Justin Fashanu galt als Fußball-Wunderkind – seine Homosexualität wurde aber im homophoben Klima der Achtzigerjahre nie akzeptiert
Justin Fashanu galt Anfang der Achtzigerjahre als eine der größten Fußballhoffnungen in England: Der am 19. Februar 1961 geborene Sohn eines nigerianischen Anwalts und einer guyanesischen Krankenschwester war 1981 der erste schwarze Fußballer, für den eine Ablösesumme von mehr als einer Million Pfund gezahlt wurde. Damals wechselte er von Norwich City zu Nottingham Forrest, zu diesem Zeitpunkt eines der besten Teams der ersten englischen Liga.
Doch der damals 20 Jahre alte Nachwuchsstar hatte ein Geheimnis: Er war schwul. Die negativen Reaktionen auf seine sexuelle Orientierung sollte ihm eine große Karriere verwehren – und trugen wohl auch zu seinem Selbstmord im Frühjahr 1998 bei.
Nach seinem Wechsel nach Nottingham besuchte er heimlich Schwulenbars. Als sein Trainer Brian Clough, ein Homo-Hasser alten Schlages, von den Besuchen Wind bekam, beschimpfte er seinen Jungstar zunächst als "bloody poof" (verdammte Schwuchtel) und nahm ihn dann aus dem Kader. Als Fashanu trotzdem zum Training kam, soll Clough ihn sogar geschlagen und die Polizei gerufen haben. Erst 2004 sollte Clough in seiner kurz vor seinem Tod erschienenen Autobiografie zugeben, dass er eine Mitschuld am Suizid Fashanus trug.
Fashanu betete gegen Homosexualität an – erfolglos
Nach den Vorfällen mit Clough war Fashanu nicht mehr der alte – hinzu kamen mehrere Verletzungen. Er versuchte unter anderem, seine Homosexualität zu unterdrücken. So wurde er zum wiedergeborenen Christen, der in Gebeten darum bettelte, endlich heterosexuell zu werden. Während der Achtzigerjahre spielte er in mehreren wenig erfolgreichen Teams in England, den USA und Kanada.
Im Oktober 1990 outete er sich schließlich als schwul, nachdem die niederträchtige englische Boulevardpresse von seiner sexuellen Orientierung Wind bekam und mit einem Outing drohte. Danach, so berichtete er später, musste er sich ständig "Witze" seiner Mitspieler und homophobe Sprechchöre der Fans anhören. Teile seiner Familie – etwa sein Bruder John – wandten sich öffentlich von ihm ab. Noch 14 Jahre nach dem Tod von Justin behauptete John etwa, dass sein Bruder in Wirklichkeit nicht schwul gewesen sei, sondern nur Aufmerksamkeit gewollt habe.
Fashanus Freitod Ende der Neunzigerjahre ging ein viel publizierter Skandal voraus: Als er im US-Bundesstaat Maryland arbeitete, beschuldigte ihn ein 17-Jähriger eines sexuellen Übergriffs. Der Junge soll demnach nach einer Partynacht aufgewacht sein, als Fashanu ihn gerade befriedigte. In dem Bundesstaat galt damals nicht nur ein Schutzalter von 18 Jahren, homosexueller Verkehr war durch ein sogenanntes "Sodomy Law" ebenfalls verboten. Dem Fußballer drohten laut einer Anklage 20 Jahre Haft. Fashanu floh nach England und erklärte, er könne als schwuler Mann in den USA kein faires Verfahren erwarten. Ohnehin habe ihn die Presse bereits schuldig gesprochen. Als Fashanu hörte, dass er per internationalem Haftbefehl gesucht werde, erhängte sich der gerade einmal 37-Jährige in einer Garage in London.
Fashanu ist immer noch der einzige offen schwule Profi
Inzwischen tun die internationalen Fußballverbände zwar mehr, um gegen Homophobie im Sport vorzugehen. In England hat sich aber nach Fashanu nie wieder ein aktiver Profi als schwul geoutet – in deutschen Profiligen gab es ein derartiges Coming-out noch nie. Vizeeuropameister Thomas Hitzlsperger sprach erst nach dem Ende seiner Karriere öffentlich über seine sexuelle Orientierung (queer.de berichtete).
In England erinnern viele Prominente anlässlich seines 60. Geburtstags an das Schicksal Fashanus. LGBTI-Aktivist Peter Tatchell schrieb etwa auf Twitter, dass er Anfang der Achtzigerjahre mit Fashanu befreundet gewesen sei. "Ich habe mitangesehen, wie Homophobie die Karriere vom ersten schwarzen Eine-Million-Pfund-Fußballer in Großbritannien kaputt gemacht hat", erklärte er.
Inzwischen gibt es auch eine "Justin Fashanu Foundation", die Homophobie im Sport bekämpft. Sie wurde von Amal Fashanu, der Nichte des Fußballers, gegründet. Die Journalistin produzierte bereits 2013 für einen kleinen BBC-Digitalsender die Doku "Britain's Gay Footballers", in der sie die Leidensgeschichte ihres Onkels aufarbeitete.
Der Fashanu-Geburtstag fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der in Deutschland wieder vermehrt über schwule Fußballer diskutiert wird: Im Magazin "11 Freunde" haben diese Woche 800 Aktive in den Profligen schwule Kollegen ermutigt, sich zu outen, und ihnen ihre Unterstützung angeboten (queer.de berichtete). Gleichzeitig wurde bekannt, dass Philipp Lahm, der Kapitän der Deutschen Fußballnationalmannschaft im Weltmeisterjahr 2014, schwulen Profis in seinem neuen Buch vom Coming-out abrät, weil im Fußball Homosexualität immer noch nicht akzeptiert werde (queer.de berichtete).
Hilfsangebote bei SuizidgedankenEine generelle Notfall-Seelsorge für Menschen mit Suizidgedanken ist unter der kostenlosen Nummer 0800 111 0 111 zu erreichen (für Kinder und Jugendliche gibt es auch die kostenlose "Nummer gegen Kummer" unter 116 111).
Für Kinder und Jugendliche, die in Deutschland Schwierigkeiten rund um ihr Coming-out haben, gibt es zahlreiche LGBTI-Jugendgruppen und -zentren, die ebenso Beratung bieten wie Kontaktmöglichkeiten zu Gleichgesinnten. Auch mehrere Webseiten, etwa
dbna (Du bist nicht allein) oder die des bundesweiten
Jugendnetzwerks Lambda, richten sich gezielt an junge Schwule und Lesben.
Hilfsangebote bei sexuellem Missbrauch listet diese
Seite auf.
Verein, Mitspieler, Trainer, Gegenspieler, Presse und Fussballfans diskriminieren und mobben einen Menschen nach dessen Outiing in den Tod.
1900 - 2020:
Als Gegenmaßnahme auf Hass, verbale und nonverbale Gewalt, Rassismus und Homophobie hat die europäische Fussballgemeinschaft folgende, bahnbrechende Korrekturen und Entscheidungen getroffen: ...
2021:
Weltmeister, Vorbild, Idol und Funktionär der kommenden EM, Philipp Lahm, prophezeit homosexuellen Spielern gleichwertige Szenarien wie 1990, sollten sie seinen Rat nicht befolgen und so irre sein, Verein, Mitspielern, Trainern, Gegenspielern, Presse und Fussballfans mitzuteilen, wer sie sind.