Die SPD plakatierte 2016 bei der Abgeordnetenhauswahl Plakate mit Nina Queer, die damals als Toleranzbotschafterin für die Partei agierte (Bild: SPD)
Zu Update springen: "Tagesspiegel" weist Behauptung Queers zurück, "Hitler-Transe" stamme von Redakteur (17.00 Uhr)
Nina Queer hat sich am Dienstagabend in einem längeren Facebook-Eintrag zu ihrer Ausladung von der Dschungelshow geäußert. Dabei wehrt sich die Wahlberlinerin weiterhin gegen den Vorwurf, eine Rassistin und Antisemitin zu sein.
Eigentlich sollte Queer eine von zwölf Kandidat*innen bei der Dschungelshow sein, die ab Freitagabend coronabedingt in Fernsehstudios in Hürth bei Köln gedreht wird. Allerdings wurde sie von RTL am Montag gefeuert, nachdem ein "Tagesspiegel"-Zitat aus dem letzten Jahr aufgetaucht war, in dem sie im selbst als "Hitler-Transe" bezeichnet hatte. So einer Person wolle man "keine Plattform in einer Unterhaltungssendung bieten", erklärte RTL (queer.de berichtete).
Neue Version der Entstehungsgeschichte des Hitler-Zitats
Queer behauptete in ihrem Eintrag nun, dass ihr das Zitat in den Mund gelegt worden sei: "Ich wurde dann vom Redakteur gefragt, ob es mich denn nicht stören würde, wenn ich als 'Hitler-Transe' dargestellt werde. Darauf habe ich geantwortet: 'dann bin ich eben die erste Hitler-Transe, dann nehme ich das so hin.'" Die Aussage sei "hart, aber klar satirisch" gewesen.
Nina Queers Facebook-Präsenz (Bild: facebook.de)
Die Dragqueen wehrte sich am Dienstag auch dagegen, mit Michael Wendler "in einen Topf geworfen" zu werden. "Das ist nicht nur unfair, sondern grob falsch", so Queer. Der Schlagersänger war in der neuen DSDS-Staffel Juror, wurde aber nach rechtsradikalen Äußerungen von RTL bei der Ausstrahlung der vor Monaten aufgezeichneten Folgen verpixelt. Grund war, dass er letzte Woche die Coronabeschränkungen mit der Formulierung "KZ Deutschland" kritisiert hatte.
Vorwurf der Cancel-Culture
Außerdem nannte Queer den Namen der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart, der in der Vergangenheit ebenfalls antisemitische Äußerungen vorgeworfen worden waren – unter anderem von Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung. Konkret schrieb Queer: "Ich will mich nicht mit bekannten TV-Künstlern wie Lisa Eckhart vergleichen. Ich kann aber nicht anders, als mich auch als Betroffene der immer weiter um sich greifenden Cancel-Culture zu sehen."
Cancel-Culture ("Storno-Kultur") ist ein aus den USA stammendes Modewort, der insbesondere (aber nicht ausschließlich) von Rechtspopulist*innen verwendet wird. Der Begriff ist gleichbedeutend mit den veralteten Wort "Ächtung". Damit wird beklagt, dass eine unliebsame Person aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werde und nicht mehr gehört werden könne. Laut Medienberichten sieht sich sogar der mächtigste Mann der Welt, US-Präsident Donald Trump, nach seinem Twitter-Verbot als Opfer dieser Praxis. Der Vorwurf Cancel-Culture wird laut Kritiker*innen häufig dazu missbraucht, berechtigte Kritik pauschal abzuwehren oder menschenfeindliche Äußerungen und Haltungen zu legitimieren.
In ihrem Facebook-Eintrag sprach Queer den Streit mit ihrer ehemaligen "Busenfreundin" Désirée Nick an. Queer hatte der Dschungelkönigin aus dem Jahr 2004 in den letzten Tagen vorgeworfen, RTL gegen sie aufgebracht zu haben. "Übel nehme ich folgendes: Eine Entertainerin, die sich ihre Prominenz mit harten und grenzwertigen Sprüchen erworben hat, dreht den Spieß hier um", so Queer. "Ich bin nicht die Witze-Polizei und alleine deshalb hoffe ich, dass die[,] deren falschen Applaus Desiree jetzt einsammelt, sich nicht irgendwann gegen sie wenden."
Nick machte sich unterdessen weiter über Queer lustig. Am Dienstagabend verspottete sie ihre frühere Freundin auf Facebook als "Wendler der Community".
Nina Queer eckte in den letzten Jahren wiederholt mit kontroversen Aussagen an. So wurde die damalige SPD-Toleranzbotschafterin bereits 2016 von der CDU wegen angeblich rassistischer Kommentare attackiert (queer.de berichtete). Ein Jahr später erhielt sie auch Kritik aus der SPD (queer.de berichtete). Auch an mehreren ihrer "Bild"-Kolumnen regte sich Kritik. (cw)
Update 17.00 Uhr: "Tagesspiegel" weist Queer-Behauptung zurück
Die Redaktion des "Tagesspiegels" hat die Darstellung Nina Queers, ihr Autor habe im Gespräch zu dem umstrittenen Artikel aus dem Juni 2020 als erster den Begriff "Hitler-Transe" verwendet und die Drag Queen darauf reagiert, am Mittwoch als falsch zurückgewiesen. "Ganz im Gegenteil war es Nina Queer, die von sich aus den Begriff als Selbstbezeichnung in dem Gespräch gewählt hat – ganz so, wie von Sebastian Goddemeier in seinem Text beschrieben wurde. Die Formulierung wurde auch nicht aus dem Zusammenhang gerissen." Dies sei auch so auf Band dokumentiert. Der Verlag bitte Nina Queer, die gegenteilige "Behauptung nicht mehr zu verbreiten und sie von ihren Profilen in den sozialen Medien zu löschen".
Der Nollendorfblogger Johannes Kram bestätigte am Mittwoch die Darstellung der Zeitung: "Ich hatte die Möglichkeit, mir die entsprechende Phase des Tagesspiegel-Gesprächs anzuhören, das mit Nina Queers Wissen auf Band aufgenommen worden war. Das im Tagesspiegel veröffentlichte Zitat 'Dann bin ich eben die erste Hitler-Transe, die es gibt.' ist so gefallen. Es ist nicht aus dem Kontext gerissen. Es ist nicht die Erwiderung auf einen Einwand des Redakteurs sondern Teil ihrer Rechtfertigung des Posts, in dem sie ihre Forderung nach Abschiebung in Kriegsgebiete verteidigt." Die Drag Queen "belügt ihre Fans und verniedlicht ihren Rassismus", so der Blogger. (cw)
Update 21.00 Uhr: Queer entfernt Vorwurf an "Tagesspiegel"
Nina Queer hat die (oben im Queer.de-Artikel dokumentierten) Aussagen zum "Tagesspiegel" inzwischen ohne Kommentar aus ihrem Facebook-Eintrag entfernt. In einem am Morgen veröffentlichten Gefälligkeits-Interview mit dem Portal klatsch-tratsch.de, das sich vor allem an Désirée Nick abarbeitet, ist derzeit noch ihre Darstellung enthalten, der "Tagesspiegel" habe den Begriff "Hitler-Transe" eingeführt und sie darauf reagiert.