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Lesetipps

Queere Reise zum Weltbuchtag, Etappe 3: Asien

Noch zwei Tage bis zum UNESCO-Welttag des Buches am 23. April. Der dritte Teil unseres internationalen Bücher-Trips mit den Salzgeber Buchverlagen führt nach Korea, Japan, Indien und Thailand.


Aus dem Manga "Dr. Makumakuran and Other Stories" von Takeshi Matsu (Bild: Bruno Gmünder)
  • 21. April 2021, 13:07h, noch kein Kommentar

Nach Stationen in Russland und Lateinamerika dreht die heutige Ausgabe koreanische Hetero-Mythen auf schwul, feiert Japans schwulen Manga-König Takeshi Matsu, schwelgt in der indischen Ars Erotica des Kamasutra, und wirft einen kritischen Blick auf die "Underage"-Prostitution in Thailand.


Korea: "Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" von Alexander Chee

Der koreanisch-amerikanische Schriftsteller Alexander Chee kommt in seinem sehr persönlichen Essay-Band "Wie man einen autobiografischen Roman schreibt" immer wieder auf die koreanischen Wurzeln seiner Familie väterlicherseits zu sprechen. Sei es, indem er über sein Coming-out gegenüber einem Onkel aus Seoul berichtet ("Das Gespräch verlief gut, zumindest wenn man berücksichtigte, dass man in Korea lange bestritten hat, dass es so etwas wie Schwule überhaupt gibt.") oder indem er den japanisch-koreanischen Mythos beleuchtet, auf dem sein Debütroman "Edinburgh" aufbaut.

Leseprobe:

Ich richtete meine Aufmerksamkeit stärker als zuvor auf die Familie meiner Hauptfigur, und meine Romanhandlung erhielt einen zweiten Paten: den mythischen Kitsune, einen japanischen Fuchsdämon, der seine Gestalt wechseln kann. Beim Einlesen in diese Sagenwelt erfuhr ich, dass rotes Haar als Anzeichen für Fuchsahnen gilt, und erinnerte mich an die einzelnen roten Strähnen, die sich mein Vater immer ausgerissen, und die Märchen über gutartige Füchse, die er mir immer vor dem Schlafengehen erzählt hatte, und begab mich also auf die Suche nach noch älteren Fuchsvorfahren.

Ich fand die Geschichte der Hofdame Tamamo, einer japanischen Fuchsdame, die im Mittelalter aus China nach Japan gekommen war. Der Legende nach entkam sie ihren Verfolgern, indem sie von einem Felsen sprang, der durch die schiere Kraft ihres Sprungs in zwei Hälften gespalten wurde, kurz bevor sie im Nichts verschwand. Als ich mir auf der Karte ansah, wo sich der Felsen befinden sollte – wie es hieß, würden tödliche Nebel aus ihm aufsteigen, bis er von ihrem Geist befreit wäre -, entdeckte ich, dass sie geradewegs zu jener Insel vor der koreanischen Küste geflogen sein könnte, von der die Familie meines Vaters stammt. Ich konnte die Geschichte der Hofdame Tamamo weiterstricken und sie in die Ahnenlinie meines autobiografischen Erzählers einflechten. Die Füchse in den Geschichten um Kitsune sollten sowohl männliche als auch weibliche Gestalt annehmen können, aber tatsächlich ging es ausschließlich um Füchse, die sich als Frauen unter die Menschen mischten. Ganz wie bei der Oper schuf ich eine schwule Variante und schrieb eine Geschichte über einen Fuchs in Jungengestalt.

Alexander Chee: Wie man einen autobiografischen Roman schreibt, 384 Seiten, Albino Verlag. 2020, Klappenbroschur: 20 € (ISBN 978-3-86300-283-1), E-Book: 13,99 €

Japan: "Dr. Makumakuran and Other Stories" von Takeshi Matsu

Comic-Zeichner Takeshi Matsu begann seine Karriere als Gay-Manga-Künstler mit einzelnen Strips für das Magazin "Kinnuki-Otoko" ("Muskelmänner") und hat inzwischen mehrere Bücher mit seiner Kunst gefüllt. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen thematisiert Matsu weniger die düsteren Seiten schwuler Sexualität, sondern konzentriert sich in seinen Geschichten auf "Happy Guys". Der Band "Dr. Makamuran and other Stories" vereint fünf Takeshi-Comics, die Science-Fiction mit japanischen Traditionen verbinden. Dabei zaubert Takeshi nicht nur hinreißende Muskelmänner-Romanzen aufs Papier, sondern auch Furry-Action und die Erotik extremer Größenunterschiede. Kultig, knuffig, Manga.

Beispielseite:


Takeshi Matsu: Dr. Makumakuran and other Stories, 160 Seiten, Bruno Gmünder. 2017, Paperback: 19,99 € (ISBN 978-3-86787-843-2)


Indien: "Was ist Homosexualität"

Der Sammelband "Was ist Homosexualität?" beleuchtet auf 576 hochinformativen Seiten queere Lebensentwürfe und Artikulationsformen aus unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Kulturkreisen. Unter anderem zeigt Indologe Thomas K. Gugler in seinem Aufsatz "Okzidentale Homonormativität und nichtwestliche Kulturen" die Unterschiede zwischen dem Homosexualitätsverständnis der westlichen Welt und asiatischem/arabischem Raum heraus. Dafür geht er weit zurück in die Vergangenheit und erläutert im Abschnitt "Das dritte Geschlecht der indischen Ars Erotica" unter anderem die Anleitung des Kamasutra für mann-männlichen "Mundverkehr".

