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Streit um "Identitätspolitik"

Wolfgang Thierse bietet SPD-Chefin seinen Parteiaustritt an

Der ehemalige Bundestagspräsident ärgert sich über die deutliche Distanzierung der SPD-Parteispitze von seinen queerfeindliichen Positionen – und fordert nun in einem Brief an Saskia Esken Klarheit.


Wolfgang Thierse war von 1990 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Zur Zeit der rot-grünen Koalition war er auch Bundestagspräsident, hatte also protokollarisch das zweithöchste Amt der Bundesrepublik inne (Bild: Christliches Medienmagazin pro / flickr)

Der Streit um den Einsatz für LGBTI- und Minderheitenrechte in der SPD eskaliert. In einem am Dienstag bekanntgewordenen Brief an die SPD-Vorsitzende Saskia Essen hat der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse seinen Parteiaustritt zur Debatte gestellt. Er bitte darum, ihm öffentlich mitzuteilen, ob sein "Bleiben in der gemeinsamen Partei weiterhin wünschenswert oder eher schädlich" sei, zitieren u.a. der "Tagesspiegel" und die "Welt" aus dem Schreiben.

Thierse reagierte damit auf eine von queer.de am 28. Februar öffentlich gemachte Einladung der SPD-Spitze an ausgewählte LGBTI-Aktivist*innen zu einem Online-Gespräch am 11. März. Ohne ihn namentlich zu erwähnen, hatten sich Esken und ihr Stellvertreter Kevin Kühnert in ihrer E-Mail von den Positionen des 77-Jährigen distanziert. "Aussagen einzelner Vertreter*innen der SPD zur sogenannten Identitätspolitik, die in den Medien, auf Plattformen und parteiintern getroffen wurden", zeichneten "insbesondere im Lichte der jüngsten Debatte ein rückwärtsgewandtes Bild der SPD, das Eure Community, Dritte, aber eben auch uns verstört", hieß es in dem Einladungsschreiben.

Thierse fühlt sich als Heterosexueller diskriminiert

Wolfgang Thierse hatte Ende Februar, kurz nach dem misslungenen "Jour Fixe" von SPD-Grundwertekommission und -Kulturforum, in einem FAZ-Beitrag Grenzen für "Vielfalt und Anderssein" gefordert ("Identitätspolitik darf nicht zum Grabenkampf werden") und sich einen Tag später nach heftiger Kritik beklagt, dass er sich als Heterosexueller diskriminiert fühle und Opfer einer "Cancel Culture" sei.

Er sei bestürzt darüber, dass er von der Haltung der Parteispitze aus dem "SPD Medien- und Informationsdienst" erfahren habe, beklagte sich der ehemalige Bundestagspräsident in seinem Brief an Saskia Esken. Er selbst sei sich nun nicht mehr sicher, ob er noch das richtige Parteibuch habe: "Mir jedenfalls kommen Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von mir distanzieren."

In seinem Essay für die FAZ habe er doch nur versucht, "zu Mäßigung zu mahnen und verstärkte Anstrengungen auf das Gemeinsame und Verbindende einer mehr denn je pluralen, diversen Gesellschaft zu richten", verteidigte sich Thierse. "Ich meinte, dies sei gut sozialdemokratisch." (cw)

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    Ergebnis der Umfrage vom 01.03.2021 bis 08.03.2021
#1 LegatEhemaliges Profil
  • 03.03.2021, 08:04h
  • "In seinem Essay für die FAZ habe er doch nur versucht, "zu Mäßigung zu mahnen und verstärkte Anstrengungen auf das Gemeinsame und Verbindende einer mehr denn je pluralen, diversen Gesellschaft zu richten", verteidigte sich Thierse. "Ich meinte, dies sei gut sozialdemokratisch.""

    Klar, Herr Thierse, Gemeinsamkeiten der Mehrheit im verbindenden Wunsch nach Herabsetzung von Minderheiten zu finden, ist definitiv gut sozialdemokratisch.

    Oder vielleicht doch nicht? Hier bietet sich der SPD eine historische Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und endlich mal wieder klar zu ihren soeben gemachten Versprechen zu stehen.

