Der Streit um Transfeindlichkeit beim diesjährigen Lesbenfrühlingstreffen (LFT) eskaliert: Nach anhaltender Kritik an diskriminierenden Veranstaltungen wies das aus Bremen stammende Orgateam am Donnerstag in einer Pressemitteilung (PDF) den Vorwurf der Transfeindlichkeit zurück und beklagte stattdessen eine "beispiellose Medienkampagne".
Die Veranstalterinnen um die langjährige Aktivistin Susanne Bischoff zeigten sich nicht nur komplett uneinsichtig, sondern stilisierten sich auch als Opfer: "Die medialen Anschuldigungen und die zudem ohne Rücksprache mit dem Orgateam erfolgte Distanzierungskampagne greifen in die Programm- und Personalhoheit des LFT2021 ein", heißt es in der Stellungnahme. "Es wird mit erschreckend einseitigen Darstellungen als eine Form struktureller und psychischer Gewalt gegen Frauen und Lesben und ihren autonomen Räumen erlebt."
Sie seien inhaltlich neutral, behaupteten die Veranstalter*innen. Es seien bewusst auch "kontroverse Positionen" ins Programm aufgenommen worden, wobei man Vertreter*innen gegensätzlicher Meinungen leider nicht gefunden habe: "Die Orga hat zu einigen Punkten gezielt auch Referentinnen mit bekannt anderen Positionen angefragt – diese haben abgesagt."
LFT schreibt von "Männern, die sich als Frauen ausgeben"
Zudem pocht das Orgateam darauf, dass nicht nur die im Programmheft genannten "detransitionierten" Lesben, sondern auch trans Frauen auf dem virtuellen Treffen willkommen seien. Die umständliche Begründung dazu in der Pressemitteilung klingt allerdings nicht wirklich überzeugend: "Seit dem LFT2007 gibt es keinen Beschluss, dass Translesben ausgeschlossen sind. Von daher sind grundlegend alle lesbischen Frauen eingeladen. Es gibt keinen Beschluss, dass Translesben oder andere Gruppen (wie z.B. Bifrauen) genannt werden müssen. Dies wird in jeder Orga unterschiedlich gehandhabt und Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt. Das ist die Freiheit jedes Orgateams. Die Orga2021 hat die Form gewählt, Translesben als lange zum LFT gehörende Frauen sprachlich nicht herauszuheben, dafür andere beispielhaft zu benennen."
Das Lesbenfrühlingstreffen 2021 lade zu "respektvoller Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen und Verortungen der Vielfalt lesben- und frauenspezifischer und lesben- und frauenpolitisch relevanten und gesellschaftskritischen Themen", so die Veranstalterinnen. "Wo sollen diese Diskussionen wertschätzend und auf Augenhöhe stattfinden, wenn nicht an einem Lesbenfrühlingstreffen?"
Mehrere Programmpunkte des LFT lassen jedoch genau diese Wertschätzung deutlich vermissen. So wird trans Frauen in mehreren Veranstaltungen ihr Geschlecht und ihre Selbstbestimmung abgesprochen, zudem werden sie als Bedrohung für cis Frauen und Frauenräume dargestellt. In einer Ankündigung werden sie als "Männer, die sich als Frauen ausgeben", beleidigt (queer.de berichtete).
Hirschfeld-Stiftung telefonierte zweimal mit Bischoff
Den Vorwurf des Orgateams, dass die Kritik an den transfeindlichen Veranstaltungen "ohne Rücksprache" erfolgt sei, wies die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zurück. "Die beiden Telefonate am 22. April mit Susanne Bischoff kann ich ja auch anhand der Anrufliste meines Festnetz-Telefons belegen", erklärte Vorstand Jörg Litwinschuh-Barthel gegenüber queer.de. Die Stiftung, die das Lesbenfrühlingstreffen mit 2.700 Euro gefördert hat, hatte ihre Kritik am Dienstag in einem ausführlichen Statement begründet.
Wegen der transfeindlichen Veranstaltungen zog Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Linke) bereits ihre Schimfrauschaft und ihr Grußwort zurück (queer.de berichtete). Nach dem LesbenRing, dem Dyke* March Germany, der LAG Lesben in NRW, dem Bundesverband Trans* und der dgti distanzierte sich am Donnerstag auch das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg vom Lesbenfrühlingstreffen 2021. "Die diesjährige Veranstaltung baut auf ein Programm, das trans* Lesben nicht nur ausschließt, sondern sich trans*feindlicher Narrative bedient und sich dabei nicht scheut, mit Begriffen wie 'Genderideologie' das Vokabular rechtspopulistischer und antifeministischer Strömungen aufzugreifen", heißt es in einer Pressemitteilung. "Ein solches Programm regt keinen Dialog an, sondern spaltet und vertieft bestehende Gräben."
Die beim Lesbenfrühlingstreffen sichtbare Transfeindlichkeit sei "kein neues Phänomen, sondern wird bereits seit vielen Jahren im Kontext des LFT diskutiert und kritisiert", erklärte das Queere Zentrum Göttingen. "Wir hoffen – solidarisch miteinander – dass das Orgateam neuen Mut fassen und die Veranstaltung umgestalten kann." (cw)