTI
Die FDP hatte in ihrem Antrag gefordert, dass sich Bayern im Bundesrat für ein Ende der Diskriminierung einsetzen soll. Andere Länder haben bereits ähnliche Beschlüsse gefasst – so gab es im September im rheinland-pfälzischen Parlament eine deutliche Mehrheit für eine entsprechende Forderung. Sogar die oppositionelle CDU stimmte dem rot-gelb-grünen Antrag in Mainz zu (queer.de berichtete).
CSU: Nur ohne schwule Blutspenden geht man auf "Nummer sicher"
Während der Debatte im Plenum verteidigte der Erlanger CSU-Gesundheitsexperte Bernhard Seidenath den Ausschluss aufgrund der sexuellen Orientierung. Es sei im "Interesse des Empfängers", dass seine Gesundheit durch risikobehaftete Blutspenden "nicht beeinträchtigt" werde. Nur so könne man auf "Nummer sicher" gehen, behauptete Seidenath.
Bernhard Seidenath ist seit 2013 gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion
Susann Enders von den Freien Wählern erklärte im Plenum sogar, dass die HIV-Gefahr Anal-Sex bei Heterosexuellen schlicht kein Thema sei. Wörtlich sagte die heterosexuell verheiratete Oberbayerin: "Die Gefährdung bei analem Sexualverkehr homosexueller Männer ist nun mal deutlich größer [...] als bei den – ich sag mal – häufig praktizierten Sexualpraktiken von Heteros."
Für den AfD-Abgeordneten Roland Magerl sind schwule Blutspenden lediglich "falsch verstandene Minderheitenpolitik". Viele Gedanken zum Thema hatte er sich aber offenbar nicht gemacht – seine Rede war mit 24 Sekunden die mit Abstand kürzeste. Magerl hatte in der Vergangenheit über Bayern hinaus für Schlagzeilen gesorgt, weil er im Wahlkampf ein T-Shirt der rechtsextremen Marke Ansgar Aryan trug und beim Landesparteitag vergangenes Jahr Journalist*innen als "Ratten" bezeichnete.
Tessa Ganserer: Aktuelle Regelung ist "absurd"
Für ein Ende des Blutspendenverbots für schwule und bisexuelle Männer warb neben FDP-Mann Sebastian Körber auch die Grünenpolitikerin Tessa Ganserer: "Diese Regelung ist absurd, denn sie gilt selbst dann, wenn der Sexualkontakt ausschließlich mit dem eigenen Ehemann oder dem eigenen Partner in einer ausschließlich monogamen Beziehung stattfindet." Auch der SPD-Abgeordnete Michael Busch erklärte, dass das Verbot aufgehoben werden sollte: "Das ist diskriminierend und das ist medizinisch auch nicht zu begründen."
Der Hintergrund zur Auseinandersetzung ums Blutspenden: Schwule und bisexuelle Männer werden in Deutschland seit Jahrzehnten pauschal anders behandelt als spendewillige Heterosexuelle – und auch trans Menschen werden in den Richtlinien der Bundesärztekammer pauschal als besondere Gefahrengruppe identifiziert. Die Regelungen gehen auf die Anfangszeiten der Aids-Epidemie in den Achtzigerjahren zurück, als Männer, die Sex mit Männern haben, vollständig vom Blutspenden ausgeschlossen worden waren. Seit 2017 dürfen schwule und bisexuelle Männer wieder spenden – allerdings nur, wenn sie versichern, ein Jahr keinen Sex gehabt zu haben (queer.de berichtete). Dabei ist es unerheblich, ob es sich dabei um geschützten Geschlechtsverkehr oder Sex mit dem eigenen Ehemann handelte.
LGBTI- und Aids-Aktivst*innen kämpfen bereits seit Jahren für eine Reform. Sie empfinden die augenblickliche Regelung als "Unverschämtheit" (queer.de berichtete). Denn die zwölfmonatige Sex-Karenzzeit sei lebensfremd und schreibe in der Realität das Totalverbot für schwule und bisexuelle Männer fort. Die Aktivist*innen verweisen auch auf die Länder Spanien und Italien, in denen beim Blutspenden das wirkliche sexuelle Risikoverhalten abgefragt wird und nicht die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der spendewilligen Personen.
Erst vergangenen Monat haben die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) in einem gemeinsamen Appell mit der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung gefordert, das Blutspendeverbot zu lockern (queer.de berichtete). Diese Forderung ist aber offenbar bei den bayerischen Parteifreund*innen noch nicht angekommen.
Über die Aussagen, medizinischen Lügen und Frechheiten die im Artikel beschrieben sind, fehlen mir ehrlich gesagt die Worte. Die, die mir aktuell auf der Zunge liegen, widersprechen der Nettiquette.