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Streit um "Identitätspolitik"
Wolfgang Thierse bietet SPD-Chefin seinen Parteiaustritt an
Der ehemalige Bundestagspräsident ärgert sich über die deutliche Distanzierung der SPD-Parteispitze von seinen queerfeindliichen Positionen – und fordert nun in einem Brief an Saskia Esken Klarheit.

Wolfgang Thierse war von 1990 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Zur Zeit der rot-grünen Koalition war er auch Bundestagspräsident, hatte also protokollarisch das zweithöchste Amt der Bundesrepublik inne (Bild: Christliches Medienmagazin pro / flickr)
- 3. März 2021, 06:44h 2 Min.
Der Streit um den Einsatz für LGBTI- und Minderheitenrechte in der SPD eskaliert. In einem am Dienstag bekanntgewordenen Brief an die SPD-Vorsitzende Saskia Essen hat der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse seinen Parteiaustritt zur Debatte gestellt. Er bitte darum, ihm öffentlich mitzuteilen, ob sein "Bleiben in der gemeinsamen Partei weiterhin wünschenswert oder eher schädlich" sei, zitieren u.a. der "Tagesspiegel" und die "Welt" aus dem Schreiben.
Thierse reagierte damit auf eine von queer.de am 28. Februar öffentlich gemachte Einladung der SPD-Spitze an ausgewählte LGBTI-Aktivist*innen zu einem Online-Gespräch am 11. März. Ohne ihn namentlich zu erwähnen, hatten sich Esken und ihr Stellvertreter Kevin Kühnert in ihrer E-Mail von den Positionen des 77-Jährigen distanziert. "Aussagen einzelner Vertreter*innen der SPD zur sogenannten Identitätspolitik, die in den Medien, auf Plattformen und parteiintern getroffen wurden", zeichneten "insbesondere im Lichte der jüngsten Debatte ein rückwärtsgewandtes Bild der SPD, das Eure Community, Dritte, aber eben auch uns verstört", hieß es in dem Einladungsschreiben.
Thierse fühlt sich als Heterosexueller diskriminiert
Wolfgang Thierse hatte Ende Februar, kurz nach dem misslungenen "Jour Fixe" von SPD-Grundwertekommission und -Kulturforum, in einem FAZ-Beitrag Grenzen für "Vielfalt und Anderssein" gefordert ("Identitätspolitik darf nicht zum Grabenkampf werden") und sich einen Tag später nach heftiger Kritik beklagt, dass er sich als Heterosexueller diskriminiert fühle und Opfer einer "Cancel Culture" sei.
Er sei bestürzt darüber, dass er von der Haltung der Parteispitze aus dem "SPD Medien- und Informationsdienst" erfahren habe, beklagte sich der ehemalige Bundestagspräsident in seinem Brief an Saskia Esken. Er selbst sei sich nun nicht mehr sicher, ob er noch das richtige Parteibuch habe: "Mir jedenfalls kommen Zweifel, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von mir distanzieren."
In seinem Essay für die FAZ habe er doch nur versucht, "zu Mäßigung zu mahnen und verstärkte Anstrengungen auf das Gemeinsame und Verbindende einer mehr denn je pluralen, diversen Gesellschaft zu richten", verteidigte sich Thierse. "Ich meinte, dies sei gut sozialdemokratisch." (cw)














Klar, Herr Thierse, Gemeinsamkeiten der Mehrheit im verbindenden Wunsch nach Herabsetzung von Minderheiten zu finden, ist definitiv gut sozialdemokratisch.
Oder vielleicht doch nicht? Hier bietet sich der SPD eine historische Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und endlich mal wieder klar zu ihren soeben gemachten Versprechen zu stehen.
Ich vermute jedoch, dass es eher zu weiteren hunderttausend ergebnisoffenen Diskursen kommt, als dass die SPD endlich mal wieder zu dem steht, wofür sie angeblich stehen will.