Man könnte meinen, die Jungs fahren mit dem Zug auf Klassenfahrt. Es wird gefeiert, gesoffen, gekotzt. Sie lassen die Sau raus. Das Ziel der ungewissen Fahrt: keine Jugendherberge, sondern ihr Militärdienst, den 1981 alle weißen jungen Männer ab 16 in Südafrika ableisten müssen. Was dort auf sie wartet, ist mit dem Wort Drill gar nicht ausreichend beschrieben. Demütigung bis zur körperlichen Erschöpfung, wahllose Erniedrigung, entmenschlichender militärischer Ton.
"Ihr seid wie Krätze: blutig, voller Eiter und zu nichts zu gebrauchen", brüllt der Sergeant, während die Jungs Liegestütze machen. Das alles ist eingebettet in die rassistische und homophobe Apartheids-Ideologie, die zwei großen Gegner hat: die "schwarze Gefahr" und den Kommunismus.
Im Wort Moffie steckt der blanke homophobe Hass
Poster zum Film: läuft "Moffie" läuft ab 7. Januar 2021 in der queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos
Unter den Wehrdienstleistenden ist auch Nicholas Van der Swart (Kai Luke Brummer). Der Name klingt niederländisch, Nick hat jedoch britische Wurzeln, was ihm von Anfang an zum Außenseiter und zur Zielscheibe der Buren macht. Dass Nick, blonde Haare, blaue Augen und kantige Gesichtszüge, schon früh spürt, dass er anders ist als andere Jungs, macht die Situation für ihn noch schwieriger.
Er kämpft für ein Land, für eine Ideologie, die ihn in die Psychiatrie stecken würde. So wie es schon mit zwei Kameraden geschehen ist, die davor noch von allen anderen verprügelt wurden. Moffies sind sie, schreien die Jungs im Chor, als ginge es um ihr Leben. Schwuchteln. Doch "Moffie", so erklärte Regisseur Oliver Hermanus, ist als Begriff noch aufgeladener. Das Wort sei näher am N-Wort, das verwendet wird, um blanken Hass zum Ausdruck zu bringen.
In diesem Milieu spielt das Drama "Moffie", das auf dem autobiografischen Roman "Moffie: A Novel" von André Carl van der Merwe basiert. Der südafrikanische Regisseur Oliver Hermanus, selbst schwul, schafft poetische, ergreifende Bilder, die oft für sich sprechen, und niemanden kalt lassen können. Der offen, ja sogar stolz ausgelebte Rassismus lässt einen erschaudern, die pure Gewalt in der Armee ist schmerzhaft.
Gefährliches Kuscheln im Schützengraben
Oliver Hermanus ist mit "Moffie" ein Film gelungen, der Liebesdrama und Antikriegsfilm gekonnt vermengt und der später sogar überraschend spannend wird. Das Drama erzählt so viel, ohne es auszusprechen, und ist dabei nie spekulativ, sondern eher subtil. Untermalt wird das von Braam du Toits grandioser Filmmusik aus selbstkomponierten Werken sowie Klassik von Schubert und Bach. Gerade der prägnante Kontrabass zu Beginn des Films, der zunehmend unruhiger, chaotischer, dissonanter wird, spiegelt Nicks Zerrissenheit und Angst spürbar wider.
Die Geschichte von Nick, der sich immer mehr in den Kameraden Dylan Stassen verguckt, ist aufwühlend. Als sich die beiden nachts im selbstaufgehobenen Schützengraben näherkommen, ist der Zwiespalt aus Angst und Anziehung mehr als deutlich, und der Moment der Geborgenheit doch so schön.
Diese Kontraste prägen das Drama, das andere zurecht als Meisterwerk bezeichnen, die ganze Zeit über. Die Bilder sind durch ihre Nähe und Unmittelbarkeit herausfordernd, sie gehen direkt unter die Haut. "Moffie" legt die Messlatte für den queeren Film des Jahres bereits jetzt sehr hoch. Der Film von Oliver Hermanus läuft ab 7. Januar 2021 in der queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos.
Infos zum FilmMoffie. Drama. Südafrika 2019. Regie: Oliver Hermanus. Darsteller*innen: Kai Luke Brummer, Ryan de Villiers, Matthew Vey. Stefan Vermaak. Hilton Pelser. Laufzeit: 103 Minuten. Sprache: Originalfassung in Englisch und Afrikaans mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Edition Salzgeber. Ab 7. Januar 2021 in der
queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos.