Latzel bei einer früheren Predigt
Nach der erstinstanzlichen Verurteilung wegen Volksverhetzung und der vorläufigen Amtsenthebung durch die Bremische Evangelische Kirche (BEK) spricht die Gemeinde des Pastors Olaf Latzel von einem "gezielten Angriff auf unsere Gemeinde und unseren Pastor, der nichts anderes bezweckt, als St. Martini zu zerstören."
Latzel dürfe nicht nur nicht predigen, sondern auch keine Konfirmanden unterrichten, Beerdigungen durchführen oder Sterbende begleiten, beklagt die Gemeinde. Gegen "diese gegenüber unseren Gemeindegliedern unbarmherzige und rücksichtslose Haltung des Kirchenausschusses" wolle man am Montag Beschwerde einreichen und rechtlich vorgehen, so der Vorstand der Gemeinde in einer am Sonntag im Gottesdienst verlesenen Stellungnahme (Video), die sich aber vor allem gegen die Dienstenthebungsgründe richtet und in diesem Zusammenhang den Pastor bezogen auf seine Haltung zur Homosexualität trotzig verteidigt.
So frage man den Kirchenausschuss: "Hat die biblisch begründete Ablehnung von gelebter Homosexualität – nicht die Ablehnungen von homosexuell empfindenden Menschen – einen Platz im Glaubensleben der Bremischen Evangelischen Kirche oder nicht?" Die Landeskirche stelle das intern als selbstverständlich dar, erwecke aber öffentlich den Eindruck, es gäbe es für diese Position keinen Platz, beklagt der Gemeindevorstand.
Die Ablehnung der Homosexualität werde "von der überwiegenden Mehrheit aller christlichen Kirchen weltweit uneingeschränkt geteilt", so die Gemeinde, die auch mehrere Aussagen der Kirchenleitung kritisiert. So werden ein Grußwort zum Bremer CSD und eine Video-Stellungnahme zur Causa Latzel der Präsidentin des Kirchenausschusses, Edda Bosse, als "Ideologie" und "Ausführungen zur Abkehr vom traditionellen biblischen Familienbild von Vater, Mutter, Kind" angegriffen. Bosse hatte Schwulen und Lesben Solidarität zugesprochen und Latzel vorgeworfen, Hass zu erzeugen. "Wer fügt der Kirche Schaden zu: Der, der bibeltreu predigt, oder diejenigen, die sich eindeutig von biblischen Grundlagen distanzieren?", fragt nun die St.-Martini-Gemeinde.
Gemeinde beklagt "politische Agenda" der BEK
Latzel hatte in einem später auf Youtube verbreiteten Eheseminar Homosexualität als eine "Degenerationsform der Gesellschaft" und CSD-Besucher*innen als "Verbrecher" bezeichnet und gemeint: "Der ganze Gender-Dreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung" (queer.de berichtete). Das Amtsgericht verurteilte ihn deswegen zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro. Latzel hat dagegen ebenso Berufung angekündigt wie gegen die vorläufige Amtsenthebung – ein reguläres Disziplinarverfahren der BEK ruht während des strafrechtlichen Verfahrens.
Die St.-Martini-Gemeinde ist eine von 61 Kirchengemeinden der BEK und eine von rund zwei dutzend evangelikalen. Sie behauptet in der Stellungnahme vom Sonntag, dass sich die Kirche von "externen Lobbygruppen leiten" lasse und es ihr "nur vordergründig um das noch nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichtes" gehe. Vielmehr werde "versucht, einen unliebsamen Theologen zu bekämpfen, dessen Arbeit zwar zehntausendfachen Zuspruch findet, aber dessen protestantische, biblische Positionen dem Kirchenausschuss nicht in die politische Agenda zu passen scheinen."
Bauherr Dr. Jürgen Fischer am Sonntag bei der Verlesung der Stellungnahme des Vorstands. Quelle: Screenshot Youtube-Kanal der Gemeinde
Die Gemeinde bittet Mitglieder und Unterstützter um Gebete und "friedliche" E-Mails, Telefonate und Briefe an die Landeskirche – Medien, darunter queer.de, und soziale Netzwerke erhielten in den letzten Monaten vergleichsweise viele Kommentare von Anhängern des Pastors, in denen etwa beklagt wurde, dass dieser nur die biblische Wahrheit zur Homosexualität verkünde. Wenn es die Corona-Lage zulasse, wolle die Gemeinde zudem im Januar einen Sonderkonvent zur Klärung weiterer Schritte einberufen, etwa "dem Ruhenlassen von Rechten und Pflichten" gegenüber der Landeskirche oder einer "Trennung aus dem Gemeindeverbund". Zunächst bittet der Vorstand aber die Gläubigen, noch "als Mitglieder der Kirche den Kampf für die Wahrheit aufzunehmen": "Wir als bibeltreue Christen dürfen uns nicht einfach aus der Kirche wegmobben und wegklagen lassen, auch wenn es momentan so scheint, als würden hier in Bremen so ziemlich alle gegen uns stehen."
Die Gemeinde hatte Latzel bereits im Mai in einer Stellungnahme verteidigt (queer.de berichtete). Die "Ablehnung gelebter Homosexualität" werde im Alten wie im Neuen Testament "mit einer Eindeutigkeit vorgetragen, die eigentlich jede Diskussion darüber überflüssig erscheinen lässt". Wer diese Sexualität auslebe, sei nach der Bibel ein "Sünder", für den es keine "billige Gnade" geben dürfe: "Er bleibt unter dem Gericht Gottes und damit verloren für Zeit und Ewigkeit." Das habe aber "nichts mit Herabwürdigung von homosexuell empfindenden Menschen oder gar Hetze gegen sie zu tun". (nb)
Aber Verurteilungen wegen Volksverhetzung haben natürlich dennoch Bestand, denn auch abgespaltene Kirchen stehen nicht über dem Gesetz.