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Neue Rangliste
Rainbow Europe: Stillstand bei LGBTI-Rechten
Im Corona-Jahr ist der Elan der nationalen Gesetzgeber, queere Menschen besser zu schützen, fast vollständig zum Erliegen gekommen. Deutschland ist immer noch weit von den Top Ten entfernt.

Europa ist bei LGBTI-Rechten ein weiterhin in Nord und Süd sowie West und Ost geteilter Kontinent (Bild: ILGA-Europe)
17. Mai 2021, 11:42h 3 Min. Von
In Europa gab es im letzten Jahr so gut wie keine Fortschritte bei LGBTI-Rechten. Das ist das Ergebnis des am Montag veröffentlichten "Rainbow Europe"-Berichts, in dem die Organisation ILGA Europa bereits zum zwölften Mal eine Analyse der rechtlichen Lage von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in den europäischen Nationalstaaten durchführte. Generell gilt, dass Länder im Norden und Westen besser abschneiden als im Süden oder Osten.
Im Ranking der 49 Länder gibt es nur wenig Unterschiede im Vergleich zum Vorjahr: Malta führt die Liste erneut mit großen Vorsprung an. Der kleine Inselstaat hat die Ehe für alle eingeführt, als erstes europäisches Land "Homo-Heilung" verboten und bereits vor sechs Jahren eines der fortschrittlichsten Transsexuellengesetze der Welt beschlossen.
Hinter Malta auf den weiteren Plätzen folgen wie letztes Jahr Belgien und Luxemburg. Die Top Ten werden komplettiert durch Portugal, Norwegen, Finnland, Schweden, Spanien, Dänemark und Großbritannien. Deutschland und Österreich stehen wie im letzten Jahr auf Rang 16 und 17 – 2018 lagen beide Länder noch auf Rang zwölf und 13 (queer.de berichtete). Die Schweiz, in der gerade die Einführung der Ehe für alle wegen der direkten Demokratie verzögert oder gar gestoppt wird, kann sich dieses Jahr leicht um eine Position auf Rang 22 verbessern.
Twitter / infoTGNSIDAHOBIT: Schweiz auf Platz 22 von 49 im jährlichen Ranking für LGBTI-Rechte
TGNS (@infoTGNS) May 17, 2021
Damit bleibt die Schweiz – ohne Ehe für alle & erleichterte Personenstandsänderung – weiterhin im europ. Mittelfeld. @chparlament#RainbowEurope @ILGAEurope
#IDAHOBIT2021 https://t.co/6EzBDpNJhI pic.twitter.com/6o16WB1WgQ
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Ganz hinten in der Liste liegen wie schon im letzten Jahr Russland, Armenien, die Türkei und Aserbaidschan als Schlusslicht. Innerhalb der Europäischen Union hält Polen die Rote Laterne vor Lettland und Rumänien.
"Sehr kritischen Zeit für die LGBTI-Communitys"
ILGA Europe zeigte sich enttäuscht, dass sich beispielsweise in keinem einzigen Land die rechtliche Lage gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder von Regenbogenfamilien verbessert habe: "Es ist sehr besorgniserregend mitzuteilen, dass es einen fast totalen Stillstand bei LGBTI-Rechten gegeben hat. Und das in einer sehr kritischen Zeit für die LGBTI-Communitys", so ILGA-Europe-Chefin Evelyne Paradis in einer Stellungnahme. "Im letzten Jahr haben wir einen Anstieg der Repressionen gegen LGBTI gesehen, sozio-ökonomische Not und eine steigende Zahl LGBTI-feindlichen Hasses auf den Straßen in der Region. Vor diesem Hintergrund muss die Antwort der Regierungen besser und zielgerichteter ausfallen, um sicherzustellen, dass Menschen besser geschützt sind, nicht weniger. Die Menschenrechte von LGBTI kann man nicht einfach vergessen, wenn die äußeren Umstände schwierig sind."
Twitter / ADS_Bund | Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist nicht glücklich über das Ergebnis DeutschlandsAn der Position von im #RainbowEurope-Ranking hat sich leider erneut nicht viel getan. Ein unveränderter Platz 16 im europäischen Vergleich sollte dazu anspornen, die rechtliche und politische Lage von #LSBTI entschlossener zu verbessern. #IDAHOBIT https://t.co/BcRwZu43UY
Antidiskriminierung (@ADS_Bund) May 17, 2021
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Bei der Errechnung der "Rainbow Europe"-Tabelle nutzt ILGA-Europe dutzende Kriterien, mit der die rechtliche Lage von queeren Menschen ausgewertet werden – so spielt etwa eine Rolle, ob ein Land umfassende Antidiskriminierungsrichtlinien anbietet, die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben umgesetzt hat oder trans Menschen rechtlich anerkannt werden. In der Liste schneiden eigentlich recht weltoffene Kleinstaaten wie Liechtenstein, San Marino oder Monaco sehr schlecht ab, weil sie sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Gesetzen kaum berücksichtigen – alle drei Länder erkennen etwa trans Menschen nicht an und erhalten deshalb in diesem Bereich eine Nuller-Wertung.
1. (1.) Malta (94 / +5)
2. (2.) Belgien (74 / +1)
3. (3.) Luxemburg (72 / -1)
4. (7.) Portugal (68 / +1)
5. (5.) Norwegen (67 / -1)
6. (8.) Finnland (65 / -1)
7. (10.) Schweden (65 / +2)
8. (6.) Spanien (65 / -2)
9. (4.) Dänemark (64 / -4)
10. (9.) Großbritannien (64 / -2)
11. (11.) Montenegro (63 / +1)
12. (12.) Niederlande (61 / -1)
13. (13.) Frankreich (57 / +1)
14. (14.) Island (54 / unv.)
15. (15.) Irland (53 / +1)
16. (16.) Deutschland (52 / +1)
17. (17.) Österreich (50 / unv.)
18. (18.) Griechenland (47 / -1)
19. (19.) Kroatien (46 / unv.)
20. (20.) Slowenien (42 / unv.)
21. (22.) Bosnien-Herzegowina (40 / +3)
22. (23.) Schweiz (39 / +3)
23. (21.) Estland (38 / unv.)
24. (24.) Kosovo (35 / unv.)
25. (25.) Andorra (35 / unv.)
26. (28.) Albanien (33 / +2)
27. (27.) Ungarn (33 / unv.)
28. (26.) Serbien (33 / unv.)
29. (29.) Zypern (31 / unv.)
30. (31.) Slowakei (30 / unv.)
31. (33.) Nordmazedonien (27 / +2)
32. (30.) Georgien (27 / -3)
33. (32.) Tschechien (26 / unv.)
34. (34.) Litauen (23 / unv.)
35. (35.) Italien (22 / unv.)
36. (38.) Moldawien (20 / +1)
37. (37.) Bulgarien (20 / unv.)
38. (39.) Rumänien (19 / unv.)
39. (40.) Liechtenstein (19 / +1)
40. (36.) Ukraine (18 / -4)
41. (41.) Lettland (17 / unv.)
42. (43.) San Marino (13 / unv.)
43. (42.) Polen (13 / -3)
44. (43.) Belarus (12 / -1)
45. (45.) Monaco (11 / unv.)
46. (46.) Russland (10 / unv.)
47. (47.) Armenien (7 / unv.)
48. (48.) Türkei (4 / unv.)
49. (49.) Aserbaidschan (2 / unv.)

Links zum Thema:
» Rainbow-Europe-Homepage
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