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Bundestagsdebatte zu Inter-Gesetzentwurf

"Wir sind als Mann und Frau geschaffen, das kann man sich nicht raussuchen"

Bei der ersten Debatte zum Verbot von Geschlechts-OPs an Kindern waren sich die demokratischen Fraktionen weitgehend einig. Irritationen löste ein CDU-Politiker aus, der Transsexualität grundsätzlich in Frage stellte.


Im Reichstagsgebäude war wieder einmal Intergeschlechtlichkeit das Thema (Bild: Jon Worth / flickr)

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagnachmittag in erster Lesung den von der Großen Koalition eingebrachten Gesetzentwurf "zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" (PDF) beraten. Der im September vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf sieht vor, intersexuelle Kinder vor unnötigen oder verfrühten Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen zu schützen. Deswegen soll der neue Paragraf 1631e ins Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt werden, der Eltern von Kindern mit "uneindeutigen" Genitalien verbietet, in Behandlungen einzuwilligen, die allein in der Absicht erfolgen, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder des weiblichen Geschlechts anzugleichen.

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Zeitgleich wurde ein grüner Antrag beraten, einen "Entschädigungsfonds für trans- und intergeschlechtliche Menschen" einzuführen (PDF). Damit sollen jene Menschen entschädigt werden, deren körperliche Unversehrtheit verletzt wurde. Für die Anträge nahm sich das Plenum eine halbe Stunde Zeit.

Der Entwurf der Regierung wurde von LGBTI-Organisationen als bei weitem nicht ausreichend bezeichnet. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) befürchtet etwa, dass das Gesetz die Lage sogar verschlechtern könne – immerhin liefere es ein Schlupfloch, weil es sich nur auf "Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung" beziehe. Der Verband befüchtete, "dass das Verbot damit ausgehöhlt werden könnte, dass Ärzt*innen und Eltern behaupten, es läge überhaupt keine Variante der Geschlechtsentwicklung vor" (queer.de berichtete). "Der Gesetzentwurf muss jedoch nachgebessert werden, da sonst zu befürchten ist, dass Mediziner*innen und Eltern versuchen werden, das Verbot zu umgehen", forderte am Freitag auch LSVD-Bundesvorstandsmitglied Axel Hochrein. Mehrere Verbände intersexueller Menschen haben eine ausführliche Stellungnahme (PDF) vorgelegt, in der sie diverse Ergänzungen und Verbesserungen fordern.

Als erster Redner stellte Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) die Notwendigkeit des Gesetzes dar. "Diese Eingriffe mögen in bester Absicht erfolgen, doch sie sind falsch", erklärte der Abgeordnete aus Baden-Württemberg. Sie widersprächen der sexuellen Selbstbestimmung und seien nicht reversibel. Deshalb sei ein "differenziertes Schutzkonzept" notwendig.


(Bild: Parlamentsfernsehen)

Robby Schlund von der AfD erkannte als nächster Redner immerhin an, dass es Intersexualität gibt – das ist in der zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus schwankenden Partei keinesfalls Konsens. Den Gesetzentwurf kritiserte er vage, ohne auf Details einzugehen: "Kinder und Jugendliche sollen möglichst normal aufwachsen", forderte der Mediziner aus Gera. "Offensichtlichen Fehlbildungen" sollten sie aber nicht haben.


(Bild: Parlamentsfernsehen)

Anschließend beschrieb der CDU-Politiker Paul Lehrieder einfühlsam, wie schwierig es für Eltern in einer Gesellschaft, die praktisch nur Frau und Mann kennt, ist, ein inter Kind zu kriegen. Jens Brandenburg (FDP) ergänzte: "Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit und keine Störung. Menschen sind vielfältig." Doris Achelwilm von der Linken nannte die OPs an Kindern einen Eingriff in die Grundrechte. "Schluss damit!", forderte die Sprachwissenschaftlerin. Der Grüne Sven Lehmann ergänzte, alle Kinder müssten "rechtsicher" geschützt werden, und kritisierte "Schutzlücken" im Entwurf der Großen Koalition. Der Sozialdemokrat Karl-Heinz Brunner erklärte, nach den öffentlichen Anhörungen bestehe die Möglichkeit, "das hervorragende Gesetz noch zu verbessern".

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Mit einer provozierenden Rede, die eher an einen AfD-Politiker erinnerte, sorgte Alexander Krauß (CDU) am Ende noch einmal für Aufregung. Er behauptete, dass das Gesetz praktisch niemanden betreffen würden – 2019 seien etwa nur elf Neugeborene als divers eingetragen worden, was 0,003 Prozent aller Geburten entspreche. Er berücksichtigte dabei freilich nicht, dass es laut Studien mehr als 2.000 geschlechtsangleichende Operationen an Kleinkindern gibt – und viele Eltern dann einfach die "männlich" oder "weiblich"-Box wählten.


(Bild: Parlamentsfernsehen)

Beim grünen Antrag holte Krauß dann zum großen Schlag aus. Wörtlich sagte der Sachse: "Der Grundgedanke, die Grundphilosophie ist nicht meine. Das will ich ganz deutlich sagen. Ich halt' persönlich nichts davon, dass man sich raussuchen kann, ob man Mann, Frau oder etwas anderes sein möchte." Wenn die Grünen vorschlagen würden, dass ein 14-Jähriger "selbst entscheiden soll, ob er Junge oder Mädchen ist", dann sei dies ein "absurder Vorschlag". Dann erklärte er allgemein: "Wir sind als Mann und Frau geschaffen, das kann man sich nicht raussuchen. Das ist vorgegeben. Und ich finde übrigens auch, dass das gut so ist." Krauß gilt als notorischer LGBTI-Gegner, der bereits in der Vergangenheit Intersexualität geleugnet hat (queer.de berichtete).

Der schwarz-rote Gesetzentwurf und der grüne Antrag werden nun in den Ausschüssen beraten.

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#1 PeerAnonym
  • 17.12.2020, 19:33h
  • Trans- und Intersexuelle suchen sich nicht raus, Trans oder Inter zu sein. Sie sind es einfach.

    Aber manche Leute haben es halt nicht so mit wissenschaftlichen Fakten.
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#2 AtreusEhemaliges Profil
  • 17.12.2020, 19:38h
  • Bevor jetzt die gewohnte Kampagne wieder volle Fahrt aufnimmt: Wer glaubt denn ernsthaft, dass es diesen Gesetzentwurf gäbe, wenn CDU/CSU allein regieren würden? Davon abgesehen finde ich es als Deutscher unglaublich beschämend, dass erst Ende 2020 eine Bemühung staatlicherseits erkennbar wird, die Misshandlung von Intermenschen abzuschaffen. Das zeigt auf erschreckende Weise, wie unterentwickelt die deutsche Menschenrechtssprechung für Individuen ausfällt, die nicht das Privileg genießen, in gesellschaftliche Mehrheiten geboren zu werden.
  • Direktlink »
#3 Jadughar
  • 17.12.2020, 19:51hHamburg
  • Manche Menschen wie Alexander Kraus haben offenbar im Biologieunterricht sehr tief geschlafen oder sind blind, was die Natur betrifft. Solche Leute sollten die Klappe halten, wenn es um natürliche Fakten geht, wovon sie keine Ahnung haben. Die Natur schafft mehr Varianten, als was manche Kleingeistige sich vorstellen können.
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