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Heimkino

Eine Transition in der Familie aus Sicht der Kinder

In ihrem Spielfilm "Eine total normale Familie" hat Malou Reymann eigene Erfahrungen verarbeitet. Die trans Mutter der dänischen Regisseurin gab grünes Licht, dass ein cis Mann in der Dramödie die trans Rolle spielt.


Die Beziehung zwischen Agnete und ihren beiden Töchtern verändert sich mit ihrem Coming-out als trans (Bild: Edition Salzgeber)

Pizza Hawaii für Caroline, Peperoni für Emma. Die zwei Schwestern holen sich ein Stück aus dem Pizzakarton, legen es auf den Teller und fangen an zu essen. Doch der Bissen bleibt ihnen bald im Halse stecken. Pizza zum Mittagessen gibt's ja eigentlich nur an besonderen Tagen. Am Geburtstag, am letzten Tag vor den Ferien. Oder eben wenn Mutter Helle verkündet, dass die Eltern sich scheiden lassen. Weil die Person, die sie bislang als Vater kannten, als Frau leben möchte.

Der Schock kommt plötzlich, doch er sitzt tief, die ersten Tränen kullern bald. Das kann man sich doch nicht aussuchen, sagt die eine Tochter, müssen wir umziehen, was wird aus meiner Konfirmation? Das vor der Transition stehende Elternteil hat keine Antworten, ist von dieser Ankündigung fast genauso überrumpelt wie die Kinder.

Die Familie ist bei einer Therapeutin, zu der Agnete in Frauenkleidern kommt und ankündigt, zukünftig nur noch mit diesem Namen angesprochen werden zu wollen. Die elfjährige Emma möchte ihre trans Mutter nicht sehen, hat sich einen dicken, grobmaschigen, grünen Schal um den Kopf gewickelt. Wir sehen Agnete zunächst nicht richtig, Emma verdeckt sie, nur ein bisschen pink und Glitzer scheinen neben dem Schal durch.

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"Wie die Mutter, so die Kinder"


Poster zum Film: "Eine total normale Familie" läuft im Februar 2021 in der queerfilmnacht online

Es geht dann auch alles recht schnell, nach einem Drittel von "Eine total normale Familie" ist die Transition von Agnete schon vollzogen. Zu schnell für Emma, die sich in der Umgebung ihrer trans Manner sichtbar unwohl fühlt. Die Veränderung überfordert das Mädchen. Ihre Schwester Caroline, die ein paar Jahre älter ist, geht deutlich entspannter damit um.

Die Dramödie "Eine total normale Familie", die in diesem Monat in der queerfilmnacht online läuft, ist der erste Spielfilm der dänischen Regisseurin Malou Reymann, die auch das Drehbuch schrieb. Sie verarbeitet damit ihre eigenen Erfahrungen mit einer trans Mutter und konzentriert sich weniger auf Agnete als vielmehr auf deren Tochter Emma. Für alle Beteiligten in "Eine total normale Familie" ist von heute auf morgen gefühlt nichts mehr normal, alle müssen sich selbst und dann die Beziehung zueinander neu finden – und definieren, was eigentlich normal ist. Für Emma ist das eine große Herausforderung.

Malou Reymann gelingt es, diese Familiengeschichte ganz gelassen und mit einem leisen Humor zu erzählen, der den Film dennoch nicht gleich zur Komödie werden lässt. Immer wieder zeigt der Film, wie schwierig die Suche nach der eigenen Identität ist, ohne sich für einen Weg zu entscheiden – weil es vielleicht kein klares Richtig und Falsch gibt. So ist Emma sauer, als Agnete für ihre Töchter gelobt wird – "wie die Mutter, so die Kinder" – und die Situation nicht aufklärt. Dass Agnete wiederum einer Kosmetikerin im Strandhotel nicht ihre Lebensgeschichte erzählt, sondern den unbeschwerten Passing-Moment genießt, ist auch klar.