    Ich vermute jedoch, dass es eher zu weiteren hunderttausend ergebnisoffenen Diskursen kommt, als dass die SPD endlich mal wieder zu dem steht, wofür sie angeblich stehen will.
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#2 NonBinaryEhemaliges Profil
  • 03.03.2021, 08:17h
  • "Mir jedenfalls kommen Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von mir distanzieren."

    MIR jedenfalls kommen Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der SPD-Grundwertekommission von mir distanzieren.

    ***

    Irgendwie hat sein jetziges Verhalten was von beleidigter Leberwurst. Hoffentlich fällt niemand auf diese Tour rein - und hoffentlich lässt man ihn ziehen. Wenn das allerdings wirklich passiert, muss ich nach sehr langer Zeit mal wieder nen Besen fressen. Mein Restvertrauen in die SPD hat sich pulverisiert.
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#3 goddamn liberalAnonym
  • 03.03.2021, 08:21h
  • Antwort auf #1 von Legat
  • Na ja, wenn ich den Fall Thierse (und vorher den Fall Sarrazin) mit dem Fall Palmer bei den hypermoralischen Grünen vergleiche, dann sehe ich schon, wo eher Selbstkritik vorhanden ist:

    Bei der ollen Tante SPD und nicht bei der Partei der dauerbetroffenen Bürgererb*innen.

    Nebenbei: Palmer steht im vollen Saft, Thierse ist ein Pensionär.
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#4 MagbumAnonym
  • 03.03.2021, 08:48h
  • Lieber Herr Thierse, nicht fragen. Sie sollten den Schritt einfach wagen. Da fällt mir ein, nehmen Sie doch bitte den Magdeburger Noch-OB Trümper gleich mit. Dieser hat schon in Sachen Parteiaustritt Erfahrung. Das wäre dann sein zweiter Austritt. Ich drücke gleich beide Daumen.
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#5 PeerAnonym
  • 03.03.2021, 08:51h
  • Ich glaube zwar, dass die sehr späte und wachsweiche "Distanzierung" von Esken und Kühnert nur reines Marketing kurz vor Wahlen ist, weil es ansonsten viel mehr und deutlichen Protest (und auch Konsequenzen) hätte geben müssen.

    Aber wenn Thierse wirklich nicht versteht, dass man seine Positionen kritisch sehen kann und nicht damit umgehen kann, dass es auch innerhalb einer Partei mal unterschiedliche Meinungen geben kann, dann sollte er wirklich besser austreten.

    Wobei natürlich auch jedem klar ist, dass er gar nicht austreten will. Denn sowas braucht man nicht "anbieten" und dann wird es akzeptiert oder nicht. Sondern er könnte ja von heute auf morgen austreten, wenn er das wirklich will. Aber in Wahrheit will er ja nur, dass die ganze Partei seiner Linie folgt und es keine Kritik mehr gibt.

    Alleine schon für diesen "Erpressungsversuch" sollte die Parteiführung sagen "Okay, dann verlasse die Partei."
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#6 michael hnkAnonym
  • 03.03.2021, 09:06h
  • Manches wird auch unnötig hochgekocht. Wolfgang Thierse ist zweifellos ein großer Sozialdemokrat mit herausragenden Verdiensten. Wegen einer unglücklichen Äußerung so jemanden gleich ins Fegefeuer zu schicken, das entspricht gewiss auch nicht dem richtigen Maß. Für den einen kann der Regenbogen ja nie bunt genug sein, andere tun sich eher ein wenig schwer damit, alles nur noch in den schillerndsten Regenbogenfarben sehen zu müssen. Deshalb hasst aber ein Herr Thierse jetzt nicht automatisch LGBT-Personen und wäre ab sofort dem rechtsradikalen Lager zuzuordnen. Diese überzogene Kritik ist genauso lächerlich wie meinetwegen seine Genervtheit über einen bestimmten Diskurs. Das klärende Gespräch, das die Parteiführung mit ihm und der ebenso um die Sozialdemokratie hochverdienten Persönlichkeit Gesine Schwan führen will, ist doch schon mal eine gute Option, und danach sehen wir weiter. Entspannt Euch mal ein bisschen.
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#7 Farbe bekennenAnonym
  • 03.03.2021, 09:09h
  • "[...] und fordert nun in einem Brief an Saskia Esken Klarheit."