Leseprobe:

Das berühmteste Werk zur Erlangung des Lebensziel kama ist zugleich das opus magnum der indischen ars erotica: Das Kamasutra. Der von Vatsyayana im 3. Jh. in Sanskrit verfasste 'Leitfaden der Lust' wurde nach seiner Erstübersetzung ins Englische von Richard Burton (1883) – obwohl Burton die homosexuellen Passagen schlichtweg wegließ – im Westen immer wieder auch öffentlich verfolgt. In Bayern wurde der Text zuletzt 1963 (!) verboten und beschlagnahmt. Im Berufungsverfahren 1964 wurde das Urteil allerdings aufgehoben (Schmidt/Knoll 1973: 16-17). Am Beispiel eines Ausschnitts aus dem Kapitel zum Mundverkehr unter Männern – im Sanskrit wird hier für den Fellator das Wort (..., drittes Geschlecht) verwendet – wird deutlich, wie freimütig mit den vielfältigen Formen der Lust umgegangen wird:

"Die dritte Art von Menschen ist eine doppelte, entweder von weiblicher oder von männlicher Form. [...] In dessen Mund geschieht das, was sonst in der Vulva zu geschehen pflegt. [...] Der männliche Sexarbeiter soll sich bemühen, so zu tun, als ob er sich mit dem Manne nicht verbinden will. Die Aufgabe eines Reibers soll er erfüllen [...] Wenn er bemerkt, dass sich der Penis aufrichtet, soll er den Liebhaber ausschelten: 'Bist du etwa so geil, dass sich allein durch das Reiben deiner Oberschenkel dein Glied aufrichtet?' An den Zeichen der Lust bemerkt er, dass das Wesen des Mannes andersartig ist, und erkennt, dass der andere im Mund erregbar ist. Wenn er nicht aufgefordert wird, den Mundkoitus auszuführen, soll er von sich aus beginnen. Wenn er aber aufgefordert wird, soll er sich zunächst weigern: 'Ich tue so etwas nicht.' [...] Hierbei gibt es acht Arten hin zur Vollendung [alle Arten sind in folgender Reihenfolge vollständig auszuführen]: (1) die begrenzte Art [Penis mit der Hand ergreifen und gegen den Mund schlagen], (2) den seitlichen Lippenbiss [freigelegte Eichel ohne Zutun der Zähne seitlich massieren], (3) die äußere Zange [Eichel mit geschlossener Lippe massieren], (4) innere Zange [selbiges mit geöffneten Lippen], (5) das Küssen [mit der Hand gepackten Penis wie Lippen bearbeiten], (6) die Berührung [Eichel mit der Zungenspitze schlagen], (7) das Aussaugen der Mangofrucht, (8) das Verschlingen [deep throat]. [...] Das Verschlingen wird durchgeführt, bis sich der Same ergießt. Wie es eines jeden Verlangen ist, so sollen dabei Schreie und Schläge erfolgen. [...] Die Schläge und Schreie sollen schwach, mittelmäßig oder heftig sein, je nach der Lust, und sie sollen erfolgen, weil für Umarmungen hier kein Platz ist. [...] Auch ungebundene Frauen, Wollüstige, Sklavinnen und Reiberinnen wenden ihn an. [...] Verfehlt ist der Mundkoitus nur, wenn man ihn mit der Ehefrau vollzieht. [...]" (Schmidt/Knoll 1973: 138-141)

Mildenberger, Evans, Lautmann, Pastentötter: Was ist Homosexualität, Hardcover, 576 Seiten, Männerschwarm Verlag 2014, Hardcover: 44,00 € (ISBN 978-3-86300-163-6), E-Book: 29,99 €


Thailand: "Underage" von Ohm Phanphiroj

Für die kontrovers diskutierte Fotoserie "Underage" lichtete der thailändische Fotograf Ohm Phanphiroj minderjährige Sexarbeiter in den Straßen Bangkoks ab und legte damit schonungslos den Fokus auf ein Tabu, das die Sexindustrie in seiner Heimat bis heute prägt. Phanphiroj wurde hart angegriffen für das Projekt. Die einen warfen ihm vor, die Porträts der jungen Sexarbeiter seien zu ästhetisiert, um dem heiklen Thema gerecht zu werden, manche Queers kritisierten, das Phanphiroj als schwuler Fotograf die Bereiche Pädophilie und Homosexualität unangemessen vermenge. Der Künstler selbst nahm den Trubel gelassen. Es ist seine Absicht, mit seinen Bildern Diskussionen anzuregen: "Wenn meine Arbeit jemanden berührt, bewegt oder Unwohlsein hervorruft, hab ich geschafft, was ich erreichen wollte", sagt er und verweist auf den sozialkritischen Hintergrund von "Underage": "Ich will, dass die Bilder die miese Realität von Kindesmissbrauch und Ausbeutung spiegeln. Ich will auch, dass die Bilder schmerzhafte Fragen über unser Leben, unsere Entscheidungen, deren Konsequenzen und unsere Menschlichkeit aufwerfen. Letztendlich hoffe ich, dass das Projekt etwas Licht in die verfahrene Situation bringt."

Aus dem Band:


Ohm Phanphiroj: Underage, 112 Seiten, Bruno Gmünder. 2017, Hardcover: 69,99 € (ISBN 978-3-95985-250-0)

Alle hier vorgestellten Titel und viele weitere queere Bücher, Filme und Kalender sind unter anderem erhältlich im Shop von Salzgeber.