Cis Mann spielt trans Frau

Als sie sich wenig später gegenüber einer anderen Frau als fußballdumm gibt, obwohl sie früher so gerne mit Emma vor dem Fernseher mitgefiebert hat, lässt das die Elfjährige verständlicherweise vom Tisch aufstehen und wütend abhauen.

Besonders Kaya Toft Loholt als Emma und Rigmor Ranthe als Caroline sind trotz ihres jungen Alters ganz große Darstellerinnen, die die Emotionen und Widersprüche, die in ihnen vorgehen, wunderbar verkörpern.

Dass der cis Mann Mikkel Boe Følsgaard Agnete spielt, kann aufstoßen. Die Regisseurin selbst verteidigt die Wahl: Man habe die Figur sowohl vor als auch nach der Transition zeigen wollen und dafür jemanden gesucht, "der über einen solchen Körper verfügt, der sich mit seinem männlichen Körper auf die Suche nach seiner eigenen Weiblichkeit macht." So jemanden zu finden, sei nicht nur sehr schwierig, "ganz zu schweigen davon, dass es so jemandem kaum möglich wäre, zur gleichen Zeit vor der Kamera zu stehen." Schließlich habe sie ihre trans Mutter um ihre Meinung gebeten, sie unterstütze die Entscheidung.

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Infos zum Film

Eine total normale Familie. Dramödie. Dänemark 2020. Regie: Malou Reymann. Darsteller*innen: Kaya Toft Loholt, Mikkel Boe Følsgaard, Rigmor Ranthe, Neel Rønholt. Laufzeit: 93 Minuten. Sprache: dänische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 6. Verleih: Edition Salzgeber. Im Februar 2021 in der queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos.

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#1 valerie
  • 05.02.2021, 07:40hLeipzig
  • "Dass der cis Mann Mikkel Boe Følsgaard Agnete spielt, kann aufstoßen."

    Wenn, wie im Artikel zum SZ-Outing von einer Schauspielerin gefordert, auch queere Menschen nicht queere Rollen spielen können: Dann müssen cis-Männer auch Transpersonen spielen können. Es gehört zur Schauspielerei, das zu verkörpern, was man eigentlich nicht ist. Ansonsten stellt man die eigene moralische Haltung über alles andere.
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#2 AltoAnonym
  • 05.02.2021, 08:32h
  • "Dass der cis Mann Mikkel Boe Følsgaard Agnete spielt, kann aufstoßen."

    ja, ach meine Güte. Ihr habt doch selbst geschrieben, dass es schwer war, einen passenden Schauspieler zu finden. Es geht darum eine Rolle zu spielen. Und wenn ein Schauspieler dass gut kann, auch wenn er weiß, cis und hetero ist, soll er das ruhig machen.
    Genauso kann auch eine Trans*Person eine Cis-Person spielen, wenn es auf Person und Rolle passt.
    Für Nazi Filme muss man ja auch keine echten Nazis nehmen. Genauso wenig wie für Krimis echte Kriminelle und Polizisten.
    Der schwule Brite Ian McKellen hat ja auch sehr gut den Gandalf gespielt, obwohl er kein echter Zauberer war.
    Es wäre schön, wenn wir mit dem Thema einfach unverkrampfter und weniger verbissen umgehen könnten
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#3 MinuschkaAnonym
  • 05.02.2021, 13:44h
  • Es lassen sich die Anliegen von anderen sicher leichter als verbissen und moralische Überlegenheitshaltung abtuen, wenn man selber nicht davon betroffen ist. ;)

    Aber anstatt an dieser Stelle zum wiederholten Male die Argumente zur Bedeutung von Repräsentation und authentischen Vorbildern in den Medien, zu Berufschancen für trans Schauspieler*innen oder zu den Auswirkungen auf die gesellschaftliche Akzeptanz von trans Menschen zu bringen, stattdessen eine Empfehlung an alle:

    Guckt euch einfach mal die Netflix-Doku "Disclosure" zu dem Thema an.

    Damit ist es vielleicht für alle etwas verständlicher, warum manche (trans) Personen bei dem Thema so verkrampft sind und es nicht einfach alles mal locker sehen können.
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