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Kirche und Hass

Katholische Vertreterin: Schwule schuld am Kindesmissbrauch in der Kirche

Erneut versucht die katholische Kirche, die Verantwortung für innerkirchlichen Kindesmissbrauch auf eine vielen Gläubigen verhasste Minderheit abzuwälzen.


Dorothea Schmidt weiß, wo der Feind steht… (Bild: Screenshot / Deutsche Bischofskonferenz)

Bei einer katholischen Online-Konferenz hat eine Abgesandte der Bischofskonferenz schwule Männer für den jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Kindern innerhalb der katholischen Kirche mitverantwortlich gemacht. Zudem behauptete Dorothea Schmidt am Donnerstag bei der Veranstaltung des "Synodalen Weges", eines innerkirchlichen Gesprächsformats, dass die Akzeptanz von schwulen Priestern Kindesmissbrauch "Tür und Tor" öffnen werde. Schmidt ist Mitglied der konservativen Katholikinnen-Initiative "Maria 1.0".

Sie frage sich, ob die Kirche "die Diagnose mit dem Missbrauch ein bisschen falsch gestellt" habe, so Schmidt in ihrem Statement. "Wenn wir schauen, dass zwei Drittel aller Fälle männliche Opfer betreffen, davon mehr als die Hälfte unter 13 Jahren ist, dann müssen wir davon ausgehen, dass zumindest anteilig diese Fälle auf homosexuellem, hebiphilen oder ephebophilen Begehren beruht. Nur ein geringer Anteil ist pädophil." Ephebophilie bezeichnet die gleichgeschlechtliche Neigung von Männern zu pubertierenden Jungen, Hebephilie die Neigung eines Erwachsenen zu pubertierenden Jungen oder Mädchen. Aus diesem Grund müssten "homosexuelle Bewerber" weiterhin für das Priesteramt ausgeschlossen werden. Wenn "homosexuelle Praxis" innerhalb der Kirche erlaubt werde, "dann öffnen wir doch mehr Tür und Tor für das, was wir eigentlich verhindern wollen".

Schmidt gilt laut einem offiziellen Kirchen-Dokument (PDF) als Abgesandte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Sie wurde vom Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in den "Synodalen Weg" eingeladen. Voderholzer gehört zu jenen Bischöfen, die aus ihrer Abneigung gegenüber Homosexuellen kein Geheimnis machen. So sprach er sich gegen die "Wertschätzung einer homosexuellen Orientierung" aus und kämpfte auf europäischer Ebene dafür, dass Nationalstaaten homosexuelle Paare nicht rechtlich anerkennen (queer.de berichtete).

Die Tagungsleitung hatte mit dem Vorwurf der DBK-Vertreterin, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder und Homosexualität zusammengehören, sichtlich kein Problem – ganz im Gegenteil: "Danke für die Wortmeldung. Ich denke, der Zusammenhang zwischen Homosexualität und Missbrauch ist sicher hier einer der Punkte, die wir nicht ausdiskutieren können an dieser Stelle", so Gesprächsleiterin Claudia Nothelle als direkte Reaktion auf die homosexuellenfeindliche Tirade. Leger fügte sie hinzu: "Ist ja zumindest etwas, was man sehr unterschiedlich beleuchten und besehen kann."


Claudia Nothelle (re.) hält Homosexuellenhass offenbar für eine Meinung, die man halt vertreten kann (Bild: Screenshot / Deutsche Bischofskonferenz)

Immerhin: Es gab in der Konferenz ein klein wenig Widerspruch gegen die Äußerungen Schmidts. Claudia Lücking-Michel, eine Vertreterin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sagte etwa eine halbe Stunde nach dem Vorwurf Schmidts gegen Homosexuelle: "Die pauschale Unterstellung eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs und Schuldzusammenhangs, den Sie gerade geäußert haben, dagegen möchte ich mich in aller Deutlichkeit wehren." Das Laiengremium ZdK setzt sich bereits seit Jahren für eine tolerantere Haltung der Kirche gegenüber LGBTI ein (queer.de berichtete).


