Caitlyn Jenner wirbt um Stimmen des kalifornischen Wahlvolks (Bild: Screenshot Fox News Channel)
Die kalifornische Gouverneurskandatin Caitlyn Jenner hat sich in einem zur besten Sendezeit am Mittwochabend ausgestrahlten Interview mit dem Fox-News-Moderator Sean Hannity als Vorbild der trans Community bezeichnet. "Für mich als trans Frau sind Vorbilder wirklich wichtig für junge Menschen", so Jenner. "Leute ringen mit Trans-Fragen. Unsere Selbstmordrate ist neun Mal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Ich arbeite als Vorbild für die Menschen dort draußen. Ich bin Kandidatin für das Gouverneursamt in Kalifornien, wer hätte das je gedacht? Wir hatten bislang nicht mal eine weibliche Gouverneurin."
Als Hannity mit Blick auf Kritik aus der LGBTI-Community erklärte, dass "einige Menschen sauer" auf Jenner seien, antwortete die 71-Jährige: "Das ist mir egal. Ich mach einfach weiter."
Jenner hatte in 1976 olympisches Gold im Zehnkampf der Männer geholt. Nach der Jahrtausendwende wurde sie einer Generation vor allem als Nebenfigur in der Realityserie "Keeping Up With The Kardashians" bekannt, bevor sie sich 2015 als trans outete. Im April kündigte die Republikanerin schließlich ihre Kandidatur für die Recall-Gouverneurswahl im Herbst an (queer.de berichtete). Ihr Auftritt bei Fox war ihr erstes großes Interview, seitdem sie ihre Kandidatur bekanntgegeben hat.
LGBTI-Organisationen stellen sich gegen Jenner
Die 71-Jährige kann dabei nicht auf die Unterstützung der großen LGBTI-Organisationen hoffen. Sie kritisierten wiederholt, dass Jenner 2016 im Wahlkampf Donald Trump unterstützt und seine Transphobie heruntergespielt hatte. Erst als Trump das Trans-Verbot im Militär etablierte, wandte sie sich von ihm ab (queer.de berichtete).
In dem Hannity-Interview lobte Jenner hingegen Trump, den sie als "Disruptor" (Störer) bezeichnete. Zwar habe sie seine LGBTI-Politik nicht gemocht, "aber er hat einige gute Dinge gemacht". Über den jetzigen Präsidenten Joe Biden sagte Jenner dagegen: "Ich denke, mit ihm habe ich keine einzige Übereinstimmung."
Vergangenes Wochenende hatte Jenner für Empörung in der LGBTI-Community gesorgt, als sie sich für ein schulisches Sportverbot für trans Mädchen aussprach (queer.de berichtete). Wegen ihrer sehr fragilen Haltung gegenüber LGBTI-Rechten wird sie oft als "Auntie Caitlyn" verspottet, also als LGBTI-Version von "Uncle Tom" – dieser Begriff steht für einen Afroamerikaner, der durch sein unterwürfiges Verhalten gegenüber Weißen Rassendiskriminierung indirekt unterstützt.
Am Dienstag stellte Jenner auch einen ersten dreiminütigen Wahlwerbespot vor, in dem sie Kalifornien als gescheiterten Bundesstaat präsentierte, der durch sie gerettet werden müsse.
Jenners Auftritt bei Fox News wurde in sozialen Netzwerken kritisiert, weil sie sich mit Moderator Sean Hannity ausgerechnet einen der wohl LGBTI-feindlichsten Köpfe des Senders für das Interview ausgesucht hatte. Hannity hatte in der Vergangenheit etwa Aids als "schwule Krankheit" bezeichnet. In seiner Radiosendung hatte er Homosexuelle als minderwertig dargestellt und erklärt: "Jeder, der dieser Sendung zuhört und glaubt, dass Homosexualität ein normaler Lebensstil ist, ist einer Gehirnwäsche unterzogen worden." Auch seine unbarmherzige Haltung gegenüber Migrant*innen und seine Verharmlosung von sexueller Gewalt gegen Frauen stießen wiederholt auf Kritik. Er galt außerdem lange Zeit als Corona-Leugner: Am 27. Februar 2020 zeigte er etwa eine Grafik mit der Zahl der US-Corona-Toten, die bei null liege. Inzwischen haben die USA fast 580.000 Todesopfer gemeldet. (dk)
Vor guten einem Jahr feierte Hannity noch, dass es in den USA null Corona-Tote gebe – heute sind in Amerika mehr Menschen an oder mit Corona gestorben als in jedem anderen Staat der Erde