Merkel am Mittwoch im Bundestag
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch im Bundestag die jahrzehntelange Diskriminierung von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik kritisiert. Einen Anlass für eine Grundgesetzänderung zum ausdrücklichen Verbot von Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung sehe sie derzeit aber nicht, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag.
"Ich glaube in der Tat, dass der Umgang mit Lesben und Schwulen über viele, viele Jahre dem Artikel 1 des Grundgesetzes zum Schutz der Würde jedes einzelnen Menschen nicht entsprochen hat", sagte Merkel zu einer Frage von Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Ausdrücklich begrüßte die Kanzlerin den Gesetzentwurf von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Rehabilitierung und Entschädigung von Soldatinnen und Soldaten, "die im Zusammenhang des Schwulseins diskriminiert wurden", wie Merkel es ausdrückte.
In aktuellen Debatten um Änderungen des Artikels 3 des Grundesetzes habe man sich als Koalition konzentriert "auf die Frage des Rassismus", die von Notz aufgeworfene Frage habe "keine zentrale Bedeutung eingenommen". Sie verstehe das Anliegen, so die Kanzlerin, die darauf verwies, dass der Artikel 1 "eigentlich die Dinge auch schon ordentlich abdeckt".
Ihre Regierung arbeite "im Augenblick" nicht daran, einen Diskriminierungsschutz für Lesben und Schwule im Grundgesetz zu verankern. "Aber ich glaube, dass die Diskussion darüber nicht vorbei sein wird", fügte sie hinzu. Das Grundgesetz sei ein "lebendes Projekt". Aber "konkrete Arbeiten" seitens der Bundesregierung gebe es daran nicht, sie wolle "keine falschen Hoffnungen wecken".
Kritik der Grünen
Konkret liegt dabei bereits ein Gesetzentwurf von Grünen, Linken und FDP vor, das Merkmal "sexuelle Identität" in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes aufzunehmen – entsprechendes wird seit Jahren von der Opposition, von LGBTI-Verbänden und inzwischen auch vielen Bundesländern gefordert. Bei der ersten Lesung im November 2019 signalisierten auch die Regierungsfraktionen Verhandlungsbereitschaft (queer.de berichtete), im Rechtsausschuss plädierten im Februar auch Expert*innen für eine Änderung (queer.de berichtete). Ende November hatte der Bundestag zudem in erster Lesung Gesetzentwürfe von Grünen und Linken beraten, das Merkmal "Rasse" durch einen geeigneteren Begriff zu ersetzen (queer.de berichtete). Die Grünen hatten dabei darauf verwiesen, dass das Vorhaben zusammen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur sexuellen Identität umsetzbar wäre.
"Der Schutz von Lesben, Schwulen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen gehört längst in den speziellen Gleichbehandlungskatalog des Grundgesetzes", kommentierten von Notz und Ulle Schauws, Sprecherin für Queerpolitik der Grünen, am Mittwoch die Aussagen der Kanzlerin. "Das ist die letzte von Nationalsozialisten verfolgte Gruppe, die immer noch dort nicht benannt wird. Bereits seit vier Jahrzehnten wird diese Forderung erhoben."
Die Aussage der Kanzlerin, dass im Rahmen der aktuellen Überarbeitung des Artikels zur Streichung des Begriffes 'Rasse' die Ergänzung um das Merkmal 'sexuelle Identität' nicht vorgesehen ist, sei daher "enttäuschend", so die Grünen. "Aber dass die SPD, die dies im Wahlprogramm sowie bei allen CSDs laut fordert, nicht darauf besteht, ist beschämend. Wir Grüne werden darauf weiterhin pochen, dass endlich auch Lesben, Schwule, trans- und intergeschlechtliche Menschen einen würdigen Platz im Grundgesetz finden werden." (afp/nb/pm)