Die Arbeitsgruppe "Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten" hat bei ihrem Treffen am 27. Januar zwar das De-facto-Spendeverbot für schwule und bisexuelle Männer "intensiv erörtert", aber bislang kein Ergebnis erzielt. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten und queerpolitischen Experten Jens Brandenburg hervor, die queer.de voliegt. Die Arbeitsgruppe besteht aus Mitgliedern des vom offen schwulen Politiker Jens Spahn geführten Gesundheitsministeriums, von Bundesoberbehörden und der Bundesärztekammer.
Eine Liberalisierung der Blutspenderichtlinien ist der Antwort zufolge nicht vor dem Frühjahr zu erwarten: "Die Diskussion soll mit dem Ziel einer Ergebnisfindung in der nächsten Sitzung, die Ende März 2021 stattfinden soll, fortgesetzt werden", heißt es in dem Schreiben vom 3. Februar. "Das Bundesministerium für Gesundheit beobachtet den Fortgang der Beratungen sehr genau."
"Die Verzögerung verschärft die ohnehin schon akute Knappheit an Blutkonserven"
"Auch im neuen Jahr hält sich das ewiggestrige Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer hartnäckig", beklagte Jens Brandenburg als Reaktion auf die Antwort. Es bleibe abzuwarten, ob die Arbeitsgruppe im März wirklich ein Ergebnis finde – mit schlimmen Folgen für die gesamte Gesellschaft: "Die Verzögerung verschärft die ohnehin schon akute Knappheit an Blutkonserven", so Brandenburg. Dabei sei der Sachstand längst klar: "Zwölf Monate Enthaltsamkeit für schwule Männer sind völlig überzogen und medizinisch unnötig. Andere Länder haben das diskriminierende Spendeverbot längst gelockert. Aktuelle Studien zeigen: Das Infektionsrisiko hat sich dort nicht erhöht. Das sollte auch die Arbeitsgruppe zur Kenntnis nehmen."
Denn für die Sicherheit der Blutspenden sei nicht die sexuelle Identität der Spender*innen entscheidend, sondern das tatsächliche Risikoverhalten. "Aussitzen ist keine Lösung. Es ist höchste Zeit, dem unsinnigen Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer endlich ein Ende zu bereiten", forderte der 34-jährige Liberale.
Jens Brandenburg ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
Gegenwärtig dürfen in Deutschland homo- und bisexuelle Männer nicht Blut spenden, wenn sie in den letzten zwölf Monaten Sex mit einem Mann gehabt haben – das umfasst auch Sex mit Kondomen und/oder dem eigenen Ehemann. Heterosexuelle haben dagegen grundsätzlich keine Sex-Karenzzeit – ihnen wird etwa nicht auferlegt, mit ihrem Ehepartner oder ihrer Ehepartnerin ein Jahr lang enthaltsam zu leben. LGBTI- und Aids-Aktivist*innen kritisieren das pauschale Verbot aufgrund der sexuellen Orientierung – ebenso wie Einschränkungen für trans Menschen – als diskriminierend.
Andere Länder sind in dieser Frage bereits weiter als Deutschland: Italien und Spanien betrachten etwa beim Zugang zu Blutspenden nur das sexuelle Risikoverhalten und nicht die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Spender*innen. England folgte diesem Beispiel vor wenigen Wochen (queer.de berichtete). Weitere Länder haben als Kompromiss das Sexverbot für Schwule verkürzt – in Frankreich etwa auf vier Monate (queer.de berichtete). Vor wenigen Tagen hat auch Australien erklärt, sein Sexverbot für Schwule von zwölf auf drei Monate zu verkürzen. (dk)