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Neuer Kulturkampf
USA: Katholische Kirche und Republikaner gegen LGBTI-Gleichbehandlung
Die US-Demokraten wollen mit ihrer knappen Mehrheit endlich queere Menschen bundesweit vor Diskriminierung schützen – und müssen sich gegen erbitterten Widerstand wehren.

Ben Schumin / flickr) Im US-Kongress geht es einen Monat nach der Amtseinführung von Joe Biden wieder um LGBTI-Rechte (Bild:
24. Februar 2021, 14:28h 4 Min. Von
Kommt die US-Version eines Gleichbehandlungsgesetzes für queere Menschen? Das amerikanische Repräsentantenhaus soll am Donnerstag über den sogenannten "Equality Act" abstimmen. Dabei handelt es sich um ein Gesetz, das Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität im Arbeits- und Zivilrecht untersagen würde. Es war vergangene Woche unter anderem vom offen schwulen Abgeordneten David Cicilline aus Rhode Island eingebracht worden.
Twitter / SpeakerPelosi | Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi aus San Francisco gilt als große Fürsprecherin für den "Equality Act"Our nation was founded on the promise that all are created equal and are worthy of dignity & respect. By reintroducing the Equality Act, we are making a commitment to this truth: that all Americans must be treated equally under the law. #EqualityAct https://t.co/ORm52SU2wF https://t.co/zJ8g7kwLF4
Nancy Pelosi (@SpeakerPelosi) February 18, 2021
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LGBTI-Aktivist*innen werben bereits seit Jahrzehnten für eine derartige Reform, scheiterten aber immer wieder an der politischen Gesamtwetterlage. Nachdem die LGBTI-freundlichen Demokraten bei den Wahlen 2020/21 das Präsidentenamt und beide Kammern des Parlaments erobert haben, gelten nun die Chancen besser als je zuvor. Auch Präsident Joe Biden hat seine Unterstützung angekündigt. Noch ist aber lange nicht ausgemacht, dass das Gesetz auch durchkommt.
Katholische Kirche fordert Gläubige zum Widerstand auf
Widerstand gibt es von großen Teilen der Republikanischen Partei und insbesondere auch von religiösen Akteur*innen, allen voran der katholischen Kirche. Die US-Bischofskonferenz startete etwa eine Kampagne, um das Gleichbehandlungsgesetz zu verhindern. Sie forderte Gläubige auf, ihren Abgeordneten zu schreiben, um das angeblich gegen die "Religionsfreiheit" gerichtete Gesetz zu verhindern. Außerdem verbreiteten sie die Verschwörungstheorie, dass die Gleichbehandlung von LGBTI durch die Hintertür zu mehr Abtreibungen führen würde. Insbesondere klagten die Bischöfe, dass katholische Organisationen nicht mehr guten Gewissens ihre Arbeit tun könnten. Sie befürchten etwa, dass staatlich geförderte katholische Adoptionsagenturen nicht mehr gleichgeschlechtliche Paare wegen ihrer sexuellen Orientierung ablehnen dürfen.

