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Mode, Partys, Drogen
Der schwule Designer, der Privatpornos drehte
Ryan Murphys neue Netflix-Serie "Halston" erzählt den Aufstieg und Fall des legendären New Yorker Modemachers Roy Halston Frowick mit vielen aberwitzigen Anekdoten.

Lässt keine Party aus: Ewan McGregor als Modemacher Holston im Studio 54 (Bild: Atsushi Nishijima / Netflix)
16. Mai 2021, 08:52h 4 Min. Von
Viel Einführung gibt es nicht in "Halston", dem neuen Fünfteiler aus dem Hause Ryan Murphy (zu sehen bei Netflix). Die Serie setzt schon zu Beginn der 1960er Jahre ein, als Roy Halston Frowick – privat wie beruflich nur Halston genannt – gerade den Pillbox-Hut entworfen hat, denn Jackie Kennedy bei der Amtseinführung ihres Mannes getragen hat. Plötzlich stürmen die Kundinnen das New Yorker Edelkaufhaus Bergdorf Goodman, wo Halston (gespielt von Ewan McGregor) als Hutmacher angestellt ist – und nun so richtig durchstartet.
Als Hüte ein paar Jahre später nicht mehr wirklich en vogue sind, entwirft Halston auch Kleider, macht sich mit einer Boutique auf der Madison Avenue selbstständig und wird in den 1970er Jahren schließlich zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Modedesigner der USA. Kaftans und Shirt-Kleider gehören zu seinen Spezialitäten, als einer der ersten setzt er auf synthetische Stoffe, und sein erstes Parfum 1975 wird zum Bestseller, der seinesgleichen sucht.
Ein exzessives schwules Leben
Zu jenem Zeitpunkt hat Halston seine Firma samt Markennamen bereits an einen Konzern verkauft und ist als Chefdesigner nur noch Angestellter. Zu tun hat er mehr als genug: Von Bettwäsche über Teppiche bis hin zu Koffern gibt es kaum etwas, das er nicht entwirft. In den Achtzigern beginnt dann der Abstieg. Ein Deal mit einer Mode-Kette bringt viel Geld, ruiniert aber den Ruf, privat bricht Halston mit zahllosen Wegbegleiter*innen und hat seine Koks-Sucht endgültig nicht mehr im Griff. Als er 1990 an den Folgen seiner Aids-Erkrankung stirbt, hat er seinen Job und die Rechte am eigenen Namen längst verloren.
Wer weder den gleichnamigen Dokumentarfilm (verfügbar bei Amazon Prime Video) noch die Biografie "Simply Halston" (die nun der Serie zugrunde liegt) kennt, kommt bei "Halston" durchaus auf seine Kosten. Alle wichtigen Stationen dieses exzessiven schwulen Lebens haben in den fünf Folgen ihren Platz, Aufstieg und Fall werden gewissenhaft nachgezeichnet, natürlich inklusive der wichtigsten Schlüsselfiguren in Halstons Umfeld, von seiner Freundin und Muse Liza Minnelli (Krysta Rodriguez) bis hin zu seiner großen, aber letztlich nie wirklich glücklichen Liebe Victor Hugo (Gian Franco Rodriguez).
Halstons Innenleben wird nur oberflächlich gestreift

Poster zur Serie: "Halston" läuft seit 14. Mai 2021 auf Netflix
Für alle aberwitzigen Anekdoten, die es über den stets über seine Verhältnisse lebenden Designer zu berichten gab, ist hier Platz, von den Unmengen an Koksresten im Hörer, die irgendwann das Telefonieren unmöglich machten, über die Mahlzeiten, die er sich täglich im Privatflugzeug aus Manhattan in sein Sommerhaus in Montauk fliegen ließ, bis hin zu den Privatpornos, die er mit Callboys und anderen dreht.
Was Murphy und seine Mitstreiter Sharr White und Ian Brennan allerdings jenseits eines Abhakens biografischer Details an Halstons Leben wirklich interessiert, wird in der Serie nie ganz klar. Die Mode ist es nicht, dazu nimmt sie hier zu wenig Raum ein. Aber auch das Innenleben ihres Protagonisten wird nur oberflächlich gestreift. Was Halston umtrieb und ausmachte, als Designer wie als Mensch, erklärt sich jedenfalls nicht aus ein paar kurzen Rückblenden in die ländliche Kindheit oder Sätze wie "Ich bin gar keine Person mehr, nur noch eine Marke."
Hervorragender Cast und schwule Sexszenen
Erkennt Ryan Murphy womöglich sich selbst in ihm wieder? Der Außenseiter mit der schwierigen Kindheit, der sehr schnell sehr erfolgreich wird, sich irgendwann aber mit einem Übermaß an Projekten übernimmt und schließlich trotz allen Reichtums darunter leidet, dass die Kritiker ihm schließlich nicht mehr gewogen sind? Möglich ist das, doch das künstlerische Feuer in "Halston" lodert so schwach, dass man solche Abgründe nicht wirklich erkennen kann.
Was bleibt – und gegen die Langeweile hilft – sind immerhin die Schauwerte, denn bunt und prächtig geht es natürlich auch in dieser Murphy-Produktion zu. Krysta Rodriguez' "Liza With a Z"-Auftritt gleich in der ersten Folge ist sensationell, ebenso wie Rebecca Dayan als Halstons enge Wegbegleiterin und Schmuckdesignerin Elsa Peretti. Später reitet Bianca Jagger auf ihrem Schimmel ins Studio 54, Vera Farmiga schnüffelt als Parfumeurin an einem getragenen Jockstrap und Martha Graham (Mary Beth Peil) oder Joel Schumacher (Rory Culkin) treten ebenfalls auf.
Und ein paar kurze schwule Sexszenen sind natürlich auch zu sehen. Das ist nicht nichts. Aber die Summe schicker Einzelteile ergibt eben noch kein substantielles Ganzes.
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Links zum Thema:
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