Immer häufiger muss die Polizei Fälle von Hasskriminalität behandeln (Bild: Polizei Berlin / Youtube)
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hat im vergangenen Jahr um achteinhalb Prozent auf insgesamt 44.692 deutlich zugenommen und liegt damit auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik 2001. Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg sogar um 18,8 Prozent auf 3.365. Fast 24.000 Delikte und damit mehr als die Hälfte seien aus rechtsextremistischen Motiven heraus begangen worden, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag bei der Vorstellung der neuen Zahlen in Berlin.
Dies sei eine Zunahme um 5,7 Prozent und ein neuer Höchststand seit Beginn der Erfassung. "Es gibt klare Verrohungstendenzen in unserem Land", warnte Seehofer. Den Rechtsextremismus nannte er wie schon zu früheren Gelegenheiten die "größte Bedrohung für die Sicherheit". Exemplarisch führte er den Anschlag von Hanau an, bei dem ein Rechtsextremist im Februar 2020 zehn Menschen getötet hatte. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg laut der Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) um rund elf Prozent auf 1.092.
Noch extremer ist die Zunahme bei Hasskriminalität, also bei Straftaten, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert begangen werden: Insgesamt wurde hier ein Anstieg um 19 Prozent gemessen. Auch hier liege der Schwerpunkt mit 87 Prozent eindeutig beim Rechtsextremismus, sagte Seehofer.
Bereiche "sexuelle Orientierung" und "Geschlecht/Sex. Identität"
In der Auflistung zu Hasskriminalität stieg die gemeldete queerfeindliche Gewalt deutlich. Die Zahl der Taten im Bereich "sexuelle Orientierung" stieg zwar nur um 0,3 Prozent auf 578. Abgespalten wurde jedoch das Themenfeld "Geschlecht/Sex. Identität". Hier wurden 204 Fälle gemeldet. Insgesamt würde der Anstieg damit mehr als ein Drittel betragen, allerdings können pro Straftat mehrere Themenfelder vergeben werden. Diese Zahlen sind außerdem nur begrenzt aussagefähig, da die Bundesländer die Erfassung homo- und transphober Straftaten recht unterschiedlich handhaben. Von den 782 Straftaten sind 154 Gewalttaten. Der tödliche islamistische Terroranschlag auf ein schwules Paar in Dresden im Oktober 2020 ist in der Statistik noch nicht registriert.
Am meisten Fälle wurden gemeldet im Bereich Fremdenfeindlichkeit (9.420, plus 19 Prozent), Ausländerfeindlichkeit (5.298, plus 72 Prozent) und Rassismus (2,899, plus 40 Prozent).

Angesichts der Zahlen forderte der Lesben- und Schwulenverband "die Einsetzung einer unabhängigen Expert*innenkommission durch die Bundesregierung", wie LSVD-Bundesvorstandsmitglied Alfonso Pantisano erklärte. "Diese soll eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt sein", so Pantisano, der den bisherigen Einsatz der Bundesregierung bei queerfeindlicher Hasskriminalität als "Totalausfall" bezeichnete. "Seit Jahren weigert sich die Große Koalition, bei der von ihr eingeführten Bestimmung zur Hasskriminalität im deutschen Strafrecht homophobe und transfeindliche Motive im Gesetz ausdrücklich zu benennen", erklärte der Aktivist. "Zuletzt ignorierte Bundesjustizministerin Lambrecht diese Forderung im Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität."
Anstieg durch Querdenker und Co.
Weitere Zahlen aus der Gesamtstatistik zeigen, dass 3.569 Straftaten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begangen worden seien. Seehofer sah dabei "neue Koalitionen zwischen einfachen, normalen Demonstranten" und Extremist*innen. Gerade teilnehmerstarke Veranstaltungen hätten ein großes Eskalationspotenzial, sagte der Innenminister. Auffallend sei hier die Gewalt gegen Journalist*innen: Von den 260 gemeldeten Straftaten gegen Journalist'innen wurden 112 im Zusammenhang mit Corona begangen – bei den Gewalttaten waren es sogar knapp die Hälfte.
Im linksextremen Spektrum verzeichnete das BKA einen starken Zuwachs an Gewalttaten um 45 Prozent. Insgesamt nahm die Zahl linksextremistisch motivierter Taten um elf Prozent auf etwa 11.000 zu. Die Zahl der religiös motivierten Straftaten stieg um zwölf Prozent. Besonders vom Islamismus gehe Gefahr aus, sagte Seehofer. Insgesamt gebe es in Deutschland 579 Gefährder*innen, 533 Menschen würden in dem Zusammenhang als "relevante Personen" geführt. Die Zahl der Straftaten, die aus einer "ausländischen Ideologie" heraus begangen wurden, halbierte sich dagegen fast.
BKA-Präsident Holger Münch erklärte, in der Statistik spiegle sich "das Ausmaß der gesellschaftlichen Spannungen und die zunehmende Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung wider." Auch für 2021 sei keine Entspannung zu erwarten. Er kündigte an, Maßnahmen und Kapazitäten vor allem im Kampf gegen rechtsextreme Kriminalität und Hasskriminalität auszubauen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nannte den Anstieg der Zahlen besorgniserregend. Das Coronavirus habe "das Immunsystem unseres Rechtsstaats geschwächt", erklärte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek. "Verfassungsfeinde gefährden in der Pandemie die innere Sicherheit wie niemals zuvor." Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte, die Zahlen seien "Ausdruck einer immer stärker werdenden Polarisierung der Gesellschaft".
Die Amadeu-Antonio-Stiftung mahnte, dass die Corona-Proteste als demokratiegefährdende Bewegung ernst genommen werden müssten. "Dass rechte Straftaten den höchsten Stand seit 20 Jahren erreicht haben, muss die Republik in den Grundfesten erschüttern", erklärte ihr Geschäftsführer Timo Reinfrank. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich aus den Reihen der Corona-Leugner Terrorzellen bilden oder einzelne Täter schwere Gewaltverbrechen verüben." (AFP/dk)
Allerdings habe ich eine Kritik, nämlich die Sparte geschlechtliche-/sexuelle Identität, da hat jemand keine Ahnung, dass das nicht identisch ist. Sexuelle Identität muss mit sexueller Orientierung zusammen genannt werden.
Desweiteren würde mich interessieren was alles unter Hasskriminalität und sonstiges fällt.