Die Aktion #liebegewinnt will aus der katholischen Kirche eine Glaubensgemeinschaft machen, die auch Schwule und Lesben willkommen heißt
Mit Segnungsgottesdiensten auch für gleichgeschlechtliche Paare haben sich deutsche Katholik*innen am Montag gegen ein Verbot des Vatikans gestellt. Nachdem erste Gottesdienste unter dem Motto "Liebe gewinnt" schon am Sonntag abgehalten worden waren, wurden am Haupttag der Aktion bundesweit Paare gesegnet – egal ob schwul, lesbisch oder hetero.
Die Kölner Band Brings unterstützte die Aktion mit einer Neuaufnahme ihres Songs "Liebe gewinnt" (queer.de berichtete). "Macht den Mund auf und hängt die bunten Fahnen an die Kirchen!", appellierte Sänger Peter Brings. Die Musikgruppe wird am Abend im Rahmen der Aktion in einer Kirche in Hamm auftreten – der Gottesdienst wird live online übertragen.
Die beiden Ehemänner Andreas und Thomas zeigten sich in Köln bewegt von einem Segnungsgottesdienst unter freiem Himmel. Der 56-jährige Andreas ist schon vor Jahren ausgetreten, der 59-jährige Thomas aber hält der Kirche die Treue, weil sie nach seiner Überzeugung auch viel Gutes tut. Der Segen bedeute ihm viel, sagte Thomas: "Er stellt unsere Beziehung unter den Segen Gottes. Es ist uns wichtig, dass wir nicht nur juristisch miteinander verbunden sind."
ZdK-Chef hat Zweifel an Aktion
Insgesamt wurden rund 100 Gottesdienste abgehalten. Eine Aktion dieser Art und Größenordnung hat es in der Kirche bisher noch nicht gegeben. Nicht alle sind glücklich damit. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich kann das verstehen, weiß nur nicht, ob sich die Intimität der Segenszusage Gottes für eine Liebesbeziehung für einen politisch demonstrativen Akt eignet."
Twitter / jfinn6511 | Die deutsche Aktion #liebegewinnt wird auch aus dem Ausland interessiert beobachtet – etwa vom amerikanischen LGBTI-Aktivisten James Finn, der eine derartige Aktion auch für englischsprachige Länder fordert
Segnungen homosexueller Paare würden vielfach schon in katholischen Gemeinden praktiziert, sie seien nichts Ungewöhnliches, sagte Sternberg. Die Frage sei, ob sie für eine politische Manifestation geeignet seien. Ähnlich hatte sich zuvor schon der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, geäußert.
Pfarrer: "Jeder Gottesdienst ist politisch"
Einer der Initiator*innen, Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm, widersprach dem. Natürlich dürften Gottesdienste nicht instrumentalisiert werden. "Andererseits ist jeder Gottesdienst politisch", sagte Mönkebüscher der Deutschen Presse-Agentur. "Jetzt in diesem Zusammenhang finde ich, dass die Gottesdienste ein Schulterschluss sind mit all denjenigen, die sich von diesem Nein aus Rom verletzt fühlen."
Im März hatte die Glaubenskongregation des Vatikans klargestellt, dass es "nicht erlaubt" sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen "nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden" könnten (queer.de berichtete). Im deutschsprachigen Raum protestierten zahlreiche katholische Verbände und über 280 Theologieprofessor*innen dagegen (queer.de berichtete).
Woelki droht homofreundlichen Priestern
Unterstützt wird das Segnungsverbot für homosexuelle Paare unter anderem von dem konservativen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki (queer.de berichtete). Das Erzbistum Köln hat Gespräche mit Priestern angekündigt, die sich über das Verbot hinwegsetzen. Woelkis Einstellung wirkt in den Augen vieler Gläubigen besonders bizarr, weil er seit Wochen damit beschäftigt ist, die Beförderung eines Pfarrers zu rechtfertigen, der zuvor Sex mit einem 17 Jahre alten Prostituierten zugegeben hatte (queer.de berichtete). Mittlerweile ist der Pfarrer nach dem Bekanntwerden weiterer Vorwürfe beurlaubt. Der Kölner Katholikenausschuss zeigte sich "fassungslos".
