Mehrere Dutzend Männer haben sich in einem luxuriösen privaten Anwesen zusammengefunden. Ein Orchester spielt, alles ist ein schummriges Licht getaucht. Etwa die Hälfte der Gäste trägt imposante Kleider, der Rest edlen Frack. Man hat sich in unterschiedlichen Paarungen zusammengefunden und tanzt. Es ist ein Ball, wie er im Jahr 1901 auch in Mexiko-Stadt nicht stattfinden darf. Die Polizei stürmt herein, treibt die Männer zusammen und nimmt sie fest.
Dieses tatsächliche Ereignis, auf dem David Pablos Historiendrama "Der Ball der 41" beruht, klingt nach einer vielversprechenden Vorlage für einen mitreißenden Film: Ausladende Kostüme und das Gerücht, dass auch der Schwiegersohn des damaligen Präsidenten Porfirio Díaz Gast der queeren Party war, er ihn als die Nummer 42 aber von der Liste der Festgenommenen streichen ließ – das birgt sowohl im Hinblick auf die Ästhetik als auch den Plot großes Potenzial. Dieses tatsächlich auszuschöpfen, ist dem Film, der seit 12. Mai auf Netflix zu sehen ist, höchstens visuell gelungen.
Eine abgedroschene Vorgeschichte
Doch die überaus gelungenen Kostüme und Kulissen trösten nicht über das uninspirierte Drehbuch Monika Revillas hinweg, das um das Ereignis, in dessen Zuge in Mexiko angeblich zum ersten Mal breit über das Thema "Homosexualität" berichtet und debattiert wurde, eine abgedroschene Vorgeschichte spinnt. Diese kreist um besagten Schwiegersohn, Ignacio de la Torre y Mier (Alfonso Herrera), und setzt sich aus Versatzstücken zusammen, mit denen seit jeher über das geheime Doppelleben schwuler Männer in heterosexuellen Ehen erzählt wird.
Zumindest die Kostüme überzeugen in "Der Ball der 41" (Bild: Netflix)
Bereits als Ignacio seine Braut Amada Díaz (Mabel Cadena) ehelicht, ist er sich seiner sexuellen Orientierung bewusst und Mitglied des geheimen Clubs für Schwule aus der mexikanischen Elite, der später den titelgebenden "Ball der 41" ausrichten wird. Dem Zuschauenden wird das vermittelt, indem ihm ein älterer Herr bei einem offiziellen Anlass augenzwinkernd mitteilt, er solle sich mal wieder sehen lassen, denn es gäbe "neue Zigarren".
Die Bilder wiederholen sich
Szenen wie diese sind symptomatisch für die fehlende Nuanciertheit des Dramas. Seine Bilder wiederholen sich, man kennt sie allerdings schon, bevor sie der Film das erste Mal verwendet: Mehrmals ist zu sehen, wie Ignacio versucht mit seiner Frau zu schlafen, wie groß das Unwohlsein und auch die Erniedrigung für beide ist. Die plakative Erzählweise lässt kaum Raum für eigene Interpretationen, stets wird überdeutlich gezeichnet, was gerade passiert.
Die zwischenmenschlichen Beziehungen bleiben blass (Bild: Netflix)
So auch, als wenig später Evaristo Rivas (Emiliano Zurita) in Ignacios Leben tritt. Ausgerechnet im Kongressgebäude lernen sie sich kennen – und die Blicke, die sie sich dort zuwerfen, verschaffen schnell Klarheit darüber, was man voneinander denkt. Es dauert nicht lange, bis er ihn ebenfalls in den Club einführt. Nach einigen ebenso stereotypen Darstellungen von ausschweifenden Orgien und einigem ziellosen Mäandern kommt, was kommen muss: Amada findet mit "Eva" unterschriebene Liebesbriefe in den Schlafgemächern ihres Gatten, und das geheime Doppelleben kommt ans Licht.
Da es dem Drama bis zu diesem Zeitpunkt nicht gelungen ist, lebendige Charaktere oder nachempfindbare zwischenmenschliche Beziehungen zu zeichnen, vermag selbst das Finale, in dem sich ein wütender Mobb über die festgenommenen Männer hermacht, nicht mitzureißen.
Infos zum Film
Der Ball der 41. Originaltitel: El baile de los 41. Historiendrama. Mexiko 2020. Regie: David Pablos. Drehbuch: Mónica Revilla. Darsteller*innen: Alfonso Herrera, Emiliano Zurita , Mabel Cadena. Laufzeit: 93 Minuten. Sprache: spanische Originalfassung. Untertitel: Deutsch (optional). Seit 12. Mai 2021 auf Netflix.
So muss man immer abwägen. Mexiko hat neben Brasilien die bedeutendste Filmindustrie des Teilkontinents, der Film steht also eher für Qualität und stammt ja nicht aus El Salvador, wo man wenig Erfahrung mit dem Filmen hat. Also, überlasst es dem mündigen Zuschauer, sich ein Bild dieses Filmes zu machen.