Zu Updates springen: Reaktionen von FDP und Grünen
Eine Reform des Transsexuellengesetzes wird es vor der Bundestagswahl am 26. September nicht geben. Das teilte am Donnerstag die SPD-Fraktion mit – und gab der Union die alleinige Schuld am Scheitern. "Trotz intensiver Bemühungen sowohl seitens des Bundesjustizministeriums als auch des Bundesfamilienministeriums sowie der SPD-Bundestagsfraktion konnte innerhalb der Koalition gerade in punkto Betroffenenberatung kein für uns tragbarer Kompromiss gefunden werden", teilte Elisabeth Kaiser, die zuständige SPD-Berichterstatterin im Innenausschuss, gemeinsam mit dem queerpolitischen Fraktionssprecher Karl-Heinz Brunner mit. Noch im Februar hatte der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann behauptet, dass seine Partei zu einer kleinen Reform bereit sei (queer.de berichtete).
Die SPD-Bundestagsfraktion habe sich "sehr für die überfällige und grundlegende Reform des Transsexuellenrechts eingesetzt", hieß es weiter. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht bereits mehrere Teile des 1981 in Kraft getretenen Transsexuellengesetzes für verfassungswidrig erklärt. "Uns ging es immer um eine Lösung im Sinne der Betroffenen, die das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Blick hat, nicht um eine Reform um jeden Preis", so Kaiser und Brunner. "Bei aller Kompromissbereitschaft möchten wir klarstellen, dass wir keinem Gesetzentwurf zugestimmt hätten, der der Selbstbestimmung so wenig gerecht wird. Selbstbestimmt heißt: Ein einfaches Verfahren vor dem Standesamt sowie eine einfache ergebnisoffene Beratung."
"Eine De-facto-Gesinnungsprüfung lehnen wir ausdrücklich ab"
Die Unionsfraktion habe jedoch "absurde Missbrauchsbefürchtungen zu 'Geschlechterhopping' über das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen" gestellt. "Eine De-facto-Gesinnungsprüfung lehnen wir ausdrücklich ab. Da eine selbstbestimmte und respektvolle Reform mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU nicht zu finden ist, ist es richtig, die Verhandlungen an diesem Punkt zu beenden und einen weiteren Anlauf in der neuen Legislaturperiode mit neuen politischen Partnern zu unternehmen."
Die Bundesregierung hatte im Mai 2019 den "Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags" vorgestellt, der das Transsexuellengesetz ablösen sollte. LGBTI-Aktivist*innen und die Opposition zeigten sich jedoch entsetzt darüber, dass sich mit dem Entwurf kaum etwas für trans Menschen verbessere (queer.de berichtete). Schließlich legte die Bundesregierung die Reform im September 2019 vorerst auf Eis (queer.de berichtete).
Deutschland gerät mit seinem antiken Transsexuellenrecht in Europa inzwischen immer mehr ins Hintertreffen. Länder wie Dänemark, Irland, Schweden, Malta, Norwegen und Portugal und zuletzt die Schweiz haben bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt. (cw)
Update 14.35 Uhr: FDP gibt SPD Mitschuld
In einer ersten Reaktion auf das Scheitern der Trans-Reform gibt Jens Brandenburg, der Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, der SPD eine Mitschuld: "Das liegt nicht nur an der Union. Nach vollmundigen Ankündigungen der SPD-Ministerinnen Giffey und Barley kam nur ein halbherziger Referentenentwurf, den die neue Justizministerin Christine Lambrecht viel zu lange ausgesessen hat. Ein leidenschaftlicher Einsatz für Trans-Rechte sieht anders aus." Nach jahrelangen Blockaden bliebe es nun Aufgabe einer neuen Koalition, das Transsexuellengesetz durch ein "echtes Selbstbestimmungsgesetz" zu ersetzen.
Brandenburg verwies auch auf einen Gesetzentwurf seiner Fraktion aus dem Jahr 2020 (PDF). Darin sei festgelegt, dass "unnötige Schikanen durch externe Gutachten und Gerichtsverfahren" ein Ende gesetzt werde. "Das bisherige Verfahren ist demütigend, teuer und unnötig. In einer ohnehin schon schwierigen Lebenssituation sollte der Staat nicht gängeln, sondern Freiheitsrechte stärken", fordert der Liberale.
Update 15.01 Uhr: Grüne wollen freie Abstsimmung
Sven Lehmann, der queerpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, zeigte sich entsetzt über das Scheitern der Reform: "Es ist erschreckend, dass die Große Koalition es trotz diverser, sehr klarer und richtungsweisender Gerichtsurteile nicht schafft, sich auf die Überwindung des diskriminierenden Transsexuellengesetzes zu einigen. Gleichzeitig lobte der Kölner die SPD, weil sie sich "nicht für ein schlechtes Gesetz hergibt, denn der kursierende Gesetzentwurf bleibt bei einer bevormundenden Fremdbegutachtung". Der Ball liege jetzt im Parlament – und dort könnten die SPD-Abgeordneten ja für einen grünen Entwurf stimmen: "Wir Grüne werden noch vor der Sommerpause unser Selbstbestimmungsgesetz zur Abstimmung stellen und laden die SPD-Fraktion sowie alle anderen demokratischen Fraktionen ein, damit das Transsexuellengesetz endlich rechtssicher und menschenwürdig zu überwinden."