Pfarrer Ulrich Hinzen, der in Köln einen Segnungsgottesdienst in der Gemeinde Christi Auferstehung zelebrierte, sagte, er rechne mit einer Reaktion des Erzbistums. "Dem werde ich mich stellen. Ich habe vor einem solchen Gespräch keine Angst und befürchte auch keine Sanktionen." Er stehe zu jeder Aussage seiner Predigt.
Hinzen hatte unter anderem gesagt, dass Sexualität eine "kostbare Gabe der vielfältigen Schöpfung Gottes" sei. "Unsere Kirche wird sich kritisch fragen lassen, ob die rigide kirchliche Sexualmoral nicht auch zur sexuellen Unreife einiger Priester beigetragen hat, die Kinder und junge Menschen missbrauchten." Die Sexualmoral unterliege zeitbedingten Veränderungen, denen sich auch die Kirche nicht einfach entziehen könne. "Eine Kirche, die glaubt, sie könne den göttlichen Segen in eine bestimmte Richtung kanalisieren, handelt gegen das Liebesgebot", sagte Hinzen.
Konservative Katholik*innen fordern, Befehle aus dem Vatikan zu akzeptieren
Ablehnung gibt es auch von anderen konservativ-katholischen Organisationen oder Aktivist*innen. Die katholische Publizistin Birgit Kelle schrieb etwa im "Focus" von einer angeblich "andersdenkenden Mehrheit" in Deutschland, die die Segnung Homosexueller ablehne. Allerdings sei es ohnehin unmöglich, über Homosexuellenrechte in der Kirche abzustimmen: "Wir können nicht über Gottes Schöpfung abstimmen und vor allem ist das Unterfangen haltlos zu meinen, wir könnten den Schöpfer überstimmen." Die Initiative Maria 1.0 (Motto: "Maria braucht kein Update") rief deutsche Bischöfe und Priester dazu auf, die Anweisungen Roms zu akzeptieren. Sonst stehe die Einheit der Kirche auf dem Spiel.
Laut Kelle wollen nur böse "Gutchristen" Schwule und Lesben gleichbehandeln
Die Initiator*innen von #liebegewinnt zeigten sich unterdessen "überwältigt" vom Erfolg der Aktion. Sie "hätten sich nicht denken können, dass aus diesem 'Graswurzel'-Impuls eine Bewegung hervorging, die am Ende 110 offiziell gelistete Segnungsgottesdienste hervorbrachte", heißt es in einer Pressemitteilung vom Montagnachmittag. Es sei bewusst darum gegangen, die Gottesdienste öffentlich zu vollziehen. "Nicht, um die Paare vorzuführen, sondern weil die Initiator*innen "die z.T. jahrzehntelange Praxis des heimlichen Segnens als unwürdig empfanden". Diese Praxis habe ein Muster offenbart, "das in keiner Gesellschaft, die sich den fundamentalen Menschenrechten verpflichtet fühlt, mehr tragbar ist".
Mit einem Ende der amtskirchenkritischen Aktionen ist nicht so schnell zu rechnen, denn schon am nächsten Montag geht es mit einem anderen rebellischen Akt weiter: Für den 17. Mai – den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie und den Tag der Apostelin Junia – ruft die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands zum bundesweiten Predigerinnentag auf. Zwölf Frauen predigen dann in katholischen Messen, was sie wegen ihres Geschlechts offiziell nicht dürfen. Eine von ihnen, Ulrike Fendrich aus Essen, sagte: "Frauen sind zur Verkündigung berufen. Es steht niemandem zu, ihnen diese Berufung abzusprechen, nur weil sie Frauen sind." (dpa/dk)
Und alles, was nicht volle Gleichstellung ist, ist per definition Diskriminierung.
Ich weiß nicht, was es an fortgesetzter Diskriminierung zu feiern oder gar zu bejubeln gibt...