Von "Feel Good" und "Hollywood" bis "The Wilds" oder "Little America" – 2020 war ein vielfältiges und spannendes Jahr, was LGBTI-Repräsentation in Serien angeht. Und nach allem, was wir bislang wissen, wird 2021 dahinter nicht zurückstehen. Hier ein erster Ausblick auf das neue queere Serienjahr.
Soulmates
In der nicht allzu weit entfernten Zukunft hat eine Firma namens Soul Connex einen Test kreiert, mit dem jede*r herausfinden kann, wer sein Seelenverwandter oder seine Seelenverwandte ist. So geht es in dieser amerikanischen Serie, die ab 8. Februar bei Prime Video zu sehen sein wird, in sechs in sich abgeschlossenen Folgen um Menschen, die herausfinden wollen, wer ihre eigentliche große Liebe ist. Dass das nicht immer ohne Komplikationen vonstatten geht, versteht sich von selbst. Zwei der Episoden hat der deutsche Regisseur Marco Kreuzpaintner ("Sommersturm", "Beat") inszeniert, darunter eine, in der der schwule Mateo (Bill Skargård) auf dem Weg zum Treffen mit seinem Soulmate erst einmal mit einem anderen Mann abstürzt. Und der wird vom wunderbaren Nathan Stewart-Jarrett gespielt, der mit queeren Rollen mehr als genug Erfahrung hat, sei es auf der Bühne ("Angels in America" am Broadway), auf dem Bildschirm (in der Serie "Vier Hochzeiten und ein Todesfall") oder im Kino (demnächst in "Candyman").
We Are Who We Are
Im Rest der Welt hat die erste Serie von Luca Guadagnino ("Call Me By Your Name") schon für reichlich Aufsehen gesorgt, demnächst wird sie bei uns beim Streamingdienst Starzplay zu sehen sein. Der Italiener erzählt darin von einer amerikanischen Militärbasis in Venetien und den dort stationierten Familien. Was die geballte Queerness angeht, die mit wenig Plot, aber viel Feingefühl erzählt wird, reicht "We Are Who We Are" so schnell niemand das Wasser. Im Zentrum stehen die beiden Teenager Fraser (Jack Dylan Grazer) und Caitlin (Jordan Kristine Seamón), die jeweils mit dem Finden ihrer sexuellen und Gender-Identität beschäftigt sind, Chloë Sevigny und Alice Braga spielen ein lesbisches Mütterpaar und "Synonymes"-Star Tom Mercier zeigt sich mal wieder in seiner ganzen, gut bestückten nackten Pracht. Ach, und wer mit Adleraugen hinsieht, wird sogar winzige Gastauftritte von Guadagninos "Call Me By Your Name"-Stars Timothée Chalamet und Armie Hammer entdecken können.
Halston
2020 waren die Netflix-Produktionen von Ryan Murphy omnipräsent, von "The Politician" und "Hollywood" bis "The Boys in the Band" und "The Prom". Das neue Jahr geht für ihn ähnlich fleißig weiter. Mit besonderer Spannung warten wir auf die Miniserie "Halston", zu der die Dreharbeiten kurz vor Weihnachten abgeschlossen wurden. Ewan McGregor spielt den legendären, vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren erfolgreichen Modeschöpfer, der Dauergast im Studio 54 war, Liza Minnelli zu seinen engsten Freund*innen zählte und 1990 an Aids-bedingtem Krebs starb. Ebenfalls an der Produktion beteiligt war die lesbische Produzentin Christine Vachon, die sonst mit Todd Haynes zusammenarbeitet, hinter der Kamera stand unter anderem der schwule Regisseur Daniel Minahan ("Six Feet Under") und davon Rory Culkin als Joel Schumacher oder Gian Franco Rodriguez als Halstons langjähriger Lover Victor Hugo. Wer sich schon mal vorbereiten will: die sehenswerte Dokumentation "Halston" von Frédéric Tcheng ist bei Prime Video verfügbar.
It's a Sin
(Bild: BBC)
Russell T Davies, Großbritanniens vielleicht wichtigster schwuler Fernsehmacher, legt nach "Queer As Folk", "Cucumber" oder "Years & Years" (ab 14. Januar erstmals im Free-TV bei ZDF Neo zu sehen) eine neue Serie vor. Thema sind das Leben junger Schwuler im England der frühen Achtzigerjahre und das Aufziehen der Aids-Krise, und der erste Trailer sieht schon mal mehr als vielversprechend aus (queer.de berichtete). Eine der Hauptrollen spielt Years & Years-Sänger Olly Alexander, aber auch Neil Patrick Harris und Stephen Fry sind mit von der Partie. In Großbritannien und den USA startet die Serie schon demnächst, wann sie zu uns kommt, steht leider noch nicht fest.
