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"Dekadente, aussterbende Gesellschaft"

Nach Freispruch: Kutschera legt gegen Homo­sexuelle nach

Ulrich Kutschera feiert seinen gerichtlichen Freifahrtschein für Hetze gegen sexuelle Minderheiten: Im Portal von Beatrix von Storch warnt er mal wieder vor dem "homosexuell-pädophilen" Mann, der es auf Kinder abgesehen habe.


Professor Ulrich Kutschera vergangenes Jahr beim ersten Prozess vor dem Amtsgericht (Bild: dezentrale Redaktionskollektiv)

  • 5. März 2021, 11:56h 43 3 Min.

Der Kasseler Biologieprofessor Ulrich Kutschera hat nach seinen Freispruch im Volks­verhetzungsprozess mit einem homo­sexuellenfeindlichen Artikel in der rechten Meinungsseite "Freie Welt" reagiert. Darin erklärte er sich zum "'Anwalt' jener Kinder, die in Homo-Haushalten untergebracht werden sollen" und denen dort Missbrauch drohe. "Freie Welt" ist das Sprachrohr von AfD-Politikerin Beatrix von Storch, das offiziell von ihrem Ehemann betrieben wird.

Laut Kutschera handle es sich bei seinem Kommentar mit dem Titel "Freispruch: Kinder sind auch Menschen" um einen Leserbrief an die "Hessisch Niedersächsische Allgemeine (HNA)", die diesen aber nicht gedruckt habe. Dabei klagte er über "Zensur" der "Mainstream-Presse" ("Leider kann ich diese Klarstellung nicht in der Mainstream-Presse publizieren und muss daher auf meinen Blog in der Freie Welt zurückgreifen, der glücklicherweise bisher noch nicht zensiert wird").

Kutschera behauptete weiter, er wolle mit seinen Äußerungen angeblich nur das Beste für Kinder. Wörtlich schrieb der 66-Jährige:

Es macht mich "wütend und traurig", dass die HNA in keinem Wort erwähnt, dass ich im "Strafverfahren" als "Anwalt" jener Kinder, die in Homo-Haushalten untergebracht werden sollen, aufgetreten bin. Es ging mir primär um das Kindeswohl und nicht darum, "homo­sexuelle Personen", die weder definiert, noch zahlenmäßig erfasst werden können, zu diskreditieren.

(Bild: freiewelt.net)

Als Beispiel für schwule Gewalt gegen Kinder nannte er einen angeblich in der HNA erschienen Bericht über einen "homo­sexuell-pädophilen Mann", der einen "genetisch fremden Adoptivling" missbraucht habe. Kinder, so Kutschera weiter, seien "in fast allen Berichten zu meinem Freispruch ignoriert" worden. Währenddessen würden "beleidigte 'Homo­sexuelle' zu prominenten Opfern" aufgebaut. "Das passt in unsere dekadente, aussterbende Gesellschaft", argumentierte Kutschera.

Der Hintergrund der Kutschera-Affäre: Der Evolutionsbiologe war am Dienstag vom Landgericht Kassel in zweiter Instanz vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden (queer.de berichtete). Die Äußerungen seien noch von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.

Anlass für die Anklage war ein Interview mit dem Professor im österreichischen Portal kath.net aus dem Jahr 2017, in dem er vor Adoptionen durch homosexuelle Paare warnte. So argumentierte er: "Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen." An anderer Stelle sprach er bei Homo-Männerpaaren mit Adoptivsohn von einem möglichen "Horror-Kinderschänder-Szenario".

Queere Studierende fürchten nach Freispruch "mehr Gewalt gegen Queers"

Das autonome Queer-Referat Universität Kassel hat am Donnerstag in einem Offenen Brief entsetzt auf den Freispruch Kutscheras reagiert: "Der Freispruch könnte bedeuten, dass auch weitere diskriminierende Aussagen strafrechtlich folgenlos bleiben. Wir befürchten, dass diese Verharmlosung durch das Gericht zu noch mehr Gewalt gegen Queers und andere marginalisierte Gruppen führen wird." Besonders vor dem "Hintergrund des rechten Terrors" dürften queerfeindliche, sexistische oder rassistische Äußerungen nicht verharmlost werden.

Die queeren Studierenden forderten jetzt die Universitätsleitung auf, ein Disziplinarverfahren gegen Kutschera zu anzustrengen. Die Hochschule müsse sich jetzt "klar positionieren". (dk)

#1 LegatEhemaliges Profil
  • 05.03.2021, 12:06h
  • "Der Freispruch könnte bedeuten, dass auch weitere diskriminierende Aussagen strafrechtlich folgenlos bleiben. Wir befürchten, dass diese Verharmlosung durch das Gericht zu noch mehr Gewalt gegen Queers und andere marginalisierte Gruppen führen wird."

    Genau das ist der Fall und viele deutsche Richter wollen das auch so. Anders kann man den vorliegenden Fall nicht mehr interpretieren.
  • Direktlink »
#2 Freisler-WatchAnonym
  • 05.03.2021, 12:29h
  • Da sieht man die Konsequenzen für LGBT*IQ-Menschen, wenn Richter den Rechten den Rücken stärken. Es geht weiter und wird dreister, dreckiger, brauner.
  • Direktlink »
#3 zundermxeAnonym
  • 05.03.2021, 12:43h
  • Gibt es immer noch keine Urteilsbegründung?

    Es ist schon eine erschütternde und sehr ernüchternde Bestandsaufnahme in 2021, dass ein derart übler Hetzer nicht nur öffentlich wiederholt diese Hetze verbreiten darf, überdies als Dozent arbeiten darf und dies dann auch noch gerichtlich in zweiter Instanz als völlig legal abgesegnet wird.
    Wie sich Kutschera nun mit rechtsstaatlicher Legitimation äußern darf, zeigt, dass 33-45 nicht so lange her ist, wie viele denken mögen und Polen und Ungarn auch ganz praktisch in Deutschland denkbar sind.

    Dieses aktuelle (als eins von leider zu vielen) Beispiel (en) zeigt auf welchem Hintergrund und mit welcher Bedeutung die SPD gerade eine sehr gefährliche Diskussion öffentlich führt.
    Vom angeblich übergeordneten Interesse des Gemeinwohls sind wir iSv Kutschera gesprochen wieder sehr fix beim gesunden Volkskörper (der natürlich völlig zu recht alles abstoßen darf, was vermeintlich schadet oder nicht dazu gehört).
    Thierse und die SPD werden sich gegen Zustimmung und Applaus von rechts nicht wehren können.

    Wenn ein deutsches Gericht derart eindeutigste Aussagen nicht als Beleidigung, Diskriminierung und Hetze anerkennt, haben wir allen Grund zur Sorge.
    Oder gibt es tatsächlich Queers, die sich von den Aussagen von Kutschera nicht zumindest beleidigt fühlen?
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