Vom Schauspielhaus Zürich zur Hauptrolle in der ersten deutschen queeren TV-Serie – kein schlechter Karrieresprung für Benito Bause. Schon beim Schauspiel-Studium gibt es einen ersten Preis für den jungen Darsteller. Sein erstes Festengagement führt ihn 2017 an das Schauspielhaus Zürich, gefolgt vom Residenz-Theater in München.
Nun gibt Benito Bause in der ARD-Dramedy-Miniserie "All you need" den attraktiven schwulen Helden, der so seine Probleme bekommt, als sein One Night Stand eine Beziehung möchte. Von Homophobie und Rassismus im Alltag ganz zu schweigen. Eine zweite Staffel ist bereits in Arbeit.
Bause als Vince auf dem Poster zur Serie; "All you need" gibt es seit 7. Mai 2021 in der ARD-Mediathek sowie am 16. und 17. Mai auf ONE
Herr Bause, drei Jahrzehnte nach dem schwulen Kuss in der "Lindenstraße" gibt es nun die erste queere Serie im deutschen Fernsehen? Wie fühlt man sich?
Ich fühle mich gut, dass ich bei dieser Serie dabei sein darf. Zumal ich diese Rolle des Vince unglaublich spannend finde. Es geht bei "All you need" um Themen, die wirklich aktuell und auch wichtig sind, wie Alltagsrassismus oder Schwulenfeindlichkeit, die auch viel zu wenig behandelt werden, gerade auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Insofern gibt einem das schon ein bisschen ein Pionier-Gefühl. (lacht)
Der Sendeplatz ist nach Mitternacht auf ONE bzw. in der ARD-Mediathek versteckt – schmälert das nicht das Pioniergefühl? In England laufen queere Serien zur besten Sendezeit…
Man darf nicht vergessen, dass eine Online-Ausstrahlung auch viele Freiheiten mit sich bringt. Das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch die Länge der Serien. Die müssen nicht minutiös eingehalten werden, weil man kein Zeit-Korsett hat, wie es im linearen Fernsehen mit seinen Programmplätzen üblich ist. Das hat sich bei der Serie "Druck" ja auch ganz gut bewährt.
Auch bei intimeren Szenen dürfte es mehr Freiheiten geben. Der Nachspann nennt eigens einen "Intimacy Coach". War da ein Sex-Therapeut am Set?
Der Intimacy Coach Matt Lambert führt einen auf behutsame und kluge Weise an intime Szenen heran. Das kann um Sex gehen oder auch ums Küssen.
Sind Sie nicht schon alt genug, um selbst zu wissen, wie Küssen geht?
Das stimmt, aber der Intimacy Coach ist eben auch dabei, wenn man mit einem Kollegen nackt im Bett liegt. Solche Szenen werden mit einem kleinen Team gedreht, aber dieser Trainer vermittelt da ein sicheres Gefühl, weil er für alle Ängste oder Fragen immer zur Verfügung steht. Gleichzeitig betont er immer, dass solche Szenen eben gerade nicht perfekt sein müssen. Es geht nicht um die perfekte Sexszene, sondern um die Geschichte und die Figuren. Deswegen kann und soll es passieren, dass mir das Bein einschläft, weil der Partner zu lange drauf liegt. Oder man küsst eine falsche Stelle und beide müssen lachen.
Szene aus der ersten Folge von "All you need": Vince (Benito Bause, li.) verliebt sich in Robbie (Frédéric Brossier) (Bild: ARD Degeto / Andrea Hansen)
Also so eine Art Dr. Sommer beim Dreh?
(lacht) Ich habe Dr. Sommer wenig gelesen, das war ein bisschen vor meiner Generation. Aufklärungsbedarf hatte eigentlich auch keiner von uns am Set. Es ging vor allem darum, gemeinsam mit einem Profi die Choreografie solcher intimen Szenen für die Kamera zu entwickeln. Das war eine angenehme Erfahrung.
Wie angenehm ist die Erfahrung, alle Hüllen fallen zu lassen vor der Kamera und Tausenden Zuschauern?
Die Beklemmung und Ängste waren bei mir da sehr gering. Als ich dann nur im Bademantel mit kalten Füßen am Set stand, war die Aufregung schon etwas größer – wobei das eher eine Art von Vorfreude war. Denn ich konnte mich auf ein sicheres, angstfreies Umfeld beim Dreh verlassen, das unser Regisseur und Drehbuchautor Benjamin Gutsche wunderbar geschaffen hat.
Wie groß sind die Schnittmengen zu Ihrer Figur Vince? Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit Rassismus im Alltag gemacht?
Um es mit der Rassismusexpertin Tupoka Ogette zu sagen: "Rassismus ist die Norm und nicht die Ausnahme". Was Vince im Film erzählt, habe ich teilweise ähnlich erlebt. Meine eigenen Erfahrungen durfte ich für die Figur auch einbringen, wofür unser Regisseur sehr offen war. Zum Beispiel geht es mir immer so, dass ich bei der Zollkontrolle jedes Mal herausgezogen werde. Wenn ich meine Gitarre dabeihabe, werde ich am Flughafen Zürich zu 99 Prozent kontrolliert.
Gewöhnt man sich daran?
Daran gewöhnt man sich nie. Man gewöhnt sich nur daran, damit umzugehen. Für mich heißt das, solche Dinge anzusprechen. Gleichzeitig gilt es abzuwägen, gegenüber wem ich so etwas anspreche. Wenn es, wie in einer Szene der Serie, ein "Hobby-Hitler" im Kiosk ist, würde ich auf eine Reaktion besser verzichten. Das wäre Energieverlust und diesen Menschen wird man nie wieder sehen.
Öffentlich-rechtliches Cruising: Vince in der schwulen Sauna (Bild: ARD Degeto / Andrea Hansen)
Man kann der Serie vorwerfen, dass die Figuren geradewegs einem Ralf-König-Comic entsprungen sein könnten. Wären weniger Klischees nicht mehr Glaubwürdigkeit?
Robbie, der Freund von Vince, ist doch ein recht bodenständiger Kerl. Eine heteronormative Gesellschaft würde ihn sicher als "ganz normal" aufnehmen. Genau das wirft Vince ihm ja einmal vor: Er habe alles abgelegt, nur um nicht mehr aufzufallen und jedem Konflikt aus dem Wege zu gehen. Für mich ist das eine legitime Strategie – aber darüber lässt es sich gut streiten.
Was ist die wichtigste Qualität in Ihrem Beruf?
Dass man extrem schnell in eine Arbeit einsteigen kann. Und sie ebenso schnell wieder loslassen kann. Wichtig ist sicher auch die Bereitschaft, ins kalte Wasser zu springen.
Infos zur Serie
All you need. Dramedy-Miniserie. Deutschland 2020. Buch und Regie: Benjamin Gutsche. Darsteller*innen: Benito Bause, Arash Marandi, Frédéric Brossier, Mads Hjulmand, Christin Nichols, Julius Feldmeier, Karsten Speck, Dennis Hofmeister, Mona Pirzad, Matthias Freihof, Jale Arikan, Martin Bruchmann. Laufzeit: 5 Folgen à 28 bis 34 Minuten. Seit 7. Mai 2021 in der ARD-Mediathek und am 16. und 17. Mai auch auf ONE
das pioniergefühl wäre bei einem schwulen schauspieler vermutlich nicht aufgekommen, es gibt aber einen hinweis darauf, warum diese serie so rüberkommt, wie sie ist.