US-Präsident Joe Biden war am Mittwochnachmittag nur wenige Stunden im Amt, als er 17 Erlasse unterzeichnete, mit denen er eine 180-Grad-Wende der amerikanischen Politik vollzog. Eines der Dekrete beinhaltet ein Verbot von Job-Diskriminierungen von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in allen Bundesbehörden. Donald Trump hatten diesen Diskriminierungsschutz 2018 unter Verweis auf die "Religionsfreiheit" abgeschafft (queer.de berichtete).
In seiner "Executive Order" berief sich Biden auf ein Urteil des Supreme Court aus dem vergangenen Jahr. Demnach ist ein LGBTI-Diskriminierungsverbot bereits implizit in einem 57 Jahre alten Bundesgesetz enthalten, das auch Ungleichbehandlung aufgrund des Merkmals "Geschlecht" untersagt (queer.de berichtete).
Die weiteren Dekrete des 78-jährigen neuen Staats- und Regierungschefs korrigierten viele Entscheidungen aus der Trump-Regierung: So hob Biden den Einreisestopp für mehrere mehrheitlich muslimische Länder auf. Außerdem trat er erneut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Pariser Klimaabkommen bei. Des Weiteren erließ er Korrekturen in der Migrations- und die Coronapolitik.
LGBTI-Organisationen begrüßten das Dekret gegen Diskriminierung überschwänglich: "Bidens Erlass ist der weitreichendste und wichtigste über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, der je von einem amerikanischen Präsidenten unterzeichnet wurde", erklärte etwa Alphonso David, der Chef der einflussreichen Human Rights Campaign. Alle neuen Dekrete markierten "eine willkommene Veränderung weg von der Politik von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung."
Hebt Biden jetzt auch das Trans-Verbot auf?
Es wird auch erwartet, dass Biden in den nächsten Tagen das von Donald Trump 2017 erlassene Verbot von trans Menschen in den amerikanischen Streitkräften wieder aufhebt. Regierungssprecherin Jen Psaki kündigte bereits "mehrere weitere Dekrete in den nächsten Tagen und Wochen" an.
Noch ist allerdings unklar, ob Biden seine Politik im Kongress durchsetzen kann. In beiden Kammern des Parlaments verfügt er nur über eine sehr hauchdünne Mehrheit – im Repräsentantenhaus stehen 222 Demokrat*innen 211 Republikaner*innen gegenüber. Im 100 Mitglieder zählenden Senat stellen beide Fraktionen je die Hälfte – hier hat die Demokratische Partei nur die Mehrheit, weil Vizepräsidentin Kamala Harris, die von Amts wegen gleichzeitig als Chefin des Senats agiert, bei Gleichstand die entscheidende Stimme abgeben darf.
Erstmals offen schwuler Minister
Der Senat muss nun noch alle Kabinettsposten von Biden mehrheitlich durchwinken, was voraussichtlich Monate in Anspruch nehmen wird. Dazu zählen auch der designierte Verkehrsminister Pete Buttigieg, der als erster offen schwuler Mann ein Ministerium leiten soll (queer.de berichtete).
Zudem hatte Biden mit Rachel Levine erstmals eine trans Frau für eine hohe Aufgabe im Kabinett nominiert – sie soll, stimmt der Senat zu, Staatssekretärin im Gesundheitsministerium werden (queer.de berichtete). Levine war zuvor Landesgesundheitsministerin in Pennsylvania und musste wegen ihrer Geschlechtsidentität viel Spott von Trump-Schergen ertragen (queer.de berichtete). Transphobe Rechtspopulist*innen machen jetzt online Stimmung gegen die Kinderärztin, unter anderem indem sie die Politikerin abwertend als "er" bezeichnen. Sogar das deutsche Propaganda-Portal "Freie Welt", das von AfD-Vizechefin Beatrix von Storch und ihrem Mann betrieben wird, übernimmt diese Hassattacken eins zu eins.
(Bild: freiewelt.net)
LGBTI-Organisationen zeigten sich derweil auch erfreut, dass mehre queere Künstlerinnen im Rahmenprogramm zur Amtseinführung auftraten. Neben der queeren Ikone Lady Gaga, die bei der "Inauguration" vor dem Parlamentsgebäude die Nationalhymne schmetterte, traten in der von Filmstar Tom Hanks moderierten Abendshow "Celebrating America" unter anderem auch die bisexuelle Sängerin Demi Lovato und die trans Entertainerin Peppermint auf.
Darüber hinaus gibt es in der LGBTI-Community Schadenfreude, dass Altpräsident Donald Trump trotz seiner Anfechtung der Wahl und des Putschversuchs vom Dreikönigstag sein Amt räumen musste. "Drag Race All Stars"-Gewinner Alaska Thunderfuck gehörte etwa zu einer Gruppe von Künstler*innen, die in der Musikparodie "You're Fired" zur Musik des Achtzigerjahre-Klassikers "We Didn't Start The Fire" von Billy Joel auftreten.