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"Tagesspiegel"-Interview

Thierse fordert von Minderheiten "unaggressive Erklärbereitschaft"

Er teilt gerne aus, kann nicht einstecken, vor allem hört er nicht zu: Im Streit um sogenannte Identitätspolitik gießt der SPD-Politiker Wolfgang Thierse noch einmal Öl ins Feuer.


Wolfgang Thierse (SPD) war von 1990 bis 2013 Mitglied des Bundestages. Zur Zeit der rot-grünen Koalition war er auch Bundestagspräsident, hatte also protokollarisch das zweithöchste Amt der Bundesrepublik inne (Bild: PantheraLeo1359531 / wikipedia)

Im Streit um sogenannte Identitätspolitik hat Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse noch einmal nachgelegt. In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem "Tagesspiegel" (Bezahlartikel) wiederholte der SPD-Politiker seine Attacken gegen angeblich aggressive Minderheitenvertreter*innen, verteidigte seine eigenen Äußerungen und erhob neue Vorwürfe gegen seine Kritiker*innen.

Seine ausgrenzende Aussage im "ZEITmagazin", er sei "mittlerweile zum Symbol geworden für viele normale Menschen", sei "bösartig interpretiert" worden, beschwerte sich Thierse im "Tagesspiegel". Er könne sich nicht vorstellen, dass sich Menschen durch den Begriff "normal" verletzt fühlten, meinte der Germanist. "Die Bedeutung eines Wortes entscheidet sich nicht dadurch allein, dass ein Empfänger es auf eine bestimmte Weise interpretiert. Die Absicht des Senders zählt auch."

Die heftige Kritik an seiner Wortwahl sei "ein Beleg für das, was ich beklage: eine Atmosphäre der Verdächtigungen, ein vergiftetes Kulturkampfklima", so Thierse. "Wenn der Tagesspiegel im Internet dann auch noch titelt 'Normalität ist die Cancel Culture des alten weißen Mannes', dann ist das durchaus rassistisch!"

"Ich habe nicht gesagt, dass die Gesellschaft schon friedlich wäre"

Es gebe nie nur die Betroffenheit auf einer Seite, sagte der SPD-Politiker weiter. "Jeder von uns ist für die Anderen ein Anderer, sowohl als Individuum, als auch als Gruppenangehöriger. Und eines der gegenwärtigen Probleme ist, dass immer heftigere Betroffenheiten gegen Andere mobilisiert werden: Rassismus, Homophobie, Sexismus." Seine Lebenserfahrung aber sei: "Je heftiger und aggressiver die Kritik, der Angriff, umso stärker die Abwehr und umso geringer die Bereitschaft zu selbstkritischer Reflexion."

Der 77-Jährige räumte gegenüber dem "Tagesspiegel" ein, dass viele Befürchtungen diskriminierter Gruppen in Deutschland zutreffend seien. "Ich habe nicht gesagt, dass die Gesellschaft schon friedlich wäre", so Thierse. Aber: "Wer in einer Demokratie etwas für Minderheiten erreichen will, muss dafür Mehrheiten gewinnen." Das gehe nur unter einer Voraussetzung: "Ich wünsche mir aufmerksame Lernbereitschaft bei Mehrheiten und unaggressive Erklärbereitschaft bei Minderheiten."

Die Debatte begann vor sechs Wochen

Auslöser der Debatte war ein Essay Thierses, das er im Februar unter dem Titel "Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft" in der "FAZ" veröffentlichte (queer.de berichtete). Darin kritisierte er "linke Identitätspolitik" und beklagte, dass "Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren" und entsprechende Debatten zu aggressiv geführt würden. Minderheiten forderte Thierse auf, "geschichtlich geprägte kulturelle Normen, Erinnerungen, Traditionen" anzuerkennen: "Der unabdingbare Respekt vor Vielfalt und Anderssein ist nicht alles. Er muss vielmehr eingebettet sein in die Anerkennung von Regeln und Verbindlichkeiten, übrigens auch in die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen."

SPD-Chefin Saskia Esken und ihr Vize Kevin Kühnert hatten sich in einem Brief an LGBTI-Aktivist*innen von Thierses Thesen distanziert (queer.de berichtete). Der brachte daraufhin seinen möglichen Parteiaustritt ins Gespräch und bekam die wohl erhoffte breite Rückendeckung deutscher Medien (queer.de berichtete). Esken musste schließlich öffentlich zurückrudern (queer.de berichtete). (cw)

#1 zundermxeAnonym
  • 03.04.2021, 07:42h
  • Dieser alte weiße Mann (ich kann es nicht anders ausdrücken, wenn ich auch selbst einer bin) kann und will nicht begreifen, dass sich Menschen zutiefst verletzt fühlen, wenn er als spD-Politiker in der von ihm angezettelten Debatte sich und seine Meinung als die der Normalen bezeichnet und Argumentation-Stränge liefert, die er sich niemals trauen würde zu äußern, wenn es bspw um religiöse Minderheiten ginge. Den Skandal würde er niemals riskieren.
    Doch wenn es um Rassismus und Queers geht, hat er und seine Partei keine Probleme damit.

    Diese faktische (Ab-) Wertung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen allein zeigt, dass er in dieser Hinsicht inhaltlich keiner anderen Logik folgt, wie die Mehrheit von cdU/csU, der katholischen Kirche und auch der afd.
    Zustimmung und lautes Schweigen seiner spD geben uns die klare Aussage, dass wir real-politisch von der spD nicht nur nix zu erwarten haben. Sondern eher zu befürchten haben da diese laute Profilierungs-Debatte unsere Interessen und Anliegen noch mehr zum Gegenstand von Populismus und Hetze macht. Die Nahrung der Straße für Gewalt.
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#2 tandrinAnonym
  • 03.04.2021, 08:21h
  • Antwort auf #1 von zundermxe
  • Kann ich nur voll zustimmen. Ich war damals erstaunt als Thierse den Haß gegen Schwaben hoffähig gemacht hat. War für mich neu mal nicht fürs schwul sein sondern fürs Schwabe sein gehasst zu werden. Und erklärbereit bin ich auch nicht mehr. Ich habe schon so vielen dummen Menschen versucht zu erklären, dass ich auch nur ein Mensch bin. Geholfen hat's nix. Ich mag einfach nicht mehr?
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#3 PiakAnonym
  • 03.04.2021, 08:26h
  • Thierse war schon immer jemand, der ziemlich böse austeilt, aber selbst immer gleich beleidigt bis weinerlich auf Kritik reagiert. Seine Äußerungen zu Minderheiten sind da nur ein Symptom.
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