Am heutigen Dienstag will die Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee der liberalen Imamin Seyran Ateş die neue Akzeptanzkampagne "Liebe ist halal" vorstellen. Ateş und ihre Mitstreiter*innen wollen zeigen, dass LGBTI auch in der islamischen Tradition immer schon vorhanden waren und ihren Platz hatten.
Die Kampagne startet mit einer Plakataktion in Berlin mit fünf queeren Motiven: Der schwule 23-jährige Tugay erklärt: "Ich bin Muslim, gläubig und habe trotzdem Sex. Mit Männern!" Kweengipsy, ebenfalls 23, stellt auf den Postern klar: "Ich bin mal er, mal sie, Aber immer Muslim*in. Das entscheide ich." Mit der 25-jährigen Marwa zeigt auch eine junge Lesbe Gesicht.
Marwa: "Meine Eltern akzeptieren nicht, dass ich lesbisch bin. Ich liebe sie trotzdem."
Auf beiden weiteren Motiven mit der bisexuellen Selin und der trans Person Rachida sind die Gesichter der Testimonials nicht erkennbar. Die nötigen Flächen werden vom Außenwerbungsdienstleister Wall GmbH zur Verfügung gestellt. Die Webseite zur Kampagne liebe-ist-halal.de bietet weiterführende Informationen.
Prominente Kampagnenbotschafter*innen
Konzipiert wurde die Kampagne von der "Anlaufstelle Islam und Diversity" der Moschee. Der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner tritt wie der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), als Kampagnenbotschafter auf. Auch Jörg Litwinschuh-Barthel, der geschäftsführende Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), gehört zu den Unterstützer*innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Kultur.
Selin: "Ich mag Frauen, ich mag Männer. Und meinen Glauben!"
"Sehr gerne bin ich Botschafter dieser wunderbaren Kampagne geworden", erklärte Litwinschuh-Barthel gegenüber queer.de. "Sie geht weiter als frühere Kampagnen z.B. des LSVD, ist inklusiver und zugleich ein religiöses Statement: Es geht nicht 'nur' um die angestrebte Akzeptanz von LSBTIQ* unter Muslimen, sondern vielmehr um einen religiösen Brückenschlag." Der Slogan "Liebe ist halal" sei mehr als eine Botschaft, so der BMH-Chef. "Es ist eine Aufforderung, die Heilige Schrift zeitgemäß zu interpretieren. Damit werden Tabus konkret angesprochen und eine Aufgabe beschrieben, denen sich die verschiedenen islamischen Denkschulen und Imame in Deutschland endlich stellen müssen."
"Es ist keine westliche Erfindung, die wir hier verbreiten"
Man wolle, so Ateş im Gespräch mit queer.de, darüber Aufklärung leisten, "dass Islam und LGBTI sehr wohl zusammen gehen". Man wolle als Teil der Kampagne im gleichnamigen, queeren Podcast auch Betroffene zu Wort kommen lassen. Bereits in einer früheren Podcastserie unter dem Namen "Queer Almanistan" erzählten trans, lesbische, bisexuelle oder schwule Muslim*innen "einfach mal so aus ihrem Leben". Die zur Kampagne gehörige Homepage diene darüber hinaus dem Zweck der Kontaktaufnahme, um muslimischen LGBTI "mit Rat und Tat zur Seite stehen" zu können.
In einem weiteren Schritt, so Ateş, solle die Arbeit mit Themenreihen weitergeführt werden. Vorab berichtete die Imamin von der Reihe "Männer in Frauenkleidung", bei der es beispielsweise um die türkische Tradition des Köçek gehe. Die Köçekler waren in der Vergangenheit junge, zumeist schwule Männer, die im osmanischen Reich in Frauenkleidern getanzt haben und mit denen die Ausübung männlicher Homosexualität teilweise legal gewesen war. "Es ist heute noch Tradition, dass sie zu Hochzeiten eingeladen werden", erklärt Ateş dazu. Man wolle von solchen alten Traditionen erzählen und dabei auch zeigen, dass es diese Kulturen auch unabhängig vom Westen und seinem Einfluss immer schon gegeben habe: "Wir erfinden nichts Neues, es ist keine westliche Erfindung, die wir hier verbreiten", so Ateş.
Rachida: "Ich bin trans. Mein Körper gehört mir. Wie mein Glaube."
In der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee beten alle Geschlechter gemeinsam
Seit die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee im Jahr 2017 in Berlin-Moabit eröffnet wurde, sorgt sie durch ihr gesellschaftliches Engagement immer wieder für Diskussionen. In der Moschee beten alle Geschlechter gemeinsam, außerdem werden LGBTI-Muslim*innen aktiv willkommen geheißen.
Im Jahr 2018 erklärte Ateş den Berliner Christopher Street Day öffentlichkeitswirksam für "halal" und überreichte ein entsprechendes Zertifikat (queer.de berichtete). Im Gegenzug zeichneten die Pride-Veranstalter*innen Ateş im selben Jahr mit dem "Soul of Stonewall Award" aus, mit dem jedes Jahr das Engagement für die Menschenrechte von LGBTI gewürdigt wird (queer.de berichtete).