Tuca & Bertie
Kenner dürfen Jauchzen vor Freude: Die Zeichentrickserie "Tuca & Bertie", die zu einer der wunderbarsten Überraschungen des Jahres 2019 gehörte, aber dann nach einer Staffel von Netflix abgesetzt wurde, kehrt zurück. In den USA kommen die lange erwartete neuen Folgen dieser wunderbar komischen und sehr besonderen Serie bei Adult Swim, dem Nachtprogramm des Cartoon Networks, und man kann nur hoffen, dass sie es auch zu uns schaffen. Vor allem im Original, denn in den Titelrollen der feministischen und durchaus queeren Geschichte um ein Tukanweibchen und eine Singdrossel werden wieder die Komikerinnen Tiffany Haddish und Ali Wong zu hören sein, und als lesbische Schwimmtrainerin auch hoffentlich erneut Jane Lynch.
Gossip Girl
Zugegeben, wahnsinnig viel wissen wir noch nicht über die Neuauflage der Teenie-Serie, die von 2007 bis 2012 in sechs Staffeln nicht nur mit einer sehr sexuell aufgeladenen Werbekampagne für Aussehen sorgte. Aber die Macher von damals sind auch dieses Mal wieder verantwortlich und haben bereits versprochen, in Sachen Diversität und Queerness deutlich mehr aufzufahren als damals (queer.de berichtete). Alles andere wäre für eine unter jungen Menschen im New York des Jahres 2021 angesiedelte Serie auch mehr als fragwürdig. Bis wir diesbezüglich mehr wissen, dauert es noch ein wenig: zumindest in den USA soll "Gossip Girl" noch in diesem Jahr zu sehen sein, aber die Dreharbeiten haben überhaupt erst im November begonnen.
Love, Victor
Noch im Februar wird Disney+ in Europa sein Angebot erweitern: Star wird der neue Streamingdienst heißen, für den man kein zusätzliches Abo braucht, weil er viel mehr als Unter-Plattform direkt bei Disney+ verfügbar sein wird. Zu sehen gibt es dort dann Filme und Serien aus dem Katalog der Firma, die bislang im auf Kinder und Familienfreundlichkeit ausgerichteten Hauptprogramm keinen Platz fanden. Gedacht ist das Ganze als eine Art internationaler Variante von Hulu, wo bislang in den USA all das landete, womit man bei Disney+ Berührungsängste hatte. So wie zum Beispiel die schwule Teenie-Serie "Love, Victor", der Serienableger der romantisch-queeren Kinokomödie "Love, Simon". Noch sind die Infos zum in Deutschland verfügbaren Angebot mehr als spärlich. Doch weil die Serie vergangenen Sommer in den USA bei Hulu anlief (eine zweite Staffel ist in Arbeit), haben wir zumindest Hoffnung, dass sie so endlich auch zu uns kommt.
All You Need
Mit "All You Need" versucht sich auch die ARD an einer schwulen Serie (Bild: ARD Das Erste / Andrea Hansen)
Sehr langsam, aber immerhin: Auch in Deutschland tut sich was in Sachen Queerness in Film und Fernsehen. Deswegen sind wir vorfreudig-neugierig auf die ARD-Produktion "All You Need", eine sechsteilige Dramedy-Serie über vier schwule Männer in Berlin. Verantwortlich ist der seinerseits schwule Autor und Regisseur Benjamin Gutsche ("Arthurs Gesetz"), der also immerhin weiß, worum es geht bei der "Suche nach Liebe und Geborgenheit in Zeiten von Grindr". Zu sehen sein wird die Serie allerdings nicht im terrestrischen Programm der ARD, sondern lediglich in der Mediathek, wo man das jüngere Publikum wittert (queer.de berichtete).
Ripley
Tom Ripley, der mutmaßlich schwule oder bisexuelle Betrüger und Mörder aus der Feder von Patricia Highsmith, gehört zu den spannendsten Figuren der Literatur des 20. Jahrhunderts und hat seinen Weg schon entsprechend häufig auf die Leinwand gefunden. Nun geht er erstmals auch in Serie, angesiedelt im New York der Sechziogerjahre, und als titelgebender Antiheld tritt niemand anderes als der schwule "Fleabag"- und "Sherlock"-Star Andrew Scott die Nachfolge von Alain Delon, Matt Damon und John Malkovich an. Noch allerdings haben die Dreharbeiten nicht begonnen.
Der spannende Rest
Auch über alle hier bereits genannten Serien hinaus wird es 2021 nicht mangeln an queeren Figuren und Storylines. In der Miniserie "Nine Perfect Strangers" etwa, basierend auf einem Roman der "Big Little Lies"-Autorin Liane Moriarty, wird Luke Evans seine erste schwule Rolle seit Jahren spielen, an der Seite von Nicole Kidman, Melissa McCarthy und Michael Shannon.
Und in anderen Produktionen können wir uns zumindest darüber freuen, LBGTI-Schauspieler*innen bei der Arbeit zusehen zu können. Ben Whishaw etwa hat die Hauptrolle in "This Is Going to Hurt" übernommen, Kate McKinnon die in der Miniserie "The Dropout" um die skandalumwitterte Geschäftsfrau Elizabeth Holmes. Beanie Feldstein spielt in Ryan Murphys "American Crime Story: Impeachment" niemand anderen als Monica Lewisky, und in der neuen Shonda-Rhimes-Produktion "Inventing Anna" ist Laverne Cox mit von der Partie.
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