Die am Sonntag bei den Bund-Länder-Beratungen beschlossenen Kontaktbeschränkungen haben bei den LGBTI-Organisationen von Linken und Grünen für Empörung gesorgt. "So notwendig Kontaktbeschränkungen, so widersprüchlich und inakzeptabel sind die heute beschlossenen Regelungen zu den Weihnachtstagen", kritisierten die Bundessprecher*innen von Die Linke.queer, Luca Renner und Frank Laubenburg, in einer Pressemitteilung.
Nach dem Beschluss der Regierungschef*innen dürfen sich ab Mittwoch bis mindestens 10. Januar 2021 maximal fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt. Lediglich für die Weihnachtsfeiertage wird diese Regelung – abhängig vom jeweiligen regionalen Infektionsgeschehen – gelockert. Dann dürfen vom 24. bis 26. Dezember maximal vier weitere Personen aus dem "engsten Familienkreis" dazukommen. Damit gemeint sind Ehegatten, Lebenspartner*innen, nichteheliche Gemeinschaften, Geschwister, deren Kinder plus Haushaltsangehörige und "Verwandte in gerader Linie".
Die Linke.queer appelliert an die Landesregierungen
"Drei befreundete Singles dürfen sich demzufolge an Weihnachten nicht treffen, fünf miteinander verwandte Personen hingegen schon", kritisierte Die Linke.queer. "Mit epidemiologischen Erkenntnissen hat das nichts zu tun, mit einem völlig antiquierten Familien- und Gesellschaftsbild der Regierungschef*innen hingegen alles."
Die queeren Sozialist*innen erwarten von den einzelnen Landesregierungen, "dass sie in ihren Verordnungen auf jede Diskriminierung und Diskreditierung von Lebensweisen verzichtet". Zusammenkünfte in privaten Räumen müssten für einen kleinen Kreis von Menschen auch dann möglich sein, wenn sie nicht miteinander verwandt sind. "Für Millionen von Menschen in der Bundesrepublik sind Wahlverwandtschaften und die Beziehung zu Freund*innen ihr engster Kreis, nicht Familienangehörige. Ein Rückfall in die muffigen 1950er Jahre stellt keinen Schutz vor Sars-CoV-2 dar."
QueerGrün:" Ungleichbehandlung von 'Beziehungen zweiter Klasse'"
Der Bund-Länder-Beschluss gehe "an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei", kritisierte auch QueerGrün in einer Pressemitteilung. "Es darf kein Unterschied zwischen sozialer, rechtlicher oder biologischer Herkunft gemacht werden." Menschen, die sich längst verantwortungsvoll verhielten, würden wichtige Kontakte genommen, so die QueerGrün- Bundessprecher*innen. "Gleichzeitig bleibt es möglich, am 24. Dezember mit dem vollen Zug von Berlin nach Passau oder von Hamburg nach Konstanz zu fahren, um dort den 'engsten Familienkreis' zu besuchen."
Natürlich hätten auch viele queere Menschen eigene Kinder oder stünden in sehr gutem Austausch mit ihrer Herkunftsfamilie. "Aber eben nicht alle – und auch viele nicht-queere Menschen leben längst in anderen Familien- und Sorgegemeinschaften, als Kanzlerin und Ministerpräsident*innen dies offenbar erwarten", erklärte QueerGrün. "Wir appellieren darum an alle Entscheidungsträger*innen, diese Ungleichbehandlung von 'Beziehungen zweiter Klasse' zu korrigieren und allen Menschen erholsame und sichere Feiertage im kleinen Kreis ihrer Lieben zu ermöglichen."
Berlin hat bereits reagiert
Auf Facebook kündigte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) an, dass "queerer & Singlerealität" zu Weihnachten "Rechnung getragen" werde. So dürfen sich in der rot-rot-grünen Hauptstadt vom 24. bis 26. Dezember fünf Menschen aus bis zu fünf Haushalten begegnen, auch wenn sie nicht miteinander verwandt sind, bestätigte der Regierende Bürgerneister Michael Müller (SPD).
"Andere Bundesländer: Bitte nachmachen!", forderte der grüne Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann auf Twitter.
Update 15.12.20: Kritik auch vom LSVD
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland schloss sich am Montagabend der Kritik von QueerGrün und Die Linke.queer an. Die für Weihnachten geplanten Ausnahmeregelungen bei den Kontakteinschränkungen nur für den engsten Familienkreis und Verwandte in gerader Linie ignorierten "sowohl das massive Vorkommen von häuslicher Gewalt als auch die mitunter gravierenden Diskriminierungserfahrungen", die LGBTI n in ihren Herkunftsfamilien machen müssten", kritisierte Bundessprecher Alfonso Pantisano in einer Pressemitteilung. Freundschaften als Wahl- und Ersatzfamilie seien für queere Menschen "essenziell und überlebenswichtig. Ihnen soll jetzt ein gemeinsames Weihnachten verboten werden".
Der LSVD erkenne die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen prinzipiell an, plädiere aber gleichzeitig dafür, dass sich alle Landesregierungen an der Formulierung von Berlin orientieren, so Pantisano. "Diese Regelung trägt den Stellenwert von Freundschaften als Wahl- und Ersatzfamilie Rechnung, spiegelt die Lebensrealität sehr vieler Menschen in unserem Land und ermöglicht ein Weihnachten im Kreise der Lieben für alle."
Anstatt den Begriff Familie und enge Verwandte zu wählen, hätte man von soundsoviel Hausständen plus x weitere Personen sprechen sollen.
Im Endeffekt ist das nur eine Orientierung, wie man sich verhalten soll und wieviele Personen insgesamt es maximal sein sollten. Natürlich macht es Sinn, dass dieser Personenkreis nicht ständig wechselt um Infektionsketten zu vermeiden.
Es wird im privaten Bereich eh nicht kontrolliert, wenn man nicht gerade die Mega- Coronaparty feiert.
Jene die Kinder haben, sind auch feiner raus, denn Kinder unter 14 zählen nicht.
Aber es bringt doch nichts, das gegeneinander aufzuwiegen.
Wir können nur hoffen dass das Sch... Virus bald an Gefährlichkeit verliert und die Intensivstationen keinen Aufnahmestop einlegen müssen.
Mit Beginn der Impfungen und wärmeren Temperaturen im Frühling, kann man hoffentlich einer dritten Welle entkommen.