Bulgarien muss einem bulgarischen Kind, das laut spanischer Geburtsurkunde zwei Mütter hat, einen Personalausweis ausstellen. Diese Auffassung vertrat die zuständige Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg-Kirchberg, Juliane Kokott, am Donnerstag in ihren Schlussanträgen. Eine Geburtsurkunde müsse das Land nach Ansicht der deutschen Juristin aber nicht ausstellen (Az. C-490/20).
Es ging um den Fall einer Bulgarin, die in Spanien lebt und dort mit ihrer britischen Ehefrau eine Tochter bekam. Die spanischen Behörden stellten dem Kind eine Geburtsurkunde aus, in der beide Frauen als Mütter bezeichnet werden.
Die Gemeinde Sofia in Bulgarien weigerte sich jedoch, das ebenfalls zu tun. Die Eintragung zweier weiblicher Elternteile verstoße gegen die öffentliche Ordnung, weil die gleichgeschlechtliche Ehe in Bulgarien nicht erlaubt sei, hieß es. Dagegen zog die bulgarische Frau vor Gericht, das Verwaltungsgericht Sofia bat den EuGH um Auslegung des EU-Rechts.
Verstoß gegen Recht auf Freizügigkeit
Die Generalanwältin argumentierte nun, dass die beiden Frauen mit ihrem Kind ein Familienleben in Spanien führten. Würde das Verwandtschaftsverhältnis nicht anerkannt, bedeute das ernsthafte Hindernisse für ein Familienleben in Bulgarien, welche die Frau davon abhalten könnten, irgendwann dorthin zurückzukehren. Ein solches Vorgehen der Behörden verstieße also gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit.
Die Verpflichtung zur Anerkennung bedrohe auch nicht die nationale Identität oder das traditionelle Familienbild in Bulgarien. Kokott stellte aber in Frage, ob das Kind überhaupt Bulgarin sei. Nach bulgarischem Recht müsse dazu eines der leiblichen Elternteile die Staatsangehörigkeit besitzen – es sei aber unklar, welche der beiden Frauen die leibliche Mutter ist.
Falls das Mädchen Bulgarin sei, müsse Bulgarien ihm ein Ausweis- oder Reisedokument ausstellen. Das Land könne sich aber auf seine nationale Identität berufen, um die Ausstellung einer Geburtsurkunde zu verweigern, erklärte die Generalanwältin. Die europäischen Richter*innen müssen der Generalanwältin in ihrem Urteil nicht folgen, tun dies aber in der großen Mehrheit der Fälle.
Bulgarien gehört zu den LGBTI-feindlichsten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. 2019 wurde das Land wegen LGBTI-Diskriminierung von der Menschenrechtskommissarin des Europarats gerügt (queer.de berichtete). (AFP/cw)
Das scheint mir der Knackpunkt zu sein. Sollte die Bulgarin tatsächlich die leibliche Mutter sein, werden die EuGH-Richter der Generalanwältin wohl folgen. Allerdings muss diese Frage zunächst geklärt sein.