Manche Filme möchte man schon vor dem Ansehen gut finden. "Happiest Season" ist so ein Film und zu einer queeren Weihnachtskomödie passt Vorfreude auch ganz gut. Was für ein Namedropping! Kristen Stewart (unser aller Bella) in einer lesbischen Hauptrolle, an ihrer Seite Mackenzie Davis, die wir aus der "Black Mirror"-Episode "San Junipero" in guter Erinnerung haben.
Unterstützend an der Seite funkeln jede Menge Stars: Daniel Levy (Schitt's Creek), Alison Brie (Glow) und Oscarpreisträgerin Mary Steenburgen um nur drei zu nennen. Drehbuch und Regie steuert Clea DuVall bei, die seit "But I'm a Cheerleader" (1999) den Status einer lesbischen Ikone genießt. Es fängt alles auch gut an.
"Meet the Parents" trifft "Driving home for Christmas"
Poster zum Film: "Happiest Season" erscheint am 11. Dezember 2020 als Download
Abby (Kristen Stewart) und Harper (Mackenzie Davis) laufen händchenhaltend durch weihnachtlich beleuchtete Straßen. Harper liebt Weihnachten, Abby lässt die angeblich schönste Zeit des Jahres eher kalt. Um das zu ändern, klettert Harper übermütig mit Abby über ein Baugerüst auf das Dach eines unbeleuchteten Hauses, damit sie heimlich-romantisch das glitzernden Panorama genießen können.
Als man sie dabei erwischt, hängt Abby auf der Flucht plötzlich an der Dachrinne und lernt in dieser unbequemen Situation die Hausbesitzer kennen: eine als Weihnachstfrau verkleidete Domina mit einem Mann im Elchkostüm, devot an der Leine. Das lässt auf Albernheiten hoffen (Kristen Stewart und Slapstick!).
Im Überschwang der Gefühle lädt Harper die Liebste ein, mit ihrer Familie die Feiertage zu verbringen. Noch haben sie Abby nicht kennengelernt. "Meet the Parents" im Mash-up mit "Driving home for Christmas", dazu erstmals ein Frauenpaar im Zentrum, was will man mehr für eine unterhaltsame Weihnachts-RomCom.
Harpers homofeindliche Familie überschreitet Grenzen
Doch auf dem Weg im Auto nimmt der Film eine Wendung, die unangenehm aufstößt. Harper gesteht, dass sie bei ihrer nach außen heteronormativ "perfekten" Familie nicht geoutet ist, obwohl sie Abby das Gegenteil erzählt hat. Sie schlägt vor, dass sich Abby als platonische Freundin und Mitbewohnerin ausgeben soll. Für die Weihnachtsfeiertage zurück in den Schrank und eine Hetera vorgaukeln? Wir queeren Zuschauer*innen verstehen nach einem oft hart erkämpften Coming-out bei diesem Thema eher selten Spaß. Ob das ein heterosexuelles Publikum anders empfindet?
Auf alle Fälle verliert die Komödie an dieser Stelle einige Zuschauer*innen und kann sie auch mit ein paar witzigen Ideen kaum mehr zurückholen. Zu häufig überschreitet Harpers Familie Grenzen, ohne dass Abby aus dem Spiel aussteigt. Zu stark verändert sich Harper in der Anwesenheit der Eltern, dass sie einem trotz offensichtlicher Not sympathisch bleiben kann. Es stellt sich daher die spannende Frage, wie in einem solchen Setting das Happy End aussehen kann. Bei Filmen dieses Genres ist das gute Ende ein unverzichtbares Element.
Wirklich lustig sind nur einige Nebendarsteller*innen
Die Dialoge zwischen Abby und ihrem besten schwulen Feund John (Dan Levy) gehören zu den Highlights des Films (Bild: TriStar Productions / eOne )
Doch gibt es auf der Habenseite einiges zu erwähnen, wenn auch im Bereich der Nebendarsteller*innen. Ist Kristen Stewart in der Handlung viel zu lange passiv den Demütigungen sich zu verstellen ausgeliefert, blüht sie in den Dialogsequenzen mit Dan Levy auf. Er gibt Abbys besten schwulen Freund, der in einem smarten Twist nicht wie üblich heterosexuellen Protagonist*innen witzige Ratschläge erteilt, sondern in diesem Fall einer anderen homosexuellen Person. Textzeilen wie "Let's talk about the fish" in Kombination mit dem Spiel seiner markanten Augenbrauen sind superlustig.
Herzerwärmend ist auch Mary Holland als Harpers Schwester Jane. Eingeführt als dusselige Spinnerin und angehende Fantasy-Autorin, die von keinem Familienmitglied respektiert wird, entpuppt sie sich im Finale als liebevoll und mitfühlend. Über ihr Happy End in dieser Komödie kann man sich ungetrübt freuen.
Infos zum Film
Happiest Season. Komödie. USA 2020. Regie: Clea DuVall. Darsteller*innen: Kristen Stewart, Mackenzie Davis, Daniel Levy, Alison Brie, Mary Steenburgen, Mary Holland, Victor Garber, Burl Moseley, Jake McDorman. Laufzeit: 101 Minuten. Sony Pictures. FSK 6. Ab 11. Dezember 2020 als Download