Claudia Lücking-Michel traute sich als einzige, dem Homo-Hass Schmidts verbal zumindest einen Satz entgegenzustellen (Bild: Screenshot / Deutsche Bischofskonferenz)

Anlass für die erneute Debatte um sexuellen Kindesmissbrauch in der Kirche ist die Weigerung des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki, einen Bericht zum Missbrauch zu veröffentlichen. Außerdem gab es Berichte, wonach er nach seinem Amtsantritt einem Fall schweren sexuellen Missbrauchs durch einen Düsseldorfer Priester, den er aus seiner Ausbildungszeit kannte, nicht nachgegangen sei – möglicherweise als Freundschaftsdienst (queer.de berichtete). So nachsichtig wie gegenüber einem Pfarrer, der Kinder missbraucht, ist er gegenüber offen schwulen oder lesbischen Menschen aber nicht: Er verhängte letztes Jahr sogar Sanktionen gegen die katholische Hochschulgemeinde, weil diese die erbarmungslose Haltung der Kirche gegenüber Schwulen und Lesben in Frage gestellt hatte (queer.de berichtete).

DBK-Chef gibt sich offen gegenüber Nicht-Heterosexuellen

Zum Auftakt des "Synodalen Weges", bei dem Kirchenführung und Gläubige unter anderem Machtmissbrauch, Sexualmoral, Zölibat und die Rolle der Frau diskutieren, hatte Georg Bätzing, der relativ liberale Chef der Bischofskonferenz, noch erklärt, dass die Kirche LGBTI "zutiefst verletzt" habe. Er stellte laut "Domradio" vorab auch die Idee des Schuldbekenntnisses der Kirche gegenüber sexuellen Minderheiten in den Raum. Unklar bleibt, wie seine Haltung mit den homophoben katholischen Reflexen, wie sie von Dorothea Schmidt vorgetragen worden waren, in Einklang gebracht werden kann.


Georg Bätzing ist seit knapp einem Jahr der katholische Chefbischof in Deutschland (Bild: Screenshot / Deutsche Bischofskonferenz)

Während des seit Jahren schwelenden katholischen Missbrauchsskandals versuchten Vertreter*innen der Kirche immer wieder, schwule Männer zu Sündenböcken für die Verfehlungen zu machen. Der schweizerische Weihbischof Marian Eleganti sagte etwa 2018: "Dieser Missbrauchsskandal zeigt halt doch: Es hängt mit der Homosexualität zusammen." Außerdem attestierte er Homosexuellen, die weniger wertvolle Variante der Schöpfung zu sein (queer.de berichtete). Viele hochrangige Kirchenvertreter – Erzbischof Carlo Maria Viganò oder auch der deutsche Kardinal Walter Brandmüller – verbreiten die Verschwörungstheorie, dass eine "Gay Mafia" innerhalb der Kirche am Kindesmissbrauch schuld sei (queer.de berichtete). Unterdessen machen auch katholische Medien gerne "übergriffige Homosexuelle" für das Leid von jungen Sexualopfern katholischer Priester verantwortlich (queer.de berichtete).

#1 UneinsichtigAnonym
  • 05.02.2021, 13:44h
  • Die Kirche hat NICHTS gelernt und NICHTS verstanden.

    Immer noch versuchen die, die Schuld von sich abzuwenden. Alle anderen sind schuld, nur nicht die unzähligen Kinderschänder in der Kirche und ihre Kollegen, die das vertuscht haben und immer noch vertuschen.

    Die Kirche wird sich niemals ändern.

    Da hilft nur Kirchenaustritt:

    www.kirchenaustritt.de/

    Wer da noch Mitglied bleibt, macht sich mitschuldig!
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#2 SvenAnonym
  • 05.02.2021, 13:50h
  • "Wenn wir schauen, dass zwei Drittel aller Fälle männliche Opfer betreffen, davon mehr als die Hälfte unter 13 Jahren ist..."

