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Anhörung im Gesundheitsausschuss
Blutspende: Bundesärztekammer hält an Schwulenverbot fest
Während Heterosexuelle mit wechselnden Partnerinnen bei Blutspenden willkommen geheißen werden, hält die Bundesärztekammer bei einer Bundestagsanhörung am Verbot schwuler und bisexueller Spender fest.

Blutspendedienste sind eine der letzten schwulenfreien Zonen in Deutschland (Bild: Metro Centric / flickr)
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25. März 2021, 10:03h 4 Min.
Soll das Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer, die Sex haben, aufgehoben werden? Diese Frage sollten am Mittwoch acht Sachverständige bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages beantworten. Das Ergebnis: Alteingesessene Gesundheitsverbände wie die Bundesärztekammer wollen an der Diskriminierung festhalten, Organisationen wie die Deutsche Aidshilfe und der Lesben- und Schwulenverband halten dieses Verbot jedoch für unwissenschaftlich. Sie beschreiben die augenblickliche Regelung als eine lieb gewonnene Diskriminierung. Nicht die sexuelle Orientierung solle darüber entscheiden, ob man Blut spenden darf, sondern ob man sich selbst risikoreich verhalten habe.

Ausschnitt aus dem aktuellen Fragebogen des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes
Anlass für die Anhörung waren Anträge von Grünen (PDF) und FDP (PDF). In ihnen wird gefordert, das Blutspendenverbot für schwule und bisexuelle Männer abzuschaffen. So will der FDP-Antrag das Transfusionsgesetz so ändern, "dass eine Diskriminierung potenzieller Blutspender wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität ausgeschlossen wird".
Bei Heteros drei Partnerinnen pro Jahr erlaubt, bei Schwulen null Partner
In einer anderen Realität als die Abgeordneten von FDP und Grünen lebt die Bundesärztekammer: Sie sieht in schwulen Männer grundsätzlich "Personen mit sexuellem Risikoverhalten", wenn sie in den letzten zwölf Monaten Sex gehabt haben. Natürlich wird in der Stellungnahme alibihaft behauptet, dass "Engagement für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung" für die Bundesärztekammer "selbstverständlich" sei. Man diskriminiere keine Schwulen, sondern führe eine "verhaltensassoziierte Beurteilung der Spendetauglichkeit" durch. Warum etwa ein treuer schwuler Ehemann für eine Blutspende ein Jahr lang keinen Sex haben darf, sich aber ein heterosexueller Hallodri im selben Zeitraum mit drei Frauen ungeschützt vergnügen darf und das trotzdem nicht als Risikoverhalten angesehen wird, verrät die Bundesärztekammer freilich nicht.
/ svenlehmann | Der Grünenabgeordnete Sven Lehmann kämpft gegen das Schwulenverbot beim BlutspendenEin Jahr kein Sex!
Sven Lehmann MdB (@svenlehmann) January 29, 2021
Für Männer, die Sex mit Männern haben, sowie transgeschlechtliche Menschen ist das in Deutschland weiterhin Bedingung, um Blut spenden zu dürfen.
Trotz der vollmundigen Ankündigung von Gesundheitsminister Spahn hat sich daran nichts geändert.
Thread 1/x pic.twitter.com/rTKM0Vsvzt
Auch die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie befürwortet das Schwulenverbot. Man sehe gegenwärtig "keine pauschale, wissenschaftlich nicht haltbare und diskriminierende Rückstellung von Personengruppen von der Blutspende", heißt es in der Begründung. Die Arbeitsgemeinschaft der Ärzte staatlicher und kommunaler Bluttransfusionsdienste e.V. sieht sogar das aktuelle zwölfmonatige Sexverbot für Schwule "mehr als kritisch".
Ganz anders blicken Szeneorganisationen auf den Status quo. Die Deutsche Aidshilfe erklärte, die Definition des Sexualverhaltens schwuler Männer als pauschales Risikoverhalten sei inhaltlich falsch und diskriminierend. Mit Blick auf das Diagnosefenster – also die Zeit nach der HIV-Ansteckung, in der Tests die Infektion nicht nachweisen können – ergänzte die DAH: "Eine Rückstellungsfrist zur Blutspende von mehr als einem Monat für alle sogenannten Risikogruppen ist wissenschaftlich nicht zu begründen."
/ SoVD_Bund | Auch der Sozialverband Deutschland hält die aktuelle Regelung für diskriminierendIn Deutschland werden insbesondere homo- und bisexuelle Männer bei der #Blutspende immer noch #stigmatisiert und pauschal #diskriminiert. Sie gelten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung generell als #Risikopatienten. (1/2) pic.twitter.com/gNBNaC6hBJ
SoVD (@SoVD_Bund) March 24, 2021
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Der Lesben- und Schwulenverband verweist darauf, dass Deutschland in dieser Frage dem Ausland hinterherhinke: "In Dänemark dürfen MSM in einer festen Beziehung ohne Rückstellfrist spenden, ansonsten nach vier Monaten. In Bulgarien, Italien und Portugal wird jede Person individuell nach ihrem sexuellen Risikoverhalten befragt, unabhängig der sexuellen Orientierung". Auch in vielen weitere Ländern in aller Welt – etwa Argentinien, Israel, Polen oder Südafrika – gebe es keine Rückstellung.
Zudem könne, so der LSVD, das Schwulenverbot eine nach EU-Recht verbotene Diskriminierung darstellen: "Wenn eine gezielte Befragung der Blutspender*innen ausreicht, um das Risiko einer Übertragung von Infektionskrankheit im selben Maß zu minimieren wie der generelle Ausschluss [von schwulen und bisexuellen Männern], ist dieser unverhältnismäßig." Maßgeblich müsse das "individuelle Risikoverhalten" sein, nicht die sexuelle Orientierung einer Person.
Bundesverband Trans* wirft Bundesärztekammer Homo- und Transphobie vor
Der Bundesverband Trans* kritisierte außerdem, dass in der aktuellen Blutspenderichtlinie "transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten" als eigene Gruppe erwähnt werden. Der Verband sprach "von einer tiefsitzenden homo- und trans*feindlichen sowie misogynen Einstellung der maßgeblich Beteiligten" in Bundesärztekammer und anderen Einrichtungen.
Jens Brandenburg, der LSBTI-politische Sprecher der FDP-Fraktion, sieht seine Position nach der Anhörung gestärkt – und kritisiert die Bundesärztekammer: "Ein Jahr verpflichtende Enthaltsamkeit ist völlig überzogen und medizinisch unnötig. Eine überzeugende wissenschaftliche Erklärung für den diskriminierenden Ausschluss bleibt die Bundesärztekammer auch nach der Anhörung schuldig." Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete verwies darauf, dass die Lockerung des Blutspendeverbots in anderen Ländern "nachweisbar nicht zu höheren Infektionsrisiken geführt" habe. Das müsse endlich zur Kenntnis genommen werden. In Richtung von Bundesärztekammer und Co. forderte er: "Jahrzehntelang gepflegte Vorurteile müssen jetzt endlich objektiven Erkenntnissen weichen."














