Nach seiner eigenen, mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Serie "Beat" und dem erfolgreichen Kinofilm "Der Fall Collini" streckte Regisseur Marco Kreuzpaintner seine Fühler mal wieder Richtung Ausland aus. Nun ist bei Amazon Prime Video die neue Serie "Soulmates" zu sehen, für die er zwei von sechs Episoden inszeniert hat.
Wir konnten dem gebürtigen Rosenheimer, der inzwischen in London lebt und aktuell mit "Extinction" schon die nächste Serie dreht, aus diesem Anlass ein paar Fragen stellen – und kamen dabei natürlich auch auf mögliche Veränderungen für queere Schauspieler*innen in der deutschen Filmbranche zu sprechen.
Marco Kreuzpaintner verarbeitete sein eigenes Coming-out im 2004 veröffentlichten Drama "Sommersturm" (Bild: Krd / wikipedia)
Herr Kreuzpaintner, "Soulmates" ist eine US-Produktion, geschrieben von zwei britischen Autoren. Wie sind Sie überhaupt an diesen Job gekommen?
Selbst wenn das nicht mein eigenes Projekt ist wie zum Beispiel "Beat", war "Soulmates" mehr für mich als ein Job. Eine solche Aufgabe nimmt man ja immer auch an, weil man etwas darin findet, das mit einem selbst zu tun hat oder einem gefällt. Die Serie war eines von vielen internationalen Angeboten, die ich bekommen habe. Und weil ich in den Drehbüchern etwas gesehen habe, was mich angesprochen hat, habe ich nach einem Treffen mit den beiden Autoren und den Produzenten sofort zugesagt.
Sie haben gezielt nach Aufgaben jenseits der deutschen Branche gesucht?
Ja, auch. Dass ich vor zwei Jahren meinen Lebensmittelpunkt nach London verlegt habe, lag nicht nur an meinem neuen Freund, sondern auch daran, dass ich vermehrt international arbeiten wollte. Deswegen habe ich auch eine englische und eine amerikanische Agentur, die mich vertreten. Tatsächlich bekomme ich international aufgrund von "Beat" und "Der Fall Collini" relativ viele große Angebote, während sich das in Deutschland eher in Grenzen hält.
Ist nicht aber der kreative Einfluss deutlich kleiner, wenn man – wie bei "Soulmates" – nur einer von mehreren Regisseur*innen ist?
In diesem Fall war das nicht so, da das eine Anthologie-Serie ist. Jede Folge ist in sich abgeschlossen und hat dementsprechend einen eigenen Stil. Also hatte ich innerhalb meiner beiden Episoden zum Glück großen kreativen Freiraum. Deswegen habe ich auch zugesagt. Mich einfach nur anheuern lassen und irgendetwas ausführen, was andere Leute mir sagen? Das könnte ich nicht.
Konnten Sie sich aussuchen, welche beiden Folgen Sie inszenieren?
Nein, die wurden mir beide konkret so angeboten. In der einen geht es um Polyamorie inklusive Bisexualität oder Queerness, und die andere ist eine schwule Liebesgeschichte. Kann schon sein, dass da auch die Überlegung hinter steckte, dass man genau für diese beiden Folgen eben gerne einen schwulen Regisseur haben wollte. In England und den USA wird inzwischen ja sehr viel mehr darüber nachgedacht, wen man welche Geschichten erzählen lässt, vor und hinter der Kamera. Da ist der Wille zur Diversität sehr viel größer als in Deutschland. Aber auch bei uns tut sich hoffentlich langsam etwas. Zumindest habe ich in den letzten Jahren immer wieder versucht, eine Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, wie rückständig das in Deutschland oft noch ist.
Kreuzpaintner führte auch in der dritten "Soulmates"-Folge "Little Adventures" Regie, in der Polyamorie thematisiert wird (Bild: AMC)
Entsprechend achten auch Sie darauf, beispielsweise nicht nur heterosexuelle Schauspieler*innen zu besetzen, richtig?
Na klar. Die Casterin und ich hatten zum Beispiel die Idee, eine der beiden Hauptrollen in der Episode "Layover" mit Nathan Stewart-Jarrett zu besetzen, der offen schwul ist. Mir ist es sehr wichtig, dass queere Rollen auch von queeren Schauspielern gespielt werden sollen und dürfen. Wobei das nicht das allein ausschlaggebende Kriterium sein sollte und es auch keine umgekehrte Diskriminierung geben sollte. Genauso wie Schwule auch Hetero-Rollen spielen sollen, müssen wir nicht alle schwulen Rollen mit Gays besetzen. Aber es gibt eben einigen Nachholbedarf, weil ja viele Jahre lang die Atmosphäre so war, dass queere Schauspieler*innen sich nicht getraut haben, sich zu outen. Aus dem guten Grund, dass sie dann keine Rollen mehr kriegen. Und eben noch nicht einmal für die queeren Rollen gecastet wurden.
Was ja wirklich paradox erscheint…
Hat aber natürlich auch damit zu tun, dass es so wenig queere Figuren in den Geschichten gab. Wenn's mal eine schwule Rolle gab, war das eine besondere – und dafür wurde dann ein heterosexueller, etablierter Schauspieler genommen. Weil es ja offen schwule Stars auch gar nicht gab. Das war ein Teufelskreis. Von daher finde ich es so wichtig, bei der Besetzung aufmerksam zu sein.
