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Interview
"Labels sind völlig unzureichend, um einen Menschen zu beschreiben"
"We Are Who We Are" von "Call Me By Your Name"-Regisseur Luca Guadagnino über die Selbstfindung zweier Teenager ist eine der queersten Serien seit langem. Wir sprachen mit Hauptdarsteller Jack Dylan Grazer.

Jack Dylan Grazer als der 14-jährige Fraser in "We Are Who We Are" (Bild: Starzplay)
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12. März 2021, 05:05h 5 Min.
Am 7. März startete bei Starzplay mit "We Are Who We Are" einer der ungewöhnlichsten, faszinierendsten und vor allem queersten Serien seit langem (jeden Sonntag gibt es eine neue Folge). Für die Regie und als Ko-Autor zeichnet der Italiener Luca Guadagnino verantwortlich, der wie schon in seinem Kino-Hit "Call Me By Your Name" von jugendlichen Emotionen und Selbstfindung unter der Sommersonne Italiens erzählt (queer.de rezensierte)
Die Hauptrolle des Teenagers Fraser, der zu Beginn der acht Folgen mit seinen beiden Müttern auf einer US-Militärbasis nahe Venedig ankommt, spielt der junge Shooting-Star Jack Dylan Grazer, der auch schon in "Es", "Shazam" und – als junger Timothee Chalamet – in "Beautiful Boy" zu sehen war. Wir konnten mit dem 17-Jährigen ein Videotelefonat führen. Wenn auch kein allzu langes, denn der virtuelle High-School-Stundenplan ist aktuell ziemlich vollgepackt.
Jack, als Du vor ein paar Jahren mit Deiner Mutter zusammen im Kino "Call Me By Your Name" gesehen hast, hast Du angeblich danach zu ihr gesagt, dass Du mit diesem Regisseur mal arbeiten möchtest. Was hat Dich denn an dem Film damals so begeistert?
Ich habe den Film geliebt, weil er gleichzeitig wahnsinnig realistisch und trotzdem unglaublich kunstvoll und künstlerisch war. Und wunderschön. In der Geschichte von Elio und Oliver geht es ja um ziemlich komplexe Gefühle, aber die hat Luca Guadagino unglaublich leicht und echt auf die Leinwand gebracht.
In seiner Serie "We Are Who We Are" spielst Du nun den 14-jährigen Fraser, der in vielerlei Hinsicht damit beschäftigt ist, seine Identität zu hinterfragen und sich selbst zu finden. Konntest Du Dich mit ihm auf Anhieb identifizieren?
Ja, das konnte ich, auch wenn ich sagen würde, dass ich früher nicht sonderlich viel über meine Identität nachgedacht habe. Durch diese Rolle habe ich es dann aber definitiv getan. Spätestens, als ich für die Dreharbeiten in Italien ankam, konnte ich sowieso gar nicht anders, als mich zu fühle wie er: irgendwie fehl am Platz, weit weg von meinen Freunden und meinem gewohnten Alltag. So geht's ihm ja auch, als er mit seinen Müttern auf der amerikanischen Militärbasis dort ankommt. Ich hatte dort nichts zu tun, als mich mit Fraser und seiner Nachdenklichkeit zu beschäftigen. Das hat echt abgefärbt.

Poster zur Serie: Jeden Sonntag gibt es eine neue Folge auf Starzplay
Du hast Dich also richtig verändert durch die Rolle?
Klar, auf jeden Fall. Ich würde schon sagen, dass ich neue Erkenntnisse über mich selbst gewonnen habe durch diese Figur. Und auch sonst habe ich durch Fraser echt dazu gelernt. Mit Mode zum Beispiel konnte ich vor der Serie nicht viel anfangen. Ich dachte, da geht's um Eitelkeit und Oberflächlichkeit, doch inzwischen weiß ich, dass es keine schönere Art gibt, der eigenen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen, als mit toller Mode. Früher habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, was ich trage. Das ist dank Fraser – und der vielen kreativen Menschen aus der Modewelt, die ich für diverse Shootings kennen gelernt habe – jetzt echt anders.
Wie viele Freiräume hat Luca Guadagnino Euch Schauspieler*innen eigentlich gelassen? Konntet Ihr die Figuren selbst mitgestalten?
Luca arbeitet unglaublich kollaborativ, viel mehr als ich das von anderen Regisseuren kenne. Natürlich hat er eine klare Vision von den Figuren und hat sie zusammen mit den Drehbuchautor*innen geschaffen. Aber für ihn kennt letztlich niemand sie besser als die Schauspieler*innen, die sie verkörpern. Deswegen durften wir ganz viel mitreden, improvisieren und uns Freiheiten herausnehmen.
Frasers sexuelle Identität wird in "We Are Who We Are" nie gelabelt, auch von ihm selbst nicht. Schwul, hetero, bisexuell – das scheint für ihn alles gar nicht wichtig zu sein. Würdest Du sagen, dass das typisch ist für die heutige Teenager-Generation?
Im Großen und Ganzen schon, denke ich. Fraser ist vielleicht ganz besonders desinteressiert an Labels und weiß als Sohn zweier lesbischer Mütter auch, dass viele gesellschaftliche Konventionen überholt sind. Aber mir selbst und den meisten meiner Freund*innen ging es auch schon immer so. Labels sind nur Worte und völlig unzureichend, um einen Menschen zu beschreiben. Wichtig ist, was man fühlt, dass man herausfindet, wer man ist und was man will. Und das kann sich ständig ändern, denn wir alle sind nie statisch, sondern emotional immer in Bewegung.
Wie hast Du die Reaktionen auf die Serie bislang erlebt?
Mich hat gefreut, wie viele Menschen gesagt und geschrieben haben, dass sie einen Bezug gespürt haben zu Fraser und seiner Freundin Caitlin, die ja einerseits ganz ähnliche, dann aber auch wieder ganz andere emotionale Entwicklungen durchmacht. Die Freundschaft der beiden ist eine ganz besondere, in der sich scheinbar viele wiedergefunden haben. Für mich war das das Wichtigste bei "We Are Who We Are": gerade den jüngeren Zuschauer*innen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind mit ihren Gefühlen und damit, vielleicht nicht sicher zu sein, wer sie eigentlich sind.
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We Are Who We Are. Serie. USA/Italien 2020. Regie: Luca Guadagnino. Darsteller*innen: Jack Dylan Grazer, Jordan Kristine Seamón, Chloë Sevigny, Alice Braga, Francesca Moore, Faith Alabi, Spencer Moore II, Kid Cudi, Ben Taylor, Tom Mercier, Sebastiano Pigazzi. Laufzeit: 8 Folgen à 60 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. Seit 7. März 2021 auf Starzplay, jeweils sonntags wird eine neue Folge gezeigt
Links zum Thema:
» Starzplay-Homepage
Mehr zum Thema:
» Diese Serie hat alles, was wir in "Call Me By Your Name" liebten! (07.03.2021)
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