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"Nie gab es mehr zu tun"
FDP-Wahlprogramm verspricht mehrere queere Initiativen
Dreieinhalb Jahre, nachdem die FDP die Jamaika-Gespräche platzen ließ und lieber nicht als "schlecht" regieren wollte, attestiert die Partei, dass es viel zu tun gebe – auch bei LGBTI-Rechten.

Für Christian Lindner ist es bereits der zweite Bundestagswahlkampf als FDP-Chef (Bild: FDP)
17. Mai 2021, 13:12h 3 Min. Von
"Wir Freie Demokraten wollen, dass Deutschland sich gemeinsam mit EU-Partnern konsequent für die Stärkung von LSBTI-Rechten einsetzt, Menschenrechtsverletzungen an Lesben, Schwulen, Trans*, Bi und Intersexuellen verurteilt und für die Abschaffung diskriminierender Gesetze eintritt." Dieser Satz stammt aus dem FDP-Wahlprogramm (PDF), das am Wochenende auf einem digitalen Parteitag beschlossen wurde. Das Papier steht unter dem Titel: "Nie gab es mehr zu tun" und enthält eine ganze Reihe von Punkten, um LGBTI-Rechte in Deutschland und der Welt zu stärken.
So fordern die Liberalen unter anderem, dass in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verbotener Diskriminierung das Merkmal "sexuelle Identität" aufgenommen werden soll. Bis 2017 hatte die FDP diese Reform noch bekämpft (queer.de berichtete). Außerdem verspricht die FDP, sich für die Abschaffung des Blutspendeverbots für schwule und bisexuelle Männer und ein vollständiges Verbot von "Konversionstherapien" einzusetzen.
Starkes Programm – der FDP Bundesparteitag beschließt starke Positionen für ? Lesben, Schwule, Bi-, Trans* und Intersexuelle
Posted by Michael Kauch on Sunday, May 16, 2021
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Laut dem Programm sollen auch Mehrelternschaften anerkannt sowie Eizellenspende und nichtkommerzielle Leihmutterschaft legalisiert werden. In Zwei-Mütter-Familien soll die Co-Mutter bei Samenspenden automatisch als rechtliche Mutter anerkannt werden.
Bei Trans-Rechten engagiert sich die FDP dafür, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzten. Dieses Thema wird auf Initiative der FDP und der Grünen bereits diese Woche im Bundestag diskutiert (queer.de berichtete). Die Liberalen versprechen unter anderem, dass Änderungen des Geschlechtseintrags künftig grundsätzlich per Selbstauskunft möglich sein sollen und die Kosten für geschlechtsangleichende Operationen von den Krankenkassen übernommen werden.
Im Themenkomplex "Hasskriminalität" setzt die FDP auf eine bundesweite Erfassung queerfeindlicher Straftaten. Zudem müsse diese Art von Hass-Gewalt genauso behandelt werden wie rassistische Gewalt. Beim Kampf gegen Hasskriminalität soll ein Nationaler Aktionsplan und eine dauerhafte Absicherung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld im Bundeshaushalt helfen.
Zudem setzt die FDP in der Arbeitswelt auf "ganzheitliches Diversity Management als Teil ökonomischer Modernisierung und sinnvolle Alternative zu Quoten". Diversity Management ist ein Konzept des Personalwesens von Unternehmen, die Vielfalt der Mitarbeitenden nicht nur zu tolerieren, sondern sie durch eine positive Wertschätzung hervorzuheben und so für den Unternehmenserfolg nutzbar zu machen.
International wollen sich die Liberalen verstärkt für queere Rechte einsetzen – so fordern sie etwa eine UN-Konvention zum Thema. Auch die Lage queerer Geflüchteter, die nach Deutschland kommen, soll verbessert werden. Allerdings wurde die FDP in der Vergangenheit von LGBTI-Aktivst*innen dafür kritisiert, dass sie den Ländern Marokko, Algerien und Tunesien das Prädikat "sicheres Herkunftsland" verleihen will, obwohl Homosexuelle in allen drei Ländern staatlicher Verfolgung ausgesetzt sind (queer.de berichtete). Allein in einem Massenprozess verurteilte etwa das "sichere" Algerien letztes Jahr 44 Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu Gefängnis- oder Bewährungsstrafen (queer.de berichtete).
Umstrittene Forderungen im Wahlprogramm
Das Wahlprogramm war drei Tage lang beim Bundesparteitag debattiert worden. Dabei schafften es auch einige umstrittene Forderungen in das Paket: So will die FDP etwa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwingen, mehrere Sender abzuschalten; der deutsche Journalistenverband bezeichnete diesen Vorstoß als "populistisch" und "verfassungswidrig". Außerdem lehnen die Liberalen staatliche Vorgaben zur Einhaltung der Klimaziele ab und wollen am Verbrennungsmotor festhalten.
Die FDP befindet sich in Umfragen derzeit auf einem Höhenflug – sie kann mit zehn bis zwölf Prozent rechnen, nachdem sich die Partei vor der Corona-Krise nahe der Fünfprozenthürde befand. Noch ist unklar, ob die Liberalen regierungswillig sind. 2017 hatte FDP-Chef Christian Lindner noch eine Regierungsbeteiligung mit dem Satz "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" abgelehnt und somit eine neue Große Koalition erzwungen. Laut Umfragen sind Regierungskoalitionen wie Schwarz-Grün oder Grün-Rot-Rot weit populärer als eine Jamaika- oder Ampel-Koalition.

Als ob er was mit den Grünen machen würde...