Man kann natürlich darüber streiten, ob neue Ampelscheiben mit schwulen und lesbischen Pärchen eine wirksame Maßnahme gegen Queerfeindlichkeit sind oder doch eher alberne Symbolpolitik, die kaum etwas kostet und bei der sich alle auf die Schultern klopfen. Das hat man im vergangenen Jahr auch in Braunschweig getan. Am Ende hat der Bezirksrat Innenstadt aber im Juni 2020 mehrheitlich mit den Stimmen von Grünen, SPD und Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) die Errichtung sogenannter Vielfaltsampeln beschlossen (queer.de berichtete).
Nun steht fest: Trotz des demokratischen Beschlusses der Kommunalvertretung wird es in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens – und anders als in der Landeshauptstadt Hannover – keine gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen geben. Die Stadtverwaltung hat sie, wie die "Braunschweiger Zeitung" (Bezahlartikel) heute berichtet, verboten. Nach neun Monaten "Prüfung" kam die Verkehrsbehörde zum Schluss, dass Vielfaltsampeln eine Gefahr für Fußgänger*innen darstellen könnten. Es könne nicht zuverlässig der Nachweis eines gleichen Sicherheitsstandards wie bei gewöhnlichen Ampeln erbracht werden, teilte sie dem Bezirksrat mit. Insofern wäre die Installation abweichender Symbolbilder "mit einem nicht abschätzbaren Risiko verbunden".
Vielfaltsampeln sorgen für mehr Sicherheit
Die Begründung der Verkehrsbehörde ist an den Haaren herbeigezogen. 2015 wurden zum Eurovision Song Contest die ersten Ampelpärchen in Wien installiert, seitdem gibt es sie in Dutzenden deutschen und europäischen Städten und sogar in Australien. Aus keinem einzigen Ort sind Fälle bekannt, in denen Fußgänger*innen vor Schreck auf die Straße fallen oder die Ampeln nicht mehr als solche erkennen. Im Gegenteil: Eine Wiener Studie kam sogar zum Ergebnis, dass Ampelpärchen die Verkehrssicherheit erhöhen, da die Leuchtfläche um 40 Prozent zunimmt (queer.de berichtete).
Für ihr vorgeschobenes Sicherheitsargument verleihen wir der Stadt Braunschweig unsere Homo-Gurke! Wieviel Queerfeindlichkeit hinter dem Verbot gleichgeschlechtlicher Ampelpärchen steckt, wissen wir nicht. In jedem Fall aber ist die Entscheidung nicht besonders klug: Mit ihrem Beharren auf die beiden herkömmlichen Ampelfiguren verzichtet die Stadt auch auf andere denkbare Motive, etwa Löwenampeln. In Bad Nauheim und Friedberg locken Elvis-Ampeln zahlreiche Tourist*innen an, in Emden kann man eine Otto-Ampel fotografieren und in Fulda sogar Heiliger-Bonifatius-Ampeln bewundern.