    Welche Argumente haben wir Schwule gegenüber solchen Aussagen?
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#3 QuinnAnonym
  • 05.02.2021, 14:29h
  • Antwort auf #2 von Sven
  • Eine These meinerseits wäre, dass Mädchen erst seit ca. 30 Jahren Messdienerinnen sein dürfen, so dass der überwiegende Teil der potentiellen jungen Opfer bei denen ein Vertrauensverhältnis zum Geistlichen bestand männlich war. Des Weiteren könnte ich mir vorstellen, das Mädchen aufgrund ihrer Sozialisation (Geh nicht mit Männern mit!) vorsichtiger im Umgang mit Männern sind.
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#4 SündenböckeAnonym
  • 05.02.2021, 14:32h
  • Antwort auf #2 von Sven
  • Ich halte die Aussage dieser Mitarbeiterin für falsch und perfide:

    Es mag ja statistisch sein, dass in der katholischen Kirche anteilig mehr Jungen als Mädchen missbraucht wurden.

    Allerdings muss man auch sehen, dass Ministranten und Messdiener sowie viele andere Positionen hauptsächlich von männlichen Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden.

    Dies bedeutet natürlich, dass diese damit auch statistisch eher Opfer sexuellen Missbrauchs werden können.
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#5 JeeensAnonym
  • 05.02.2021, 14:49h
  • Sie ist kein Vertreterin oder Mitarbeiterin der Deutschen Bischofskonferenz, sondern sie ist für den Synodalen Weg entsendet von der Deutschen Bischofskonferenz.
    Die achten darauf, dass dort von allen kirchlichen Flügeln jemand mitdiskutiert; das heißt aber nicht, dass Frau Schmidt für die DBK sprechen würde.
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#6 ErgänzungAnonym
  • 05.02.2021, 14:53h
  • Antwort auf #3 von Quinn
  • Richtig. Ein weiterer möglicher Aspekt: Es könnte sein, dass man Mädchen und jungen Frauen eher glaubt, wenn sie von sexuellen Übergriffen durch erwachsene Männer berichten. Das würde Jungen und junge Männer für die Täter zu weniger riskanten Opfern machen.
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#7 AsexuellAnonym
  • 05.02.2021, 15:16h
  • Antwort auf #2 von Sven
  • Die Frau tut nur so, als würde Sie differenzieren. Letztendlich wirft Sie doch wieder alles in einen Topf und klassifiziert es als homosexuelles Begehren, um Homosexuelle zu diffamieren. Wenn 1/3 des Missbrauchs an Mädchen erfolgt, dann dürften auch keine Heterosexuellen mehr als Priester eingestellt werden, da der sexuelle Missbrauch an Mädchen auf heterosexuelles Begehren zurückzuführen wäre. Ergo: Nur noch Asexuelle dürfen Priester werden!
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#8 tychiProfil
  • 05.02.2021, 15:59hIrgendwo im Nirgendwo
  • Antwort auf #2 von Sven
  • Hört man solche Anschluldigungen, gewürzt mit irgendwelchen Zahlen, ist man schnell sprachlos. Man hat ja die Gegenargumente nicht in der Tasche dabei...

    Es gibt aber verschiedene Argumentationsschienen, um zu reagieren

    1.) Man kann sich auf eine handfeste Studie berufen: Eine umfassende von den katholischen US-Bischöfen in Auftrag gegebene Studie des John Jay College of Criminal Justice in New York (2011/12) kam ausdrücklich zu dem Befund, dass "sexuelle Identität und sexueller Missbrauch klar getrennt werden müssen". Es gebe keinen nachweisbaren Zusammenhang "zwischen homosexueller Identität und größerer Wahrscheinlichkeit von Missbrauch."

