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Hirschfeld-Stiftung
"Die Community hätte genug Gründe gehabt, die Neubesetzung der Bundesjustizministerin auszuschreiben"
Aus der SPDqueer kommt scharfe Kritik an der von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) durchgesetzten Neuausschreibung des Vorstands der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Christine Lambrecht (SPD) ist seit dem 27. Juni 2019 Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz (Bild: Thomas Köhler / photothek)
- 3. Mai 2021, 11:20h 4 Min.
Die erstmalige öffentliche Ausschreibung des hauptamtlichen Vorstands-Postens bei der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld sorgt für Kritik aus der queeren Community. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die auch Vorsitzende des Hirschfeld-Kuratoriums ist, hatte die Neuausschreibung persönlich durchgesetzt (queer.de berichtete). Der bisherige Vorstand Jörg Litwinschuh-Barthel, der die Stiftung nahezu im Alleingang aufgebaut und in den vergangenen zehn Jahren als wichtige queere Institution etabliert hat, müsste sich neu bewerben, um eine Chance zu bekommen, seine Arbeit fortzusetzen.
Er habe Litwinschuh-Barthels Arbeit für die Community in den vergangenen Jahren "sehr schätzen gelernt", kommentierte SPDqueer-Vizechef Oliver Strotzer auf Facebook. "Er versteht sich als Anwalt der Interessen der LSBTIQ-Community und nicht der Bundesregierung. Das gefällt möglicherweise nicht allen im Bundesjustizministerium."
Ich habe Jörg Litwinschuh-Barthel s Arbeit für die Community in den vergangenen Jahren sehr schätzen gelernt. Er...
Posted by Oliver Strotzer on Saturday, May 1, 2021
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Strotzer wandte sich persönlich an seine Parteifreundin: "Liebe Christine Lambrecht, ich halte die Ausschreibung für das falsche Signal. Und ich denke, ich spreche hier auch für den Bundesvorstand der SPDqueer. Vieleicht hätte man ja auch mal das Gespräch mit uns suchen können?"
Pantisano: Litwinschuh-Barthel führte Stiftung "zu großer Anerkennung, Sichtbarkeit, Relevanz und Erfolg"
Noch deutlicher wurde Alfonso Pantisano, Landesvorstand der SPDqueer in Berlin und Mitglied des LSVD-Bundesvorstands: "Warum ist der Bundesjustizministerin plötzlich diese queere Führungsposition so wichtig und warum will sie diese neu ausschreiben?", fragte er auf Facebook. "Es ist ja nicht so, dass sich Frau Lambrecht in den letzten Jahren in ihrer Rolle als Bundesministerin als Freundin und Unterstützerin oder gar Anwältin der queeren Community hervorgetan hätte."
Klar, es ist immer gut, wenn man sich und seine Arbeit, seine Ziele und Erfolge und Visionen neu hinterfragt. Und es ist...
Posted by Alfonso Pantisano on Saturday, May 1, 2021
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Litwinschuh-Barthel habe die Stiftung "in den letzten Jahren zu großer Anerkennung, Sichtbarkeit, Relevanz und Erfolg geführt", lobte Pantisano. Laut dem Berliner Aktivisten sollte nicht über dessen Job, sondern eher über eine andere Personalie diskutiert werden: "Die Community hätte genug Gründe gehabt, die Neubesetzung der Bundesjustizministerin auszuschreiben!"
Kritik an Lambrecht gibt es u.a. wegen der gescheiterten Reform des Transsexuellenrechts (queer.de berichtete). Auch wird ihr zu wenig Einsatz gegen die Diskriminierung von Regenbogenfamilien vorgeworfen (queer.de berichtete).
Kanzlerkandidat Olaf Scholz lädt zum LGBTI-Gipfel
Das Verhältnis zwischen LGBTI-Aktivist*innen und der SPD ist nach einem unsensiblen Online-Talk von Parteigliederungen mit "FAZ"-Feuilletonchefin Sandra Kegel im Februar und den Attacken von Wolfgang Thierse auf sogenannte Identitätspolitik ohnehin angespannt. Parteichefin Saskia Esken hatte sich in einer Email an Aktivist*innen zwar zunächst von dem "rückwärtgewandten Bild der SPD" distanziert, ruderte jedoch später öffentlich zurück (queer.de berichtete).
Die von Esken und ihrem Vize Kevin Kühnert für den 11. März vorgeschlagene Aussprache mit ausgewählten LGBTI-Vertreter*innen fand nach queer.de-Informationen am 18. März statt. Über die Inhalte wurde Vertraulichkeit vereinbart.
Am Freitag, den 11. Juni soll es einen weiteren queeren Online-Gipfel mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und den beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert-Walther Borjans geben. "Das Gespräch ist nicht-öffentlich und es werden neben dem Bundesvorstand der SPDqueer, sechs weitere Vertreter*innen queerer Organisationen teilnehmen", heißt es in der Einladung, die queer.de vorliegt. "Ziel des Webinars ist es, mit unseren Parteivorsitzenden über die wichtigsten queerpolitischen Themen ins Gespräch zu kommen, die für die LSBTIQ*- Community aktuell auf der Agenda stehen." (cw)
Update 04.05.21: Pressemitteilung der SPDqueer
Am Dienstagmorgen veröffentlichte die SPDqueer die folgende Pressemitteilung:
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMVJ) schreibt aktuell die Stelle des Vorstands der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld neu aus. Dieser Schritt sorgt im Kuratorium der Stiftung und in der Community für Verwunderung und Unverständnis. Zudem beschädigt er den Stiftungsvorstand massiv. Seit ihrer Gründung 2011 wurde die Stiftung von Jörg Litwinschuh-Barthel mit aufgebaut, geleitet und zu einer anerkannten Institution und Interessensvertreterin der LSBTIQ*-Community weiterentwickelt.
Dazu der Bundesvorstand der SPDqueer:
Mit Unverständnis und Bedauern haben wir von Bundesjustizministerin Christine Lambrechts Entscheidung erfahren, die Stelle des Vorstands der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld neu auszuschreiben, obwohl die Stiftungssatzung dies nicht vorschreibt und das Kuratorium keine entsprechende Empfehlung abgegeben hat. Daher erscheint uns diese Entscheidung willkürlich.
Mit diesem Schritt wurde der Ruf eines langjährigen und verdienten Streiters für die Belange von LSBTIQ* in Deutschland massiv beschädigt und dabei auch ausdrücklich gegen den Rat und die Wünsche aus der LSBTIQ*-Community gehandelt.
Wir finden es befremdlich, dass so sensible Entscheidungen nicht in Abstimmung mit den unmittelbar betroffenen Personen und Institutionen abgestimmt werden. Der Bundesvorstand der SPDqueer lehnt die Neuausschreibung des Vorstands der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ab und fordert, dass die Entscheidung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit Jörg Litwinschuh-Barthel dem Kuratorium der Stiftung überlassen wird.















Sagt schon ganz klar aus was hier gespielt wird.