Pizza Hawaii für Caroline, Peperoni für Emma. Die zwei Schwestern holen sich ein Stück aus dem Pizzakarton, legen es auf den Teller und fangen an zu essen. Doch der Bissen bleibt ihnen bald im Halse stecken. Pizza zum Mittagessen gibt's ja eigentlich nur an besonderen Tagen. Am Geburtstag, am letzten Tag vor den Ferien. Oder eben wenn Mutter Helle verkündet, dass die Eltern sich scheiden lassen. Weil die Person, die sie bislang als Vater kannten, als Frau leben möchte.
Der Schock kommt plötzlich, doch er sitzt tief, die ersten Tränen kullern bald. Das kann man sich doch nicht aussuchen, sagt die eine Tochter, müssen wir umziehen, was wird aus meiner Konfirmation? Das vor der Transition stehende Elternteil hat keine Antworten, ist von dieser Ankündigung fast genauso überrumpelt wie die Kinder.
Die Familie ist bei einer Therapeutin, zu der Agnete in Frauenkleidern kommt und ankündigt, zukünftig nur noch mit diesem Namen angesprochen werden zu wollen. Die elfjährige Emma möchte ihre trans Mutter nicht sehen, hat sich einen dicken, grobmaschigen, grünen Schal um den Kopf gewickelt. Wir sehen Agnete zunächst nicht richtig, Emma verdeckt sie, nur ein bisschen pink und Glitzer scheinen neben dem Schal durch.
"Wie die Mutter, so die Kinder"
Es geht dann auch alles recht schnell, nach einem Drittel von "Eine total normale Familie" ist die Transition von Agnete schon vollzogen. Zu schnell für Emma, die sich in der Umgebung ihrer trans Manner sichtbar unwohl fühlt. Die Veränderung überfordert das Mädchen. Ihre Schwester Caroline, die ein paar Jahre älter ist, geht deutlich entspannter damit um.
Die Dramödie "Eine total normale Familie", die in diesem Monat in der queerfilmnacht online läuft, ist der erste Spielfilm der dänischen Regisseurin Malou Reymann, die auch das Drehbuch schrieb. Sie verarbeitet damit ihre eigenen Erfahrungen mit einer trans Mutter und konzentriert sich weniger auf Agnete als vielmehr auf deren Tochter Emma. Für alle Beteiligten in "Eine total normale Familie" ist von heute auf morgen gefühlt nichts mehr normal, alle müssen sich selbst und dann die Beziehung zueinander neu finden – und definieren, was eigentlich normal ist. Für Emma ist das eine große Herausforderung.
Malou Reymann gelingt es, diese Familiengeschichte ganz gelassen und mit einem leisen Humor zu erzählen, der den Film dennoch nicht gleich zur Komödie werden lässt. Immer wieder zeigt der Film, wie schwierig die Suche nach der eigenen Identität ist, ohne sich für einen Weg zu entscheiden – weil es vielleicht kein klares Richtig und Falsch gibt. So ist Emma sauer, als Agnete für ihre Töchter gelobt wird – "wie die Mutter, so die Kinder" – und die Situation nicht aufklärt. Dass Agnete wiederum einer Kosmetikerin im Strandhotel nicht ihre Lebensgeschichte erzählt, sondern den unbeschwerten Passing-Moment genießt, ist auch klar.
Cis Mann spielt trans Frau
Als sie sich wenig später gegenüber einer anderen Frau als fußballdumm gibt, obwohl sie früher so gerne mit Emma vor dem Fernseher mitgefiebert hat, lässt das die Elfjährige verständlicherweise vom Tisch aufstehen und wütend abhauen.
Besonders Kaya Toft Loholt als Emma und Rigmor Ranthe als Caroline sind trotz ihres jungen Alters ganz große Darstellerinnen, die die Emotionen und Widersprüche, die in ihnen vorgehen, wunderbar verkörpern.
Dass der cis Mann Mikkel Boe Følsgaard Agnete spielt, kann aufstoßen. Die Regisseurin selbst verteidigt die Wahl: Man habe die Figur sowohl vor als auch nach der Transition zeigen wollen und dafür jemanden gesucht, "der über einen solchen Körper verfügt, der sich mit seinem männlichen Körper auf die Suche nach seiner eigenen Weiblichkeit macht." So jemanden zu finden, sei nicht nur sehr schwierig, "ganz zu schweigen davon, dass es so jemandem kaum möglich wäre, zur gleichen Zeit vor der Kamera zu stehen." Schließlich habe sie ihre trans Mutter um ihre Meinung gebeten, sie unterstütze die Entscheidung.
Infos zum FilmEine total normale Familie. Dramödie. Dänemark 2020. Regie: Malou Reymann. Darsteller*innen: Kaya Toft Loholt, Mikkel Boe Følsgaard, Rigmor Ranthe, Neel Rønholt. Laufzeit: 93 Minuten. Sprache: dänische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 6. Verleih: Edition Salzgeber. Im Februar 2021 in der
queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos.
Wenn, wie im Artikel zum SZ-Outing von einer Schauspielerin gefordert, auch queere Menschen nicht queere Rollen spielen können: Dann müssen cis-Männer auch Transpersonen spielen können. Es gehört zur Schauspielerei, das zu verkörpern, was man eigentlich nicht ist. Ansonsten stellt man die eigene moralische Haltung über alles andere.