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Kassel

Kutschera in zweiter Instanz freigesprochen

Der Biologe war wegen Volksverhetzung angeklagt – in einem Interview hatte er unter anderem die Ehe für alle als "staatlich geförderte Pädophilie" bezeichnet.


Kutschera bei einer AfD-Veranstaltung in Kiel 2019 zu "Gender-Theorie und Gender Mainstreaming" – der Professor hat sich zu einem der führenden anti-queeren Aktivisten Deutschlands entwickelt

  • 2. März 2021, 17:34h 28 2 Min.

Der umstrittene Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera, der in einem Interview gegen Schwule und Lesben gehetzt hatte, ist am Dienstag vom Kasseler Landgericht nach drei Verhandlungstagen von entsprechenden Vorwürfen juristisch freigesprochen worden. Die Kammer hob das Urteil des Amtsgerichts wegen Beleidigung auf, wie ein Gerichtssprecher der Nachrichtenagentur AFP sagte. Die Staansanwaltschaft hatte den 66-Jährigen wegen Volks­verhetzung, Beleidigung und Verleumdung angeklagt, weil er im Juli 2017 in einem Interview mit kath.net homo­sexuellen Menschen eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern attestiert hatte (queer.de berichtete).

In erster Instanz war der Professor der Universität Kassel vergangenen August zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden (queer.de berichtete). Dagegen legte er fast sofort Berufung ein. Auch die Staatsanwaltschaft war mit dem Urteil, das nur den Vorwurf Beleidigung anerkannte, nicht zufrieden.

Unter anderem hatte Kutschera in dem Interview erklärt: "Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen." An anderer Stelle sprach er bei Homo-Männerpaaren mit Adoptivsohn von einem möglichen "Horror-Kinderschänder-Szenario".

Die Anklage warf Kutschera vor, zumindest billigend in Kauf genommen zu haben, dass seine Ausführungen dazu bestimmt waren, Homosexuelle im Allgemeinen und gleichgeschlechtliche Paare im Besonderen in ihrem Ansehen gegenüber heterosexuellen Mitmenschen als ungleichberechtigte Personen herabzuwürdigen und zu verletzen. Das gelte insbesondere durch die Bezugnahme auf angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse.

Dieser Argumentation folgte das Landgericht nicht. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wies das Landgericht Kassel mit seiner Entscheidung am Dienstag zurück. Details zur Begründung und Rechtsgültigkeit des Urteils wurden zunächst nicht bekannt.


In dem kath.net-Artikel warb Ulrich Kutschera für eine Beibehaltung des Ehe-Verbots für Schwule und Lesben: "Der Staat hat nichts davon, wenn er sterile Homo-Pärchen privilegiert." Er schrieb unter anderem, dass Kinder der "übersteigerten Elternliebe" schwuler Männer "schutzlos ausgeliefert" seien. Zudem behauptete er: "Da lesbische Frauen in verstärktem Maße zur Pädophilie neigen, ergeben sich dort analoge Probleme." Kinder aus Regenbogenfamilien nannte er "bemitleidenswert" und warnte vor "widernatürlicher Früh-Sexualisierung", die er "als geistige Vergewaltigung Schutzbefohlener interpretiere"

Kutschera, der im Kuratorium der AfD nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sitzt, hatte sich in den letzten Jahren mit immer neuen Aussagen gegen Homo- und Transsexuelle, etwa im Portal "Freie Welt" der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und ihres Ehemanns, als antiqueerer Aktivist betätigt. Auch die Verhandlungstermine nutze er zu Stimmungsmache mit vermeintlich "wissenschaftlichen Belegen". Die Gerichte hörten zugleich Zeugen, die sich durch Kutscheras Interview-Aussagen herabgesetzt fühlten.

Wie an den letzten Verhandlungstagen protestierten vor dem Gerichtssaal mehrere Dutzend Studierende in einer unter anderem vom Autonomen Queer*-Referat der Kasseler Universität organisierten Mahnwache. (nb/afp)

#1 LegatEhemaliges Profil
#2 PeerAnonym
  • 02.03.2021, 18:24h
  • Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft in die nächste Instanz geht, denn das Amtsgericht hat ja gezeigt, dass man das auch anders sehen kann.
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#3 NonBinaryEhemaliges Profil
  • 02.03.2021, 18:54h
  • "Die Gerichte hörten zugleich Zeugen, die sich durch Kutscheras Interview-Aussagen herabgesetzt fühlten."

    Das ist eine grundsätzliche Krux in unserer Gesellschaft: eine objektiv erfolgte Herabsetzung führt aus Sicht des Mainstreams dazu, dass sich "einzelne" herabgesetzt "fühlen" könnten.

    Dazu schrieb der Blogger zaunfink schon 2014:
    "Der Mimosen-Vorwurf
    Es tut mir leid, wenn sich jemand verletzt gefühlt hat. Die objektiv getätigte Beleidigung wird so in ein rein subjektives Gefühl umgedeutet. Die Botschaft: Obwohl gar nichts Schlimmes passiert ist, fangen diese überempfindlichen Tucken schon wieder an, weinerlich rumzuzicken. Achten Sie auf die Details: unbedingt wenn, nicht etwa dass! Wenn verschiebt gekonnt die objektive Realität in das Reich des abstrakt Möglichen: Gibt es denn überhaupt wirklich ein Problem?"

    derzaunfink.wordpress.com/2014/06/17/krokodilstranen-eine-ha
    ndreichung-fur-den-tag-danach/


    Wobei der zaunfink sich wenigstens noch auf gängige Pseudo-Entschuldigungs-Strategien bezieht. Kutschera hingegen ist offenbar derart von sich selbst überzeugt, dass er nicht mal das in Betracht zieht. Naja, wenigstens ist das ehrlich. Besser macht's das Ganze nicht.

    Was die Einschätzung der deutschen Justiz betrifft, schließe ich mich @Legat (#1) an.
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