    2.) Man kann forensisch argumentieren: Aufgrund des Geschlechts des Opfers kann nicht auf die sexuelle Orientierung des Täters geschlossen werden. Bei bis zu 75% von Missbrauchsfällen sind andere Faktoren die Triebfeder, darunter z.B. Rache, Sadismus, Macht- oder Gewaltphantasien oder auch nur die "günstige" Gelegenheit.

    3. Man kann pädagogisch argumentieren: In der Prävention und schulischen Aufklärung werden Mädchen intensiver darin bestärkt und geschult, Annäherungsversuche zu erkennen, Nein zu sagen, frühzeitig Alarm zu schlagen.

    4. Man kann entwicklungspsychologisch argumentieren: Fehlbare Priester locken die Jungs mit anbiedernden Maschen an, wie PlayStation-Abende, gespielte Lockerheit oder sogar Offenheit (z.B. in Bezug aufs Rauchen, Alkohol, Gespräche über Sexualität, etc.), Best-Buddy-Mentalität u.a. Mädchen durchschauen solche Maschen eher, Jungs sind da oft noch nichts so reif.

    5.) Man kann mit der Häufigkeit der Kontakte argumentieren: Eine Grosszahl der Missbräuche finden im Rahmen spezifisch kirchlicher Einrichtungen für Jugendliche statt, wie Knabenchöre, Internate, Jugend-Freizeiten. Dort haben Jungs einfach mehr Kontakt zu männlichen Bezugspersonen als Mädchen (die von Frauen betreut werden). Dazu kommt, dass Messdiener/Ministranten bis vor kurzem ausschliesslich männlich waren.

    6.) Man kann strukturell argumentieren: Die römisch-katholische Religionsgemeinschaft hat eine männlich-hierarchische Struktur, die Missbrauch und deren Vertuschung eindeutig begünstigen. Die Tabusierung und Dämonisierung jeglicher Form der Sexualität (ausser innerhalb der Ehe zwecks Fortpflanzung) hat ein Klima geschaffen, welches das Priesteramt für problematische Persönlichkeitsstrukturen geradezu attraktiv macht. Dazu gehören: Die Vertuschungsmentalität, die Überhöhung der Weiheämter, die Kleidung (Röckchen, Spitzen, Rüschen, Samt und Seide), Flucht vor dem eigenen Sexualitättrieb (ob hetero- oder homosexuell läuft aufs gleiche raus).

    7.) Man kann von er sexuellen Reifung der Täter/Priester her argumentieren: Viele Priester sind psychisch in der Pubertät stecken geblieben. Man hat ja die Sexualität tabusiert und abgewürgt. Das kann nix werden. Wenn sich diese geistig-unreifen Priester anderen Jungs annähern, dann erleben sie darin in etwa das, was 12-16-Jährige in der Pfadfinder-Freizeit erleben, wenn sie sich nachts im Zelt im Licht der Taschenlampe einen runterholen. Darin liegt nichts schwules. Diese Priester kompensieren und holen etwas nach, was sie offenbar nie erlebt hatten bzw. stets unterdrückt hatten.
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#9 QwertzuiopüAnonym
  • 05.02.2021, 16:08h
  • Den eigenen erbärmlichen Umgang mit Missbrauch in der Kirche dann auch noch in einer anderen Diskussion gegen Schwule zu instrumentalisieren, alle Achtung.

    Interessant, dass die Moderatorin meinte, den möglichen Zusammenhang könne man nicht ausdiskutieren. Schwule neigen statistisch gesehen nicht mehr zu Kindesmissbrauch als andere, case closed.
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#10 antosProfil
  • 05.02.2021, 16:13hBonn
  • Antwort auf #8 von tychi
  • >> Man hat ja die Gegenargumente nicht in der Tasche dabei...<<

    ...umso hilfreicher, dass Du dir die Mühe gemacht hast, sie hier so klar strukturiert aufzulisten. Toll! Vielen Dank!
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