https://queer.de/?38330
"Die werden mich nicht los"
Thierse bleibt in SPD: "Ich bin zum Symbol geworden für viele normale Menschen"
Wolfgang Thierse gießt weiter Öl ins Feuer: Auf Kritik von Bürgerrechtler*innen und LGBTI-Aktivist*innen reagiert er mit der Aussage, dass er die Mehrheit der SPD repräsentiere.

Wolfgang Thierse grenzt "normale Menschen" von LGBTI-Aktivist*innen ab (Bild: Christliches Medienmagazin pro / flickr)
- 10. März 2021, 12:50h 3 Min.
In der Debatte über den Umgang mit LGBTI, anderen Minderheiten und um geschlechtergerechte Sprache hat Wolfgang Thierse seine weitere Mitgliedschaft in der SPD angekündigt. Der ehemalige Bundestagspräsident mahnte seine Partei zugleich, keine Parteimitglieder zu verprellen, "die das Gendersternchen nicht mitsprechen wollen und können", wie er dem am Donnerstag erscheinenden "ZEITmagazin" sagte.
"Die SPD wird mich behalten", sagte Thierse. "Die werden mich nicht los, zumal die Mehrheit der Partei will, dass ich bleibe." Der 77-Jährige war von 1998 bis 2005 Bundestagspräsident und bis 2013 Abgeordneter.
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass Thierse seinen Austritt aus der SPD ins Spiel gebracht hatte. In einem Schreiben an SPD-Chefin Saskia Esken bat der frühere DDR-Bürgerrechtler darum, ihm öffentlich mitzuteilen, ob sein "Bleiben in der gemeinsamen Partei weiterhin wünschenswert oder eher schädlich" sei (queer.de berichtete).
Kritik von LGBTI-Aktivist*innen
Hintergrund war eine Auseinandersetzung über Veröffentlichungen Thierses. Er hatte etwa in der FAZ "linke Identitätspolitik" kritisiert und beklagt, dass "Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren" und entsprechende Debatten aggressiv geführt würden. Das führte zu scharfer Kritik unter anderem aus der LGBTI-Szene (queer.de berichtete). Parteichefin Saskia Esken kritisierte daraufhin zunächst Thierse indirekt in einem Schreiben an Community-Vertreter, schwächte dies aber nach dessen Austrittsdrohung ab und kritisierte vielmehr queer.de für die Berichterstattung über den Streit (queer.de berichtete).
Auch Bürgerrechtler*innen hatten Thierse kritisiert, unter anderem weil der SPD-Politiker das als rassistisch verschriene "Blackfacing" verteidigt hatte. Dieses wird von vielen schwarzen Deutschen kategorisch abgelehnt, weil es auf die US-Sklavenhalterzeit zurückgehe und rassistische Klischees bediene. Zur Sklavenzeit und zur Zeit der Rassentrennung in den USA machten sich so Weiße mit greller und übertriebener Schminke über angeblich minderwertige Schwarze lustig.
Viel Unterstützung in der SPD
In der SPD hatte es bereits in den letzten Tagen eine Solidaritätswelle mit Thierse gegeben (queer.de berichtete). Auch viele Medien stellten sich in Kommentaren mit teils queerfeindlichen Untertönen hinter ihn. Im "ZEITmagazin" sagte er nun: "Ich bin mittlerweile zum Symbol geworden für viele normale Menschen, die ihre Lebensrealität nicht mehr gespiegelt sehen in der SPD, die unsicher sind, was sie noch sagen dürfen und wie sie es sagen dürfen." Die SPD habe bereits "große Teile der Arbeiterschaft" verloren. "Wollen wir jetzt auch noch alle die ausschließen und verlieren, die das Gendersternchen nicht mitsprechen wollen und können?"
In einem am Mittwoch in der schweizerischen Tageszeitung NZZ veröffentlichten Interview sagte Thierse außerdem, er habe mit seinen Äußerungen nur ausdrücken wollen, "dass bestimmte Fundamentalismen und Radikalismen, auch Verschärfungen in der Kommunikation, die derzeit mit dem Begriff identitätspolitisch bezeichnet werden, dem Gemeinsamen und Verbindenden nicht besonders dienen". Er empfehle seiner Partei, sich nicht auf eine einzelne Interessengruppe einzulassen, "sondern das Gemeinsame zu suchen und zu bündeln". Parteichefin Esken und der schwule Parteivize Kevin Kühnert hätten sich bei ihm für ihre Wortwahl entschuldigt, womit der Fall für ihn erledigt sei. (dpa/dk)