Als kürzlich Jannik Schümann auf Instagram sein mediales Coming-out hatte, nannten Sie das "einen großen Schritt auch für die gesamte deutsche Filmbranche". Warum ist man denn hierzulande so sehr im Rückstand, was Offenheit und Möglichkeiten für queere Schauspieler*innen betrifft?
Ich kann's Ihnen nicht sagen. Aber im Grunde ist es ähnlich wie in Fragen von Rassismus und etwa dieser Talkshow-Runde "Die letzte Instanz", die gerade diskutiert wurde. Es gibt in Deutschland eine gewisse Form von weißer heterosexueller Arroganz, die glaubt, dass es eine Diskriminierung von queeren Menschen und Menschen anderer Hautfarbe nicht gibt. Da gibt es also schon in der Denkweise einen Rückstand, der wahnsinnig schwer aufzuholen ist. Das können wir nur abbauen, wenn wir das Thema immer wieder angehen – und dann auch die Leute mitdiskutieren dürfen, die es betrifft und die dazu etwas zu sagen haben. Denn ganz ehrlich: Was hat Thomas Gottschalk zu Rassismus zu sagen? Es ist absurd, ein Thema den Menschen zu überlassen, die in gewisser Weise überhaupt dafür verantwortlich sind. Und damit meine ich jetzt natürlich nicht Gottschalk persönlich. Aber es wurde eben ein Klima geschaffen, in dem so etwas – außer um darüber zu witzeln – nicht zur Sprache kommt. In der arroganten Annahme, dass wir längst weiter seien.
Und ein Coming-out wie das von Schümann kann da etwas verändern?
Auf jeden Fall. Er ist ja wirklich der erste prominente junge deutsche Schauspieler, der gerade gut im Geschäft ist, der diesen Schritt geht. Obwohl es in den letzten Jahren auch schon den einen oder anderen Kandidaten gegeben hätte, bei denen man sich fragt, warum so etwas nicht stattgefunden hat. Da merkt man, wie fucked up die Psyche von uns allen in der LGBTI-Community sein muss, dass so viele diesen Schritt immer noch nicht gehen können und wir so etwas heutzutage noch feiern müssen.
Für mich war es als junger Regisseur beim Film "Sommersturm" überhaupt gar keine Frage, dass ich offen mit meinem Schwulsein umgehen muss. Und ich würde schon sagen, dass ich damit und mit dem Film in gewisser Weise ein Vorreiter war. Davor gab's Rosa von Praunheim und den Film "Coming Out", sehr viel mehr war da nicht. Außer Fassbinder, der sein Leben lang behauptet hat, bisexuell zu sein.
Trotzdem sind Sie optimistisch, dass sich jetzt etwas ändert?
Ja, ich denke, dass sich etwas ändern kann. Aber nur, wenn wir weiterhin ganz penetrant und selbstbewusst sagen, dass das nötig ist und wir offen mit all diesen Fragen umgehen. Im Übrigen wäre es auch zu begrüßen, wenn wir auch einmal darüber sprechen, welche psychischen Folgen und seelischen Schäden junge queere Menschen in Deutschland davontragen. Einfach weil sie in einer Atmosphäre aufwachsen, in der sie von vornherein wissen, dass sie womöglich nicht akzeptiert werden und medial kaum vorkommen. In England etwa wird mit mentaler Gesundheit und Psychotherapie in diesem Kontext viel offener umgegangen.
Eine letzte Frage noch mit Blick auf "Beat", wofür Sie damals den Grimme-Preis bekommen haben: Wie enttäuscht waren Sie, dass es trotzdem keine zweite Staffel gab?
Damals hätte ich ehrlich gesagt schon Bock auf eine zweite Staffel gehabt. Im ersten Moment hat mich die Absetzung deswegen schon gewurmt, gerade nachdem wir den Grimme-Preis bekommen hatten und mein Hauptdarsteller Jannis Niewöhner für den International Emmy nominiert wurde. Aber im Nachhinein bin ich ganz froh, dass es dazu nicht gekommen ist. Denn das hat mir eben die internationale Karriere ermöglicht, die ich gerade verfolge. Dass jemand wie Ridley Scott auf mich zugekommen ist, der mich treffen wollte und mir sagte, dass "Beat" neben "Fleabag" und "Roma" seine Lieblingsproduktion – das war schon beeindruckend. Gerade auch, weil man in Deutschland ja oft ein bisschen stiefmütterlich umgeht mit Leuten, die etwas internationaler denken und über den Tellerrand hinausgucken. Inzwischen schreibe ich sogar eine Serie, die Ridley Scotts Firma für mich produzieren wird. Von daher trauere ich "Beats" nicht hinterher. Onwards, wie man in England sagt.
Links zum Thema:
» "Soulmates" bei Amazon Prime Video
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
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eine gleichstellung aller sexualitaeten ware schoen.
Schon beim 'schnitt' der Filme die Maener nur von dem Guertel bevorzugt aufwaertz gezeigt werden.
Frauen dagen oefters 'Full Frontal' und so geht es ueberall weiter.....
wir muessen noch einen weiten weg gehen, der Gay Mensch oefters nur als sehr Femenin Stereotyp gezeigt dabei ist da eine vielfalt von Menschen!