https://queer.de/?38387
"Queerspiegel"-Interview
"Warum sollten Schwule und Lesben das Privileg haben, sich zu verstecken?"
Eva Kreienkamp, die neue Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, appelliert an homosexuelle Menschen, ihre sexuelle Orientierung nicht geheim zu halten. Sie selbst habe sich früh geoutet.

Eva Kreienkamp leitet seit Oktober 2020 Deutschlands größtes kommunales Nahverkehrsunternehmen (Bild: BVG / Oliver Lang)
- 18. März 2021, 14:59h 3 Min.
Die neue Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Eva Kreienkamp, wirbt für die Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen sowie Vielfalt in Unternehmen. Die 58-Jährige selbst hatte früh ihr lesbisches Coming-out, wie sie in einem am Donnerstag versandten "Queerspiegel"-Newsletter erzählte. "Mit 16, 17 habe ich mir gesagt, dass ich ein gutes Leben haben möchte, als ganze Person. Meine Sexualität ist ein Teil davon – auch im Beruf."
Im Laufe der Jahre habe sie damit viele positive Erfahrungen gemacht, so Kreienkamp. Sie schränkte jedoch ein: "Auf der anderen Seite habe ich manche Jobs nicht bekommen, weil ich lesbisch bin. Und ich habe wahrscheinlich noch viel mehr nicht bekommen, weil ich eine Frau und lesbisch bin. Das hat mich letzten Endes aber nicht so sehr gestört, weil ich mein Leben weitergelebt habe."
Versteckspiel hält Kreienkamp "nicht für richtig"
Kreienkamp appellierte an Lesben und Schwule, ihre sexuelle Orientierung nicht zu verheimlichen: "Ich bin davon überzeugt, dass jede Lebensform gelebt werden und damit dann auch gezeigt werden sollte", so die BVG-Chefin im Interview. "Es gibt Menschen, die sich zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe nicht verstecken können. Es gibt genauso Menschen, die einen türkischen Nachnamen haben – die können sich auch nicht verstecken. Sie sind natürlich Bestandteil der Gesellschaft."
Für homosexuelle Menschen gebe es hingegen die Möglichkeit, ihre Sexualität zu verstecken. "Das halte ich nicht für richtig", so Kreienkamp. "Warum sollten Schwule und Lesben das Privileg haben, sich zu verstecken? Vielleicht sollten wir alle einen Tick mutiger sein. Damit wird die Welt besser. Woanders müssen sich Schwule und Lesben tatsächlich verstecken, weil ihnen sonst etwas Schlimmes passiert."
BVG-Chefin erlebte selbst Anfeindungen im ÖPNV
Mit Blick auf queerfeindliche Angriffe in Bussen und U-Bahnen sagte die BVG-Chefin: "Wir versuchen unser Bestes, indem wir unser Sicherheitspersonal gut schulen, damit dieses erkennen kann, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Wir haben eine Sicherheitsleitzentrale, die die Kameras beobachtet und nach Zwischenfällen aller Art sucht. Wenn etwas passiert, müssen wir es wissen – und zwar schnell." Ein Vorfall müsse schnell zur Anzeige gebracht werden. Es bringe nichts, wenn etwas zum Beispiel nur gefilmt und auf sozialen Netzwerken geteilt werde. "Wenn Fälle nicht gemeldet und angezeigt werden, können wir nur in Maßen reagieren."
Anfeindungen im öffentlichen Nahverkehr hat Kreienkamp demnach auch schon erlebt. Sie sei angeschnauzt worden, als sie ihre Frau geküsst habe. "Ich habe zurückgeschnauzt."
Die frühere Co-Geschäftsführerin des Mainzer Nahverkehrs war im Oktober 2020 auf Sigrid Nikutta an der Spitze der BVG gefolgt (queer.de berichtete). Im November erhielt sie den ersten "German Diversity Award" in der Kategorie "LGBT+" (queer.de berichtete). (cw/dpa)














