Die Länderkammer saß nach einem Kräftemessen mit dem Bund am längeren Hebel
Keine 24 Stunden nach dem Bundestag hat auch die Länderkammer einem überarbeiteten Adoptionshilfegesetz seinen Segen gegeben. Am Donnerstagvormittag stimmte nach Aussage von Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) eine Mehrheit der Länder einem Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss (PDF) zu, mit dem eine Verschlechterung der Lage lesbischer Paare mit Kind verhindert wurde. Nun muss das Gesetz noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet werden und kann zum 1. April 2021 in Kraft treten.
LGBTI-Aktivist*innen hatten das zustimmungspflichtige Gesetz, das eigentlich das deutsche Adoptionsrecht modernisieren soll, lange bekämpft, weil der Entwurf der Bundesregierung auch eine zusätzliche Diskriminierung für Regenbogenfamilien vorgesehen hätte. Demnach hätten sich lesbische Paare, die ein Kind bekommen, zwangsweise beraten lassen müssen, damit die Co-Mutter das Kind adoptieren darf (die sogenannte Stiefkindadoption). Diesen Weg müssen werdende Väter in heterosexuellen Ehen nie gehen, denn sie werden automatisch als Kindsvater anerkannt, egal, ob sie auch der biologische Vater sind oder nicht.
Union und SPD boxten das Gesetz trotz Kritik im Mai im Bundestag durch (queer.de berichtete). Der Bundesrat, in dem Union und SPD keine Mehrheit haben, verweigerte dem Entwurf jedoch fünf Wochen später die Zustimmung wegen dieser zusätzlichen Diskriminierung von Regenbogenfamilien (queer.de berichtete).
Weitere fünf Monate später, am 10. Dezember, einigte sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schließlich, lesbische Ehepaare von der Beratungspflicht auszunehmen. Am Donnerstag winkte schließlich der Bundestag den korrigierten Entwurf mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen durch (queer.de berichtete).
Ursprüngliche Fassung hätte Ungleichbehandlung "vertieft"
Im Bundesrat gab es vor der Abstimmung zwei Redner aus der Berliner Regierung zu diesem Thema: Als erster stellte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) den Werdegang des Entwurfs nüchtern vor – und stellte fest: "Zusätzlich noch eine Beratungspflicht einzuführen, hätte die Ungleichbehandlung von gemischt- und gleichgeschlechtlichen Ehen vertieft." Das Gesetz sehe zwar nicht vor, bestehende Ungleichbehandlungen im Abstammungsrecht zu beenden – eine automatische Mutterschaftsanerkennung analog zur Vaterschaft im BGB fehlt weiter. Dies hatte eine Expertenkommission des SPD-geführten Justizministeriums bereits vor drei Jahren gefordert (queer.de berichtete). Eine Vertiefung der Ungleichbehandlung hätte aber verhindert werden können.
Danach hielt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) eine politischere Rede. Der Bundesrat habe mit seinem Nein im Juli als "queerpolitisches Korrektiv" gehandelt. "Gemeinsam mit den anderen Ländern konnten wir einen queer- und frauenpolitischen Rückschlag verhindern. Die Steine, die die Bundesregierung den lesbischen Paaren in den Weg gelegt hat, konnten wir beiseite schaffen", so Behrendt. Er freue sich darüber, dass die Bundesregierung hier auf die Länder zugegangen sei. "Eine Frage bleibt jedoch offen: Warum nicht gleich so? Dieses Ergebnis hätten wir schon deutlich früher haben können." Es habe offensichtlich innerhalb der Bundesregierung "noch erheblichen Klärungsbedarf" gegeben, weshalb die Korrektur so lange gedauert habe. Jetzt müsse darüber geredet werden, Diskriminierungen im Abstammungsrecht abzubauen. (dk)
Dirk Behrendt ist seit 2016 Chef der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung