Mit einer Schweigeminute und einem Sitzstreik haben am Freitag rund 100 Schüler*innen der Fenelon-Schule im nordfranzösischen Lille an ihre Klassenkameradin Avril erinnert. Die 17-Jährige hatte sich am Dienstag das Leben genommen – nur kurz nach ihrem Coming-out als trans.
Nach Angaben von Mitschüler*innen wurde Avril von Lehrer*innen nicht nur misgendert, sondern auch gedemütigt. Weil sie einen Rock trug, sei sie vor die Schulleitung zitiert worden. In einem Handyvideo, das Avril selbst ins Internet stellte, ist zu hören, wie sie mit einer Lehrerin diskutiert, die ihr erregt vorwirft, als trans Mädchen Mitschüler*innen zu verschrecken. Avril bricht dabei Tränen aus. Auch in der offiziellen Mitteilung der Schule zu ihrem Tod wurde die 17-Jährige noch misgendert.
Avril wurde auch wegen ihrer Herkunft gemobbt
Avrils Freundin Annabelle erklärte gegenüber "Associated Press", Avril sei nicht nur als trans Mädchen, sondern seit langem auch wegen ihrer Herkunft aus Nordafrika diskriminiert worden. Ihre Not sei durch das Verhalten der Schule allerdings verstärkt worden. "Wir sind hier, um eine Botschaft der Toleranz zu senden", sagte Annabelle. Und um ihr zu sagen, "dass wir für sie hier sind".
Der Suizid schlug in Frankreich hohe Wellen, viele Menschen zeigten mit einem eigenen Hashtag in sozialen Medien ihre Anteilnahme und ihre Wut. Auf Plakaten in der Stadt wurde die Schule für den Suizid verantwortlich gemacht. Am Samstagabend versammelten sich in Lille erneut rund 150 Personen zu einer Gedenkkundgebung.
Ministerin: "Wir müssen Transphobie unbedingt und überall bekämpfen"
Auch die Politik reagierte: "Ich habe mit tiefem Gefühl und großer Trauer vom Tod einer trans Schülerin in Lille erfahen", schrieb Bürgermeisterin Martine Aubry auf Twitter. "Alle meine Gedanken sind bei ihren Lieben und ihren Mitschülern."
Gleichstellungsministerin Elisabeth Moreno wies auf Twitter darauf hin, dass laut Studien die Selbstmordraten bei trans Menschen siebenmal höher seien als bei cis Personen. "Wir müssen Transphobie unbedingt und überall bekämpfen", fügte sie hinzu.
Auch Frankreichs Bildungsminister Jean-Michel Blanquer meldete sich in dem Kurznachrichtendienst zu Wort: Der Tod Avrils "fordert unsere Gesellschaft heraus, wirklich alles zu tun, um sicherzustellen, dass die Rechte aller respektiert werden." (cw)
In einer früheren Version dieses Artikels haben wir leider – wie zunächst fast alle Medien und auch queere Aktivist*innen – Avrils Deadname verwendet. Ihr neu gewählter Name war uns beim Erstellen nicht bekannt. Wir bitten um Entschuldigung.
Hilfsangebote bei SuizidgedankenEine generelle Notfall-Seelsorge für Menschen mit Suizidgedanken ist unter der kostenlosen Nummer 0800 111 0 111 zu erreichen (für Kinder und Jugendliche gibt es auch die kostenlose "Nummer gegen Kummer" unter 116 111).
Für Kinder und Jugendliche, die in Deutschland Schwierigkeiten rund um ihr Coming-out haben, gibt es zahlreiche LGBTI-Jugendgruppen und -zentren, die ebenso Beratung bieten wie Kontaktmöglichkeiten zu Gleichgesinnten. Auch mehrere Webseiten, etwa
dbna (Du bist nicht allein) oder die des bundesweiten
Jugendnetzwerks Lambda, richten sich gezielt an junge Schwule und Lesben.