So versucht die katholische Bischofskonferenz, ihre Schäfchen gegen das Gleichbehandlungsgesetz aufzuwiegeln (Bild: USCCB)
Die Bischofskonferenz nutzt als Argumentationshilfe auch die augenblicklich um sich greifende Trans-Panik, die gerade von den Republikanern verbreitet wird (queer.de berichtete). Während vor 20 Jahren LGBTI-Gegner*innen Homosexuelle als Gefahr ansahen und in mehreren Staaten Ehe-Verbote für Schwule und Lesben in Landesverfassungen festgeschrieben wurden, werden heute insbesondere sportbegeisterte trans Menschen geschmäht. Am meisten zeigen sich LGBTI-Gegner*innen über trans Schülerinnen im Schulsport besorgt, die zu einer Gefahr für "biologische Mädchen" hochstilisiert werden. Auch die katholische Bischofskonferenz warnt in ihrer Petition davor, dass "Mädchen und Frauen gezwungen werden könnten, gegen Jungs Sport zu machen".
Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, der neue Superstar der trumptreuen Ultra-Rechten, stößt ins gleiche Horn. Sie behauptet etwa auf Twitter, dass das Gesetz "Frauenrechte, religiöse Rechte und die Rechte des Ungeborenen zerstört".
Twitter / RepMTGThe Democrats' so-called "Equality" Act expands governmental regulatory reach that destroys womens rights, religious rights, and rights of the unborn.
Rep. Marjorie Taylor Greene (@RepMTG) February 23, 2021
Today, I've filed three America First amendments to protect girls, churches, and believers. pic.twitter.com/wpgtLdWM2i
Im Repräsentantenhaus gilt trotz des Widerstands als sicher, dass das Gesetz durchkommen wird. In dieser Kammer wurde es bereits 2019 beschlossen – mit den Stimmen aller Demokratinnen und Demokraten (queer.de berichtete). Der damals republikanisch geführte Senat lehnte es jedoch ab, über das Gleichbehandlungsgesetz auch nur zu debattieren.
Twitter / Heritage | Konservative versuchen, das Gesetz als Attacke zu bezeichnen, die den Menschen "neue Ideologien" aufzwingtThe #EqualityAct would be used as a sword to attack people and force them to adopt new ideologies about human sexuality.
Heritage Foundation (@Heritage) February 23, 2021
Tonight, @EmilieTHF will join @seanspicer on @newsmax to discuss: https://t.co/bSiWXDYsax
Twitter / SenCortezMasto | Demokratische Politiker*innen versuchen hingegen, die Öffentlichkeit vom Antidiskriminierungsgesetz zu überzeugen#LGBTQ Americans face discrimination everywhere: in housing, classrooms, and the workplace. I support the #EqualityAct because it would establish explicit protections for LGBTQ individuals.
Senator Cortez Masto (@SenCortezMasto) February 23, 2021
We need to pass the #EqualityAct now. pic.twitter.com/GeIn17Dhsn
Inzwischen verfügt die Demokratische Fraktion im Senat über eine hauchdünne Mehrheit. Sie hat zwar wie die Republikanische Fraktion 50 Mitglieder, bei einem Gleichstand entscheidet jedoch mit Vizepräsidentin Kamala Harris eine Demokratin. Allerdings müssen in dieser Kammer Gesetze in der Regel mit 60 Stimmen beschlossen werden, um einen "Filibuster", also eine Blockade der Minderheitenfraktion, zu verhindern. Unklar ist, ob diese Supermehrheit möglich ist: Zwar gibt es einige Republikaner*innen, die ihre Unterstützung zeigen – Senatorin Susan Collins aus Maine war 2019 sogar Co-Sponsorin des "Equality Act". Allerdings lehnen selbst viele andere als moderat geltende Republikaner*innen den Diskriminierungsschutz ab. Zu ihnen zählt etwa Trump-Gegner Mitt Romney, der gegenüber dem Szenemagazin "Washington Blade" die "Religionsfreiheit" als Grund für seine Ablehnung nannte.
USA haben lange Antidiskriminierungstradition
Die USA verfügen eigentlich über ein starkes Antidiskriminierungsrecht, das Jahrzehnte vor dem deutschen Gleichbehandlungsgesetz beschlossen wurde. Bereits 1964 trat etwa der "Civil Rights Act" in Kraft, mit dem Diskriminierung aufgrund von "Rasse", Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder nationaler Herkunft verboten wurde. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität werden darin nicht ausdrücklich erwähnt – manche Gerichte sahen aber in den letzten Jahren LGBTI-Diskriminierung als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes an. Überraschend entschied auch der Oberste Gerichtshof vergangenes Jahr in diesem Sinne, dass LGBTI-Diskriminierung am Arbeitsplatz verboten sei (queer.de berichtete). Das neue Gesetz würde dies nun ausdrücklich bestätigen und auch in anderen Bereichen – etwa Diskriminierung beim Zugang zu Mietwohnungen – sexuelle und geschlechtliche Minderheiten schützen.
Mehrere US-Staaten haben bereits auf regionaler Ebene Antidiskriminierungsgesetz eingeführt, die die Merkmale sexuelle Orientierung und teilweise auch Geschlechtsidentität beinhalten. Laut Human Rights Campaign haben aber 27 der 50 Staaten, in denen 165 von 330 Millionen Einwohner*innen des Landes leben, überhaupt keine Antidiskriminierungsgesetze erlassen. Immer wieder gibt es Berichte, dass homophobe Arbeitgeber dort LGBTI nach Gutdünken feuern.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes würde auch der seit Jahren schwelende Streit über Hochzeitsblumen oder Hochzeitstorten beendet werden. In der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über christliche Konditoreien, die es aus religiösen Gründen ablehnten, Hochzeitstorten oder anderes Gebäck für homosexuelle Paare bereitzustellen (queer.de berichtete). Würde der "Equality Act" in Kraft treten, dürften sie dies nicht mehr tun – wie sie auch seit knapp 57 Jahren nicht mehr Hochzeitstorten für "gemischtrassische" Hochzeitspaare ablehnen dürfen; diese Ehen zwischen einer weißen und einer (andersgeschlechtlichen) schwarzen Person hielt die Mehrheit der Menschen in den konservativ-protestantischen Südstaaten bis in die Sechzigerjahre für unbiblisch.

Die Kirche verlangt immer, dass der Staat ihnen nicht reinredet. Aber umgekehrt, mischen die sich immer in staatliche Entscheidungen ein.
Das zeigt nur wieder mal den totalitären Geist der Kirche. Die wollen, dass sich alle nach ihnen zu richten haben und sich bedingungslos unterwerfen, selbst diejenigen, die dort gar nicht Mitglied sind.
Das ist der Geist des Faschismus.