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queerfilmnacht online

Die Lautstärke in der Stille erleben

US-Schauspieler Samuel Levine, Jahrgang 1996, im Interview über seine Hauptrolle im Spielfilm "Minjan", schwule Sexszenen, jüdische Identität und seine Erinnerungen an Berlin.


Samuel Levine als 17-jähriger Teenager David in "Minjan" (Bild: AgX / Berlinale)

Beim Teddy-Award im Vorjahr musste "Minjan" sich zwar "Futur Drei" geschlagen geben. Auf dem Kritiken-Portal "Rotten Tomatoes" kommt das Coming-out-Drama um einen jungen schwulen Juden in Brooklyn Ende der Achtzigerjahre immerhin auf 91 Prozent Zustimmung.

Die Hauptrolle übernimmt Samuel Levine, Jahrgang 1996, der seinen Einstand mit "Empörung" (2016) von James Schamus gab. Danach spielte er Hauptrollen in "The Transfiguration" (2016), "Yinz" (2018) und "Alia's Birth" (2020). Im Theater glänzte Levine an der Seite von Vanessa Redgrave in "The Inheritance" in der Doppelrolle des aufstrebenden Schauspielers Adam und des Strichers Leo. Das Stück wurde im Londoner Young Vic gezeigt und später auf dem Broadway.

Zum Heimkinostart von "Minjan" in der queerfilmnacht online hatten wir die Gelegenheit, mit Levine zu sprechen.


Poster zum Film: "Minjan" läuft im Februar 2021 in der queerfilmnacht online

Samuel, wie sind deine Erinnerungen an die Berlinale?

Berlin war großartig, allerdings war ich leider nur für ein Wochenende auf der Berlinale. Nach der Premiere und den ganzen Interviews für "Minjan", blieb gar nicht mehr so viel Zeit. Abends war ich im "Suicide Club", der mir ausgesprochen gut gefiel. Am nächsten Tag besuchte ich mit Regisseur Eric Steel und meinem Kollegen Ron Rifkin das Jüdische Museum, was uns sehr beeindruckt hat. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Berlin.

Du bist beim Teddy Award zwar leer ausgegangen, dafür kommt "Minjan" auf dem Kritiken-Portal "Rotten Tomatoes" auf eine Zustimmung von 91 Prozent – wie fühlt sich das an?.

Wow, davon wusste ich ja noch gar nichts! Das finde ich natürlich schon sehr cool. Bereits auf der Berlinale hatte ich den Eindruck, dass "Minjan" bei den Zuschauern ganz gut ankam. Dem deutschen Publikum gefällt es offensichtlich, wenn ein Film sich Zeit lässt beim Erzählen seiner Geschichte. Vieles bleibt unausgesprochen, was einen ganz besonderen Reiz ausmacht.

Was hat dich selbst interessiert an diesem Projekt?

Zum einen konnte ich mit dieser Rolle mehr über meine jüdische Identität erfahren. Ich stamme aus einer Familie europäischer Einwanderer und Holocaust-Überlebenden. Anders als im Film kamen wir nicht aus Russland, sondern aus Rumänien. Zum anderen finde ich die Queerness meiner Figur David spannend, sein Entdecken von Freiheit und Erwachen der Sexualität. Last not least spielt die Story in Brooklyn, wo ich wohne.


Samuel Levine gibt David die schüchtern-unsichere Art, die diese Rolle braucht (Bild: Edition Salzgeber)

Wie groß müssen die Schnittmengen sein mit den Figuren, die du spielst?

Es braucht immer ein paar Zugangspunkte für eine Figur, man muss Türen finden, durch die man gehen kann. Im Fall von David war das überhaupt kein Problem. Ich mag ihn sehr. Würde ich so jemand im echten Leben treffen, hätten wir sicher großen Spaß miteinander. Probleme hätte ich allenfalls damit, dass er sehr religiös ist.

Du bist in London gemeinsam mit Vanessa Redgrave auf der Bühne gestanden. Wie war die Erfahrung mit solch einer Schauspiel-Ikone?