    Diese Klarheit forder ich jetzt von der SPD auch.

    Wenn die SPD wirklich von Thierses und Schwans Positionen "zutiefst beschämt" ist, wie sie behauptet und wenn Thierse schon klar macht, dass er diese Kritik nicht akzeptieren kann und entweder Einlenken oder Parteiaustritt fordert, dann sollte man jetzt darauf eingehen.

    Wenn die SPD es wirklich ernst meint, wird sie diesen Parteiaustritt annehmen. Macht sie das nicht, war die Kritik nur ein Wahlkampfmanöver und nicht ernst gemeint.

    Jetzt muss die SPD Farbe bekennen.
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#8 Krude MeinungAnonym
  • 03.03.2021, 09:13h
  • Antwort auf #2 von NonBinary
  • "Mir jedenfalls kommen Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von mir distanzieren."

    Ja, was für ein krudes Demokratieverständnis er da zeigt.

    Der Widerspruch gehört zum Wesen der Demokratie. Ich dachte, er sei froh, nicht mehr im totalitären System der DDR zu leben, aber jetzt fordert er von der SPD auch Gleichschaltung. Natürlich mit seiner Meinung als Vorgabe.

    Alleine schon, dass er nicht verstehen kann, wenn andere sich von seiner Meinung distanzieren (egal ob Marketing oder ernst gemeint), dann ist das eigentlich der beste Beleg, dass eine demokratische Partei vielleicht nicht mehr die richtige Heimat ist.

    Zu Demokratie gehören verschiedene Positionen und Widerspruch. Wer das nicht akzeptiert, ist kein Demokrat.
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#9 UnterschiedeAnonym
  • 03.03.2021, 09:20h
  • Antwort auf #3 von goddamn liberal
  • Ja, die Grünen bekleckern sich bei Palmer, Solomon, etc. auch nicht gerade bei Ruhm.

    Aber bisher gibt es bei der SPD auch noch keinen Unterschied dazu.

    Denn distanziert haben sich auch bei den Grünen viele (bis in die höchsten Parteiämter) von diesen Personen. Immer wieder und auch noch viel deutlicher und zahlreicher als jetzt bei der SPD.

    Und noch hat es bei beiden Parteien keine wirklichen Konsequenzen gegeben. Solange Thierse und Schwan noch in der SPD sind (und sogar noch in der Grundwertekommission der Partei) ist das kein Unterschied zu den Grünen. Zumal bei den Grünen der Widerstand zu Palmer & Co viel größer war und auch nicht nur vor Wahlen.

    Im übrigens ist Thierse ja nicht irgendein "Rentner", sondern er ist immerhin Mitglied der Grundwertekommision der SPD und bestimmt damit die kommende Ausrichtung der Partei massiv mit. Thierse hat in der SPD damit mehr Gewicht als Palmer bei den Grünen, der ja einfach nur Bürgermeister einer Stadt ist und nicht mehr.

    Palmer hat sein Amt vom Volkssouverän bekommen, Thierse von seiner Partei. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
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#10 WayneAnonym
  • 03.03.2021, 09:40h
  • Ich muss mal kurz erklären, was hier gerade passiert:

    Thierse cancelt sich selbst. Sozusagen aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber der "Cancel-Culture". Damit diese nämlich in der beschriebenen Form existiert, muss der Betroffene notfalls auch mal nachhelfen.

    Stellt euch vor, wie schlimm die Ablehnung von "Partifreunden" Thierses Psyche beinträchtigen muss. Der hat quasi gar keine Wahl, als sich selbst zu canceln.

    Denn zu Meinungsfreiheit gehört auch das Recht auf Zustimmung durch andere. Alles andere ist Canceln.
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