Ägypten im Jahr 2009, der arabische Frühling steht kurz bevor. Ein junger schwuler Mann aus Kairo mailt dem Autor und Journalisten Mostafa Fathi seinen Lebensbericht. Der junge Essâm lebt in einer Gesellschaft, die Homosexualität ablehnt und verdammt.
Zum ersten Mal in Ägypten ergreift ein Schwuler selbst das Wort und spricht von seinen Träumen und Idealen, von seinen Ängsten und seiner seelischen Zerrissenheit. Als Leser begegnet man einem jungen Mann, der sich wie alle anderen nach Glück und Liebe sehnt, mit der einzigen Besonderheit, dass sich sein Verlangen auf Personen des gleichen Geschlechtes richtet. Ihm gelingt es jedoch kaum, eine glückliche Beziehung zu einem Partner aufzubauen: zu groß sind seine inneren Widerstände, seine Furcht vor Sünde und vor Allah. Seine Homosexualität offen zeigen darf er nicht, weder in seinem Elternhaus noch im Kreis der Mitstudenten.
Selbsthass und Wunsch nach Coming-out
Essâm muss mit zwei Gesichtern leben und riskiert, an dieser Zerrissenheit zu zerbrechen. Er leidet an Gewissensbissen und denkt an Selbstmord. Als gläubiger Muslim ist er hin- und hergerissen zwischen spiritueller Suche und einem "sündigen" Tun, das angeblich zur Verdammnis führt. Er sehnt sich danach, offen zu seinem Schwulsein zu stehen und die Gesellschaft dazu zu bringen, ihn zu akzeptieren. Ein Albtraum zeigt, dass das Coming-out scheitern muss. Seinen schwulen Freunden, die ihre Homosexualität viel mutiger als Essâm ausleben, geht es nicht besser: der eine wird in einen Hinterhalt gelockt, ausgeraubt und zusammengeschlagen, der andere auf der Polizeistation gefoltert und vergewaltigt.
Mostafa Fathi stellt das Thema Homosexualität in seinem Buch "Ich bin Ägypter und ich bin schwul" (Amazon-Affiliate-Link ) in einen größeren Zusammenhang. Nicht nur Schwule werden verfolgt, sondern auch Oppositionelle und Anhänger anderer Religionen, im schlimmsten Fall jeder, der eine abweichende Meinung vertritt. Der Andere wird abgelehnt und ausgegrenzt.
Für eine Kultur der Akzeptanz im Islam
Mostafa Fathis Buch "Ich bin Ägypter und ich bin schwul" erscheint am 17. Dezember 2020 im Schweizer Kubri Verlag
Anliegen des Buches ist es, für eine Kultur der Akzeptanz in einer muslimisch geprägten Gesellschaft zu kämpfen. Homosexualität ist nicht nur im öffentlichen Diskurs und im alltäglichen Leben und Reden ein Tabu, sondern wird auch in der ägyptischen Literatur fast immer als verwerfliches Phänomen behandelt. Erst seit wenigen Jahren gibt es Homosexuelle, die sich zu ihrer Identität bekennen und begonnen haben, für ihre Rechte zu kämpfen. Der Mut des jungen Journalisten Mostafa Fathi ist unter diesen Umständen bewundernswert.
Im Jahre 2009 veröffentlichte Fathi den Bericht "Im Land der Knaben", der schon lange vor seiner Publikation für Aufregung in den Medien und in konservativen und islamistischen Kreisen sorgte. Auf Facebook wurde eine Kampagne gegen den Autor inszeniert, den man beschuldigte, das Image der ägyptischen Gesellschaft zu besudeln. Journalistenfreunde sagten sich los von ihm, und seine eigene Mutter meinte, die Regierung müsse solche Schwulen öffentlich hinrichten. Als das Buch überraschenderweise die Zensur passierte, weigerten sich mehrere Buchhandlungen, es ins Sortiment aufzunehmen, oder verkauften es fast heimlich unter dem Ladentisch. Trotzdem wurde es in dieser Zeit des Aufbruchs und der Rebellion zu einem beachtlichen Erfolg.
Im Interview, in der Mitte des Buches, erklärt der Autor, was sich seit der Revolution von 2011 für die LGBTI-Community geändert hat und was nicht. Der anschließende Essay "Tabuthema Homosexualität – Literatur und Leben" stellt diesen Lebensbericht in einen gesellschaftlichen und literarischen Zusammenhang. (cw/pm)
Infos zum Buch
Mostafa Fathi: Ich bin Ägypter und ich bin schwul. Ein Lebensbericht. Mit Interview, Essay und llustrationen von Daniel Reichenbach. 160 Seiten, Softcover. Kubri Verlag. Zürich 2020. 22 €. ISBN 978-3-9522953-0-4
Auch hier kommt ein Teil des katholischen Priesternachwuchses aus extrem frommen Haushalte, wo schwule Söhne hoffen wenn sie Pfarrer werden genug Pluspunkte sammeln zu können um nicht in die Hölle zu kommen.
Der Ausweg entfällt im Islam - entweder man wird hetero (....) oder kommt in die Hölle.
Das ist die Mainstream-Interpretation. Letztendlich gilt in jeder Religion die Interpretation - Papier ist geduldig.
Im Islam wird von den Immamen her extrem viel mit Höllenangst gearbeitet, so wie bei den Katholiken vor 200 Jahren. Das ist schließlich die einfachste Möglichkeit, die Schäfchen unter Kontrolle zu halten.
Ich hatte mal einen Kollegen aus dem Jemen, mit dem habe ich viel darüber gesprochen.
Er hatte auch diese Gehirnwäsche erlebt und war tief gläubig - konnte aber auf einem abstrakten Niveau manchmal das ganze auch analysieren. Er wußte das ich schwul war.