Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) hat sich von Veranstaltungen auf dem diesjährigen Lesbenfrühlingstreffen (LFT) distanziert. Teile des Programms, das virtuell stattfindet, seien "trans*feindlich und nicht vereinbar mit den Zwecken und Werten unserer Stiftung", heißt es in einem Schreiben von Vorstand Jörg Litwinschuh-Barthel an den Verein Lesbenfrühling. "Ich habe am Donnerstag mit der verantwortlichen Organisatorin telefoniert und unsere scharfe Kritik geäußert", sagte der BMH-Chef auf Anfrage von queer.de. "Wir haben das LFT 21 mitfinanziert, kannten aber bei Antragstellung das Programm nicht."
Heftige Kritik gibt es u.a. am geplanten Vortrag "Genderidentität anstatt Geschlecht – Ein trojanisches Pferd für die Frauen" von Gunda Schumann, die bereits im vergangenen Jahr mit einer transfeindlichen Lecture in Berlin für Schlagzeilen sorgte (queer.de berichtete). Bei der Anerkennung des selbstbestimmten Geschlechts von trans Menschen drohten laut LFT-Ankündigung ein "Rückfall in Geschlechtsrollenstereotype, Negation des homosexuellen Begehrens, 'Transformierung' lesbischer Mädchen in 'Transjungen' bei gleichzeitiger Sterilisierung und Verstümmelung ihrer Körper, Beseitigung geschützter und autonomer Frauenräume, Auslöschung der Kategorie 'Frau' im öffentlichen Rechtsverkehr und damit auch der Frauenrechte und des Feminismus." Ähnlich hatte "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling im vergangenen Jahr argumentiert (queer.de berichtete).
Vortrag vergleicht trans Frauen mit Ausbeuter*innen
Auch der Vortrag "Separatism as a strategy for the liberation of women" der linken australischen Schriftstellerin Susan Hawthorne verweigert trans Frauen die Anerkennung. In der Ankündigung werden trans Frauen sogar mit Ausbeuter*innen verglichen: "Das Proletariat hat Kapitalist*innen nicht in ihre Gruppe eingeladen, aber von Frauen wird erwartet, dass sie Männer, die sich als Frauen ausgeben, willkommen heißen", heißt es auf Englisch im LFT-Programm. "Das ist eine Erwartung, die sogar in Gefängnissen, Asylunterkünften und Frauenhäusern gilt. Frauen, die künstlerische oder sportliche Erfolge erzielen wollen, müssen akzeptieren, dass Männer ihnen ihre Preise wegnehmen."
Twitter / epicLouT | Ausführliche Kritik am LFT 2021 auf Twitter. Ein Klick führt zum kompletten Thread
Eine weitere Veranstaltung auf dem Lesbenfrühlingstreffen beschäftigt sich mit "Lesbenphobie und Frauenfeindlichkeit aus der 'queeren' Szene". Themen sind hier u.a. "frauenfeindliche Äußerungen schwuler Männer oder Sprüche wie 'Hearts not parts', die Homosexualität trivialisieren oder die Relevanz des Körpers in der Sexualität abstreiten". Während Frauenfeindlichkeit in der schwulen Community ein ernstes Problem ist, manifestiert sich im zweiten Punkt wohl vor allem die eigene Ablehnung von trans Frauen.
TERFs kapern das Lesbenfrühlingstreffen
Für Kritik sorgt nicht zuletzt das LFT-Panel "Macht – Sinnlichkeit – Würde: Feministische Positionen um Körper", an dem u.a. die Frauenforscherinnen Monika Barz und Inge Kleine teilnehmen. Beide unterschrieben im vergangenen Jahr einen offenen Brief, um geschlechtliche Identität aus dem Verbot sogenannter Konversionstherapien für Minderjährige zu streichen.
Ein Vortrag "Detransition in Deutschland & International" sowie ein Infostand der Gruppe "Post Trans" sind weitere Zeichen dafür, dass sogenannte TERFs – die Abkürzung steht für "trans-exclusionary radical feminists", also für radikale Feminist*innen, die trans Frauen nicht als Frauen anerkennen wollen – das diesjährige Lesbenfrühlingstreffen gekapert haben. Trans und nichtbinäre Lesben sind bei dem Bremer Treffen auch gar nicht erst willkommen: Anders als "intersexuelle und detransitionierte Lesben" fehlen sie in der detaillierten Aufzählung der Zielgruppen im Programmheft.
Erster Boykottaufruf
In einem am Samstag veröffentlichten Kommentar auf dem Portal männer* forderte Victoria Forkel lesbische Personen und Organisationen dazu auf, dem diesjährigen Lesbenfrühlingstreffen fernzubleiben: "Eine solidarische Haltung gegenüber geschlechtsdiversen Lesben wäre es, den LFT zu boykottieren, denn nicht nur offen trans*feindliche Personen sind eine Gefahr. Jede Person, die kritiklos neben TERFs steht, lässt trans*, inter und nicht-binäre Menschen im Stich." Das LFT 2021 wurde neben der Hirschfeld-Stiftung auch von der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, dem Bremer Senat und der Sparkasse Bremen gefördert.
Das in Bremen organisierte 47. Lesbenfrühlingstreffen findet vom 21. bis 23. Mai unter dem Motto "rising to the roots" statt. Das LFT wird jährlich an Pfingsten in einer anderen deutschen Stadt abgehalten. Nachdem Heidelberg im letzten Jahr wegen Corona-Maßnahmen absagen musste, wurde das diesjährige Treffen virtuell geplant. Die LFT-Anfänge reichen bis in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts zurück: Damals trafen sich in Berlin Lesben zu einem Pfingstspaziergang, der schließlich bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 zur jährlichen Tradition wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg dann trafen sich Lesben erst 1970 erstmals wieder öffentlich – zwei Jahre später kam es zum ersten "Lesbenpfingsttreffen". Schauplatz war erneut Berlin, wo die Treffen bis 1978 stattfanden. Danach wurde jährlich eine andere deutsche Stadt ausgewählt. Der Name "Lesbenfrühlingstreffen" entstand 1992 in Bremen.