Zunächst ist das natürlich sehr einschüchternd. Ich kann mich noch an unsere erste Probe erinnern, zu der ich mit großem Fracksausen erschienen bin. Doch sie hat mir die Nervosität schnell genommen. Wir sprachen über die Figuren und die Dialoge, und mir wurde klar, wie wichtig ihr ein gemeinsames Arbeiten ist. Sie ist eine von uns – aber natürlich ist sie unglaublich großartig!

Was hast du von der Redgrave gelernt?

Ich habe von Vanessa gelernt, wie man ehrlicher ist. Mich faszinierte zudem die Leidenschaft, mit der sie ihre politischen Überzeugungen vertritt. Ich glaube, dass lässt sich sehr gut mit deiner Arbeit als Schauspieler verbinden.

Weshalb hast du dich für die Schauspiel-Karriere entschieden?

Ich war sehr verschlossen, und der Theaterunterricht half mir, mich zu öffnen. Es war der einzige Ort in der High School, an dem ich mich mehr in der Lage fühlte, ich selbst zu sein. Das Studium war jedoch nicht nur Therapie, sondern brachte jede Menge Spaß! (lacht) Ging es früher darum, mich auszudrücken und meine Gefühle besser zu verstehen, bin ich mittlerweile an dem Punkt angelangt, wo ich überlege, was ich der Welt sagen sollte, wo ich etwas verbessern kann. Die Zwangspause von Corona lässt einen schon ziemlich nachdenklich werden und überlegen, was wir mit unserem Leben machen.

Was ist für dich das wichtigste im Schauspiel-Beruf?

Die Leute, mit denen man arbeitet. Gemeinschaft, Beziehungen und Wahrhaftigkeit sind mir sehr wichtig.


David (Samuel Levine) mit seinem Lover Bruno (Alex Hurt) im Bett (Bild: AgX / Berlinale)

Wie wahrhaftig spielt man Sex-Szenen vor der Kamera?

Sex-Szenen sind natürlich einschüchternd. Zugleich sind sie letztlich aber befreiend. Es ist seltsam, aber vielleicht fühlte ich mich in so einer Fantasie-Welt wohler als im realen Leben. Zum einen war das beängstigend, zum anderen war es ein großer Spaß.

Die alte Thematik, aktuell gerade wieder vom britischen Autor Russell Davies gefordert: Sollten queere Figuren nur von queeren Menschen gespielt werden?

In der aktuellen Lage finde ich das ebenfalls. Das Pendel muss wieder in eine andere Richtung. Zu viele Stimmen wurden mundtot gemacht, zu viel Schaden wurde angerichtet. Wenn sich das abwenden lässt, indem queere Menschen die queeren Rollen bekommen, sollte das für eine gewisse Zeit eben so gemacht werden. Letztlich heißt das langfristige Ziel natürlich, dass jede und jeder alles spielen kann.

Was wäre dein Ratschlag für Kinogänger? Warum sollte man "Minjan" anschauen, abgesehen davon, dass man dich mit freiem Oberkörper und barfuß in Jeans erleben kann.

(lacht) Man sollte "Minjan" anschauen, um zu erleben, dass es auch eine Lautstärke in der Stille geben kann. Es ist ein schönes Porträt von Dingen, die nicht ausgesprochen werden. Es geht um einen jungen Mann, der sich selbst findet – das ist etwas, was wir in der aktuellen Lage alle gut gebrauchen können.

Direktlink | Offizieller deutscher Trailer
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Infos zum Film

Minjan. Drama. USA 2020. Regie: Eric Steel. Darsteller*innen: Samuel H. Levine, Ron Rifkin, Christopher McCann, Mark Margolis, Richard Topol, Brooke Bloom, Alex Hurt. Laufzeit: 118 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Edition Salzgeber. Im Februar 2021 in der queerfilmnacht online sowie über die Seiten der Partnerkinos.

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