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Russland
EU-Sanktionen gegen Tschetschenen nach Homosexuellen-Verfolgung
Der Vize-Regierungschef des Kadyrow-Regimes und ein Polizeichef werden der Beteiligung an der Folter von LGBTI und Oppositionellen beschuldigt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hält weiter eine schützende Hand über Tschetscheniens Präsidenten Ramsan Kadyrow und die Menschenrechtsverletzungen in seiner Republik
- 22. März 2021, 15:54h 3 Min.
Wegen der Verfolgung von LGBTI in Tschetschenien hat die EU zwei ranghohe Beamte aus der russischen Teilrepublik im Nordkaukasus mit Sanktionen belegt. Die beiden Männer sollen an der Folterung von Inhaftierten beteiligt gewesen sein, hieß es in der am Montag in Brüssel veröffentlichten Begründung (PDF). Die Sanktionen sehen das Einfrieren von Vermögenswerten und ein Einreiseverbot in die EU vor, außerdem dürfen europäische Personen und Organisationen ihnen weder direkt noch indirekt Gelder zuwenden.
Betroffen sind der tschetschenische Vize-Regierungschef Abusaid Wissmadurow und der Polizeichef der Stadt Argun, Ajub Katajew. Die Männer und die unter ihrem Befehl stehenden Kräfte seien verantwortlich für willkürliche Festnahmen und Tötungen. "Zahlreichen Zeugen zufolge hat Ajub Kataev persönlich die Folterung von Inhaftierten überwacht und sich daran beteiligt", hält die EU fest.
Der ebenfalls mit Sanktionen belegte Wissmadurow ist Befehlshaber der Einheit Terek der Spezialeinsatzkräfte (SOBR) und Leibwächter des Präsidenten Ramsan Kadyrow. In dieser Position kontrolliere er – wie Katajew – die Unterdrückung von LGBTI und sei ebenfalls Zeugen zufolge an Folterungen beteiligt gewesen. Betroffen von der Verfolgung seien neben vermuteten LGBTI unter anderem Personen gewesen, die in Opposition zu Kadyrow standen.
Menschenrechtsverletzungen ohne Konsequenzen
Augenzeugen hatten die schweren Menschenrechtsverstöße in der für politische Verfolgung bekannten Teilrepublik öffentlich gemacht. Immer wieder hatte unter anderem die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" über die Folter berichtet. Republikchef Ramsan Kadyrow machte erst in der vergangenen Woche wieder Stimmung gegen das Blatt, nachdem eine Journalistin in einer Serie detailliert über außergerichtliche Hinrichtungen in der Region geschrieben hatte – ein weiterer Teil zur antiqueeren Verfolgung soll folgen.
Die "Gaseta" hatte 2017 als erstes Medium über diese Verfolgungswelle berichtet: Damals wurden über hundert Männer wegen vermuteter Homosexualität verschleppt und in außergesetzlichen Lagern neben weiteren Gefangenen gefoltert, einige von ihnen starben dabei (queer.de berichtete). Bereits in ihrem Nachfolge-Artikel hatte die Zeitung Zeugen zitiert, die Polizeichef Katajew beschuldigten (queer.de berichtete, hier als Kataew). Nach internationaler Empörung wurde das mutmaßliche Hauptinhaftierungslager in Argun geräumt, später kam es aber immer wieder zu kleineren Verfolgungen, die auch vermutete Lesben oder trans Menschen umfassten, zuletzt zu einer größeren Welle Anfang 2019 (queer.de berichtete).

In einer viel beachteten "Vice"-Reportage hatte der nun sanktionierte Polizeichef Ajub Katajew die Verfolgungswelle gegen LGBTI im Sommer 2017 abgestritten (queer.de berichtete)
Obwohl immer neue Details und Beweise für die Verfolgung veröffentlicht wurden, verschleppten die zuständigen russischen Behörden alle Ermittlungen, während Kadyrow die Verfolgung unter homofeindlicher Hetze immer wieder abstritt (queer.de berichtete). Europarat und OSZE hatten eigene Untersuchungen zu den Verfolgungen angestellt und in den letzten Jahren Russland mehrfach aufgefordert, Hintergründe zu ermitteln, Verantwortliche zu bestrafen und das "Klima der Rechtlosigkeit" in der Region zu beenden (queer.de berichtete).
Die EU-Strafmaßnahmen wurden mit einem erst im vergangenen Jahr geschaffenen Sanktionsinstrument zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverletzungen verhängt. Mit der neuen Regelung hatte die EU Ende 2020 ihre Möglichkeiten erweitert, ausländische Verantwortliche für schweres Unrecht zu bestrafen. Zugleich wurden nun Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen in China, Nordkorea, Libyen, Eritrea und dem Südsudan verhängt. Tschetscheniens Präsident Kadyrow ist bereits seit 2014 auf einer Einreiseverbots- und Sanktionsliste der EU. (